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20.05.2025 | Vergütung | Schwerpunkt | Online-Artikel

ESG-Ziele sind in Vorstandsgehältern Nebensache

verfasst von: Annette Speck

6:30 Min. Lesedauer

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Viele europäische Konzerne verknüpfen Bonus-Zahlungen an ihre Vorstände auch mit Nachhaltigkeitszielen. Ihr Anteil an der leistungsabhängigen Vergütung sei jedoch oft gering und grenze an Greenwashing, so ein Forscherteam. 

Unternehmen verankern Nachhaltigkeitsziele sehr unterschiedlich in den Vergütungen ihres Managements.


Nachhaltigkeit und Environmental Social Governance (ESG) werden von vielen Unternehmen heute als wichtige Bestandteile ihres Handelns gepriesen. Dies ist zu einem Großteil den gesetzlichen Pflichten geschuldet, wie die Studie "A World in Balance 2024" des Capgemini Research Institutes einmal mehr bestätigt. Dank der Vorschriften seien das Engagement für Nachhaltigkeit vorangetrieben und die Mess- und Nachverfolgungsmöglichkeiten in den letzten Jahren beschleunigt worden.

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Nachhaltigkeit beeinflusst Boni nur zu fünf Prozent

Inwieweit allerdings ESG-Ziele, die sich in immer mehr Vergütungsvereinbarungen von Managern finden, nachhaltiges Handeln beflügeln, ist fraglich. Die Analyse von Daten der Jahre 2013 bis 2020 zur Entlohnung von europäischen Konzernvorständen, die ein Forscherteam der Universität Tübingen und der Wirtschaftshochschule HEC in Paris vorgenommen hat, nährt Zweifel.

Gerade einmal fünf Prozent der leistungsabhängigen Vergütung sind laut der Studie "All Hat and No Cattle? ESG Incentives in Executive Compensation" an verbindliche, messbare Kriterien von nachhaltigem Verhalten der Unternehmen gekoppelt. Ob Top-Manager in einem Geschäftsjahr etwa Entscheidungen zur Senkung von Emissionen getroffen haben oder solche, die die Diversität oder die Produktsicherheit erhöhen, beeinflusst ihre Bonusauszahlungen demnach nur minimal.

Mehrheit der Manager hat ESG-Ziele im Vertrag

Gleichwohl ist bei 60 Prozent der Führungskräfte mindestens ein ESG-Kriterium in die Vergütung integriert, wie die Analyse zeigt. Ausgewertet wurden die Vergütungsdaten von 674 Führungskräften aus 73 Unternehmen, die in den beiden großen europäischen Börsenindizes Eurostoxx 50 und Stoxx Europe 50 gelistet sind.

Ob wirksame Anreize in der Vergütung gesetzt werden oder nicht, prüften die Wissenschaftler durch die Unterscheidung von "verbindlichen" und "ermessensbasierten" ESG-Kennzahlen. Verbindliche Kennzahlen werden zu Beginn des Geschäftsjahres mit einem festgelegten Gewicht in das Vergütungspaket der Vorstände aufgenommen und bieten klare und verlässliche Ziele. Erreicht oder übertrifft eine Führungskraft diese Ziele, erhält sie eine Auszahlung auf Grundlage des vorab festgelegten Gewichts dieser Kennzahlen.

Ermessensbasierte ESG-Kennzahlen sind dagegen flexibler. Aufsichtsräte oder Vergütungsausschüsse können das Gewicht oder die Bedeutung dieser Kennzahlen am Ende des Geschäftsjahres nach eigenem Ermessen anpassen. Das schafft jedoch Unsicherheit, inwieweit die ESG-Leistung einer Führungskraft ihre Vergütung beeinflusst. Dadurch fühlten sich Führungskräfte möglicherweise weniger verpflichtet, diese Ziele vorrangig zu verfolgen, mutmaßen die Studienautoren.

ESG-Leistungskennzahlen eher symbolisch

Die ESG-Leistungskennzahlen seien weitgehend symbolisch, den meisten Unternehmen sei der Schein wichtiger als echte Veränderung, konstatiert Professor Patrick Kampkötter, Co-Autor der Studie und Lehrstuhlinhaber für Managerial Accounting an der Universität Tübingen.  

Insbesondere große Unternehmen im Finanzsektor weisen laut der Studie oft überwiegend ermessensbasierte ESG-Kennzahlen in ihren Vergütungsplänen auf. Gleichzeitig fehle es ihnen an klaren Gewichtungen. "Diese Kombination deutet darauf hin, dass für viele Unternehmen die Einbeziehung von ESG-Kennzahlen eine Form des Greenwashing sein könnte - ein Signal für das Engagement für Nachhaltigkeit, ohne tatsächlich substanzielle Verbesserungen zu fördern oder den Aktionärswert zu opfern", sagt Professor Matthias Efing von der Wirtschaftshochschule HEC in Paris und Co-Autor der Studie.

Auch Aktionäre und Investoren fordern Nachhaltigkeit

Dem soll eigentlich das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) entgegenwirken. Es hält in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG fest, dass die Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder bei börsennotierten Gesellschaften auf eine "nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft" auszurichten ist. Die gleiche Formulierung findet sich auch im Deutschen Governance Kodex.

Springer-Autorin Laura Matarrelli weist in dem Buchkapitel "ESG-Komponenten in der variablen Vergütung"  auf weitere Vorgaben und Gesetze hin, die Unternehmen zu einem umfassenden Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement verpflichten. Doch nicht zuletzt weil auch Investoren, Stimmrechtsberater, Kunden und andere Stakeholder zunehmend Firmen mit negativem sozialen oder ökologischen Image meiden, sollten Unternehmen Nachhaltigkeit effektiv in der Unternehmenskultur verankern und nicht nur auf dem Papier, schreibt sie auf Seite 403.

Mehr Transparenz über das tatsächliche Gewicht von ESG-Kennzahlen und klarere Berichtsstandards würden dazu beitragen, dass Unternehmen für ihre ESG-Verpflichtungen sowohl gegenüber Aktionären als auch gegenüber der Öffentlichkeit zur Rechenschaft gezogen werden.“ Professor Patrick Kampkötter

Je weniger CO2-Ausstoß umso höher das Vorstandsgehalt

Ohne Zweifel bemühen sich Firmen durchaus um Verbesserungen. So werden etwa für die Umweltperformance meist die CO2-Emissionen als Indikator herangezogen. Springer-Autor Florian Timmer führt in dem Buchkapitel "Vorstandsvergütung nach Verabschiedung von ARUG II" beispielhaft die Siemens AG an: "Dort steigen die Vorstandsgehälter, je weniger Kohlenstoffdioxid (CO2) vom Konzern ausgestoßen wird." (Seite 105)

Bei der DHL Gruppe trägt man der zunehmenden Erwartung, dass ESG-Aspekte in die Vorstandsvergütung gehörten, ebenfalls Rechnung. Der variable Jahresbonus sei mit 30 Prozent an ESG-Ziele gekoppelt, erläutert Finanzvorständin Melanie Kreis im Interview mit der Zeitschrift Controlling & Management Review und führt weiter aus: "Das sind zehn Prozent für E, zehn Prozent für S und zehn Prozent für G. Das Thema Mitarbeiter-Engagement aus der S-Säule ist dabei schon seit Längerem in unsere Vergütungssysteme integriert." (Seite 43)

Alle müssen an einem Strang ziehen

Springer-Autor Jürgen Weißenrieder hält die Integration von ESG-Zielen in die Vergütung des oberen Managements in jedem Fall für sinnvoll: "Wenn die Vergütung des Managements nicht auf nachhaltiges Handeln hin ausgerichtet ist, wird nachhaltiges Handeln auf den nachgeordneten Ebenen nicht verankert werden können - im Gegenteil, es wird sogar erschwert werden", schreibt er auf Seite 285 des Buchkapitels "Das Management: Nachhaltige Vergütung und Vergütung der Nachhaltigkeit".

Weißenrieder identifiziert Prinzipien für die Verankerung von ESG-Zielen in variablen Vergütungsbestandteilen, die nachhaltigeres Unternehmenshandeln effektiv fördern würden. Er bezieht sich hierbei auf die zweite Führungsebene unterhalb der Geschäftsleitung (Seite 286 ff.):

  • Eindeutige Kennzahlen und Zielvereinbarungen
  • Sich nicht an Stichtagen, sondern lieber an längeren Zeiträumen oder mehrjährigen Durchschnittswerten als Grundlage für die Vergütung orientieren
  • Management und Mitarbeitende mit leistungsvariablen Vergütungsbestandteilen müssen entlang der gleichen Steuerungsgrößen vergütet werden, damit sie in die gleiche Richtung agieren.
  • Der Anteil der leistungsvariablen Vergütung muss beim oberen Management höher sein als bei den Mitarbeitenden unterer Ebenen, sodass das Risiko eines Malus beim Management größer ist.

Praktische Tipps für die Umsetzung

Doch wie lassen sich ESG-Ziele und Vergütung in der Praxis sinnvoll und effektiv miteinander verbinden? Laura Matarrelli stellt Herangehensweisen vor (Seite 405 ff.).

Lösungsansätze 

Ausreichend Zeit nehmen und relevante Entscheidungsträger einbinden, um diejenigen Stellen zu identifizieren, an denen ESG-Themen im Unternehmen eine Rolle spielen. Diese sollten zudem das operative Geschäft gut kennen.

Je nach Branche und Geschäftsmodell kann es sich anbieten, sich lediglich auf ein ESG-Ziel zu fokussieren oder mehrere Ziele aus den verschiedenen ESG-Bereichen zu setzen.

Um ESG-Ziele überhaupt spürbar in der variablen Vergütung zu verankern, sollten sie einen relevanten prozentualen Anteil der zu erreichenden Ziele ausmachen. Häufig wird eine Gewichtung der ESG-Ziele von 20-30 Prozent in der Vorstandsvergütung empfohlen.

Die Führungskräfte, die ESG-Zielvorgaben festlegen, benötigen Know-how, um deren Umsetzbarkeit sicherzustellen beziehungsweise zu verhindern, dass nur abstrakte Ziele vereinbart werden.

Hinreichend mess- und quantifizierbare Ziele vereinbaren: Hierzu werden Orientierungsgrößen für den Grad der Zielerreichung festgelegt, idealerweise mit zahlenbasierten Zielvorgaben. Ansonsten müssen andere Wege mit konkreten Bezugspunkten vereinbart werden, die die Zielerreichung messbar machen, damit die Beurteilung der Zielerreichung nicht vom Ermessen der jeweiligen Führungskraft abhängt.

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