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2017 | Buch

Verkehr und Mobilität zwischen Alltagspraxis und Planungstheorie

Ökologische und soziale Perspektiven

herausgegeben von: Mathias Wilde, Matthias Gather, Cordula Neiberger, Joachim Scheiner

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung

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Über dieses Buch

Der vorliegende Band geht den planungspraktischen Dimensionen der Mobilitätsforschung nach und setzt sie in Beziehung zu den Ergebnissen sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse. Basierend auf einer im Jahr 2015 stattgefundenen Jahrestagung des Arbeitskreises Verkehr der Deutschen Gesellschaft für Geographie, geben die Beiträge einen Einblick in das Spannungsfeld der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung und ihrer Relevanz für die Verkehrsplanung. Die Beiträger liefern Impulse für eine Verkehrsplanung, die die kulturelle und soziale Dimension von Mobilität berücksichtigt und für die Praxis übersetzt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Verkehr und Mobilität zwischen Alltagspraxis und Planungstheorie – Einleitung
Mathias Wilde, Matthias Gather, Cordula Neiberger, Joachim Scheiner
Integrierte Mobilitäts- und Verkehrsforschung: zwischen Lebenspraxis und Planungspraxis
Zusammenfassung
Mobilität und Verkehr, die Überwindung von Distanzen, sind fundamentale Merkmale von Gesellschaften. Die Ingenieurswissenschaften, die Volks- und Betriebswirtschaftswissenchaften befassen sich mit Infrastrukturen oder bewerten deren Nutzen. Die Sozialwissenschaften, die Soziologie, Geografie oder Psychologie, nehmen hingegen die soziale und kulturelle Beschaffenheit von Mobilität und Verkehr in den Blick. Der vorliegende Beitrag setzt sich mit den Perspektiven der Disziplinen auseinander und befasst sich mit der immer wieder aufgeworfenen Gegensätzlichkeit von Mobilitätsforschung und Verkehrsplanung (vgl. Kutter, Verkehr und Technik 3–7, 2010a; Kutter, Verkehr und Technik 46–49, 2010b; Scheiner, Verkehr und Technik 65:403–409, 2013). Die Unüberwindbarkeit der Gräben zwischen der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung und der klassischen Verkehrswissenschaft veranlasst uns, den Blick auf die Vielfältigkeit der Herangehensweisen zu richten und ihre Potenziale herauszuarbeiten. Indem wir die Ansätze der Mobilitäts- und Verkehrsforschung aufgreifen und deren Blickweisen nachgehen, wollen wir aufzeigen, wie die Grenzen von Disziplinen und methodischen Herangehensweisen möglicherweise überwunden werden können. Insofern nimmt sich der Beitrag dem Dualismus der Standpunkte an, den wir als konstruiert betrachten, befasst sich mit den Grenzen der Perspektiven und zeigt Möglichkeiten auf, wie sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung und klassische Verkehrswissenschaft zusammenwirken könnten.
Damit verfolgen wir das Ziel, die vermeintliche Gegensätzlichkeit von klassischen Ansätzen, die eher die Ebene des Verkehrssystems betonen, und akteurszentrierten Ansätzen, die den Menschen als Individuum in den Blick nehmen, ein Stück weit außer Kraft zu setzen. Dafür gehen wir auf die Erklärungspotenziale und Limitierungen der einzelnen Ansätze ein und geben einen Ausblick, wie vermeintlich antagonistische Forschungsansätze sich wechselseitig Impulse geben können. Insofern dienen die folgenden Ausführungen dazu, einen Zugang für eine Verkehrsplanung und ‑forschung aufzuzeigen, die die kulturelle und soziale Dimension von Mobilität erfasst und für eine planungspraktische Anwendung übersetzt.
Mathias Wilde, Thomas Klinger
Wie bewegen sich die (Im-)Mobilen? Ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Mobilitätsgenese
Zusammenfassung
Da technologische Innovationen nicht ausreichen werden, um angemessen auf die Umwelt- und Klimabelastung zu reagieren, rückt die Bedeutung, über Verhaltensänderungen die nicht unerheblichen Rebound-Effekte zu verringern und den Zielerreichungsgrad zu erhöhen, (wieder) verstärkt in den Mittelpunkt. Mit den bisherigen Modellen ist es nur unzureichend gelungen, die unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen im Mobilitätsbereich zu erklären. Das liegt einerseits an einer zunehmenden Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften, andererseits aber auch an zu wenig differenzierten Modellen. Im Beitrag wird zum einen der aktuelle Stand der sozialpsychologischen Mobilitätsforschung und zum anderen der soziologischen Ungleichheitsforschung mit den jeweiligen Schwächen und dargestellt. Der Vorschlag zielt auf eine Integration beider Zugänge, für jeweilige Milieus die intrapersonalen Motivationsstrukturen zu analysieren, um auf diese Weise maßgeschneiderte Veränderungs-Anreize setzen zu können.
Jens S. Dangschat
Mobilität und soziale Exklusion: Ein Plädoyer für ein zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement
Zusammenfassung
Mit dem von Amaryta Sen und Martha C. Nussbaum entwickelten Befähigungsansatz (Capability approach) wird eine Gerechtigkeitskonzeption beschrieben, die eine normative Grundlage für die Entwicklung eines zielgruppenspezifischen Mobilitätsmanagements bilden kann. An zwei Handlungsoptionen für eine inklusive Mobilität (Sozialticket im Öffentlichen Nahverkehr und die Möglichkeit der kostenlosen Reparatur von Fahrrädern) wird dargestellt, wie diese von den von sozialer Exklusion betroffenen Menschen subjektiv wahrgenommen werden. Grundlage der Darstellung sind qualitative Interviews mit Bezieher_innen von Arbeitslosengeld II. Es folgen Hinweise auf die Voraussetzungen und Möglichkeiten eines an den Menschen orientierten Mobilitätsmanagements, dessen Ziel die Verbesserung von Verwirklichungschancen ist.
Stephan Daubitz
Handlungsmotive für die Nutzung von Carsharing mit Elektrofahrzeugen: Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung
Zusammenfassung
Mit dem flächendeckenden Einsatz von Elektrofahrzeugen verbindet sich die Hoffnung, die verkehrlich bedingten CO2-Emissionen im Sinne der Klimaschutzziele dauerhaft zu senken. Ein möglicher Einsatzkontext für Elektrofahrzeuge ist Carsharing. Damit es langfristig gelingt neue Nutzergruppen für das sogenannte eCarsharing zu gewinnen, gilt es wirksame Strategien zu entwickeln, um neue Nutzerpotenziale auszuschöpfen. Dabei hilft eine mobilitätsstilbasierte Analyse bereits vorhandener eCarsharing-Kunden. Im vorliegenden Beitrag wird mittels einer qualitativen Befragung eine Typologie von eCarsharing-Nutzern erstellt, anhand derer zentrale Handlungsmotive für die Wahl eines Elektrofahrzeuges im Carsharing abgeleitet werden können.
Claudia Hille
Bringt die nächste Generation die Mobilitätswende?
Zusammenfassung
Änderungen in den Mobilitätsstilen junger Menschen waren bereits häufiger Gegenstand empirischer Untersuchungen. In Erwartung von Kohorteneffekten wird dabei gelegentlich die These vertreten, solche Änderungen seien Anzeichen eines generellen Wandels von Mobilitätspräferenzen weg vom privaten Pkw, im vermeintlichen Einklang mit einem Bedeutungsgewinn anderer Konsumgüter und einer Sharing Economy. Ziel dieses Beitrags ist es, auf die Notwendigkeit eines differenzierten Blicks auf die Gruppe ‚junger Menschen‘ hinzuweisen. Dazu wurden Studierende und BerufsschülerInnen aus Leipzig und Umland zu ihrem Mobilitätsverhalten, ihrer Verkehrsmittelwahl und ihren Einstellungen zu unterschiedlichen Mobilitätsformen befragt. Ebenso wurde versucht, zu ergründen, welcher Teil ihres sozialen Umfeldes auf diese Einstellungen am ehesten Einfluss nimmt. Dabei wird festgestellt, dass Sozialisationen der Herkunftsfamilie weit geringere Auswirkungen haben als die Werte und Einstellungen gleichaltriger Peergroups, die zu deutlichen Unterschieden in der Autoverbundenheit und dem mobilitätsbezogenen Umweltbewusstsein zwischen den Studierenden und BerufsschülerInnen führen. Qualitative Gruppeninterviews runden die Untersuchung ab und erlauben noch einmal einen Blick auf individuelle Begründungszusammenhänge.
Tilman A. Schenk
Reisezeitexperimente als Forschungs- und Evaluierungsinstrument – Ergebnisse aus Feldstudien in Lüneburg, Hamburg und Göttingen
Zusammenfassung
Geschwindigkeit, Zielerreichbarkeit und Unabhängigkeit/Flexibilität sind wichtige Elemente der Verkehrsmittelwahl, die sich messtechnisch in Distanzen, km/h-Werten und (meist fußläufigen) Zeitanteilen außerhalb des Hauptverkehrsmittels niederschlagen. Eine systematische, an räumlicher und zeitlicher Vergleichbarkeit orientierte Erhebung differenzierter Reisezeitwerte in Experimenten zur Alltagssimulation von Verkehrsbedingungen ist möglich und wird im folgenden Beitrag skizziert. Die Ergebnisse von Feldexperimenten in Lüneburg, Hamburg und Göttingen zeigen, dass eine Fülle von Aussagen für die Forschung oder/und für Politik und Planung daraus ableitbar ist. Viele Aussagen lassen sich dabei erst aus dem Vergleich von Untersuchungsorten ziehen, weil nur hierüber eine Identifizierung von Better-/Best-Practice-Beispielen (oder deren Gegenteil) möglich ist und dies den Anstoß liefert, Veränderungspotenziale zu identifizieren. Insofern ist eine Generierung von Reisezeitdaten und -vergleichen für weitere Referenzorte dringend wünschenswert. Die drei Feldstudien können darüber hinaus zeigen, dass die Elektrifizierung des Radverkehrs diesen deutlich attraktiver gestalten kann und dies in Koppelung mit Radverkehrsförderung in der Infrastruktur und in Verkehrsleitsystemen sowie mit Verkehrsberuhigung für den MIV erhebliche Modal-split-Veränderungspotenziale birgt.
Peter Pez
Die Kosten des Berufspendelns – Tagespendeln oder Zweitwohnung?
Zusammenfassung
In Deutschland hat das berufsbedingte Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Treibende Kräfte sind unter anderem der verkehrstechnische Fortschritt, die Digitalisierung der Gesellschaft sowie die Flexibilisierung der Arbeitswelt. Weniger gesicherte Erkenntnisse liegen allerdings bislang dazu vor, welche Kosten und Aufwendungen durch berufsbedingte Multilokalität entstehen und wie stark einzelne Kommunen von den Folgen multilokaler Lebensweisen betroffen sind. Der vorliegende Beitrag stellt den Wohn- und Mobilitätskostenrechner (WoMoKoR) als explorativen Ansatz zur Quantifizierung berufsbedingter Multilokalität vor. Dabei geht es zunächst einmal um die Fragen „Was kostet ein Kilometer Berufspendeln?“ und „Was kostet eine Zweitwohnung am Arbeitsort?“. Neben der Aufschlüsselung der verwendeten Kostenkennwerte wird im Beitrag auch dargestellt, in welcher Form diese Fragen dabei helfen können, den potenziellen Bedarf an berufsbedingten Zweitwohnungen für alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen zu berechnen und welche Folgen für die Stadtentwicklung aufgrund dessen zu erwarten sind.
Sebastian Eichhorn, Martin Schulwitz
Mobilität 2.0 – Eine Systematisierung und sozial-räumliche Charakterisierung neuer Mobilitätsdienstleistungen
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit gibt einen systematischen Überblick über verschiedene neue und in den letzten Jahren stark gewachsene öffentliche Mobilitätsdienstleistungen. Zur Theoretisierung des damit verbundenen Wandels wird der Begriff Mobilität 2.0 eingeführt und diskutiert. Darüber hinaus werden bisher häufig vernachlässigte soziale und räumliche Folgen durch die Einführung und das Wachstum neuer Mobilitätsdienstleistungen thematisiert.
Martin Lanzendorf, Jakob Hebsaker
Die Nutzerinnen und Nutzer im Blick der Verkehrsplanung – nachfrageorientierte Planung am Beispiel der Ladeinfrastruktur
Zusammenfassung
In stark verdichteten, städtischen Quartieren besteht Konkurrenz um den öffentlichen Raum. Durch Elektroverkehre ist zusätzlich die Errichtung von Ladeinfrastruktur notwendig, die den öffentlichen Raum weiter begrenzen. Daher muss eine Förderung der Elektromobilität auch dazu genutzt werden, den privaten Autobesitz – unabhängig von der Technologie – zu reduzieren. Dieser Artikel stellt zwei nachfrageorientierte Forschungsprojekte vor, die belegen, dass potenzielle Nutzer_innen von Elektromobilität ihre Mobilitätsentscheidungen immer in Bezug zu ihrem eigenen Mobilitätsalltag treffen. Zudem wird das realisierte Verkehrsverhalten geprägt durch Routinen und biografische Vorprägungen. Gerade durch neu entstehende alternative Mobilitätsmöglichkeiten werden aber Situationen geschaffen, die gängige Mobilitätsroutinen infrage stellen bzw. durchbrechen. Beide Studien verdeutlichen, dass das Verstehen der Verkehrsmittelnutzung und dahinterliegender Entscheidungsprozesse Grundlage einer Mobilitäts- und Verkehrsplanung sein muss.
Veronique Riedel, Oliver Schwedes
Metadaten
Titel
Verkehr und Mobilität zwischen Alltagspraxis und Planungstheorie
herausgegeben von
Mathias Wilde
Matthias Gather
Cordula Neiberger
Joachim Scheiner
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-13701-4
Print ISBN
978-3-658-13700-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13701-4