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08.12.2021 | Verkehrspolitik | Gastbeitrag | Online-Artikel

Verbrenner-Aus: von Wunsch zu Wirklichkeit

verfasst von: Constantin M. Gall

4 Min. Lesedauer

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Von London über Ankara bis Neu-Delhi: Immer mehr Regierungen verschreiben sich dem Ende des Verbrennungsmotors und damit der Elektromobilität – kollidieren aber an vielen Stellen mit der Realität. 

Die 26. UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow ist statt mit dem großen Durchbruch mit zahlreichen Kompromissen zu Ende gegangen. Für die Automobilbranche war weniger die Abschlusserklärung interessant als vielmehr eine Erklärung am Rande der vierzehntägigen Konferenz. Vorangetrieben von der britischen Regierung haben 38 Länder das Ende des Verbrennungsmotors für 2040 beschlossen – in führenden Märkten sogar schon ab 2035. Die Erklärung zur Beschleunigung des Übergangs zu 100 % emissionsfreien Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ist ein ambitioniertes Vorhaben, das allerdings entscheidende Fragen zur Umsetzung unbeantwortet lässt. 

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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

CO2 – aktuelle Debatten im Vergleich

Die Debatte um einen Ausstiegsplan aus der Verbrennertechnologie wird unter der Überschrift des „Green Deal“ (mit der Corona-Krise als Beschleuniger) die bestimmende Debatte in Europa in den kommenden Jahren sein. Dabei wird auch die Zukunft von Alternativpfaden wie Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen verhandelt.

Obwohl Deutschland als wichtiger Automobilmarkt sich der Erklärung nicht angeschlossen hat, muss zum Erreichen der eigenen Klimaziele trotzdem der Anteil der neu zugelassenen Elektroautos massiv zunehmen. Im Koalitionsvertrag hat sich die neue Bundesregierung das Ziel gesetzt, mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030 auf die Straße zu bringen. Das alleine ist eine Mammutaufgabe, die allerdings mit der Realität der aktuellen Situation in Deutschland kollidiert. Schließlich lag die Zahl der in Deutschland zugelassenen batterieelektrischen Autos dem Kraftfahrt-Bundesamt zufolge zu Jahresbeginn bei gerade einmal 309.083. Das Wachstum der Elektromobilität wird zudem von mehreren weiteren Faktoren zurückgehalten. 

Saubere Energie für saubere Mobilität

Damit die neuen Elektrofahrzeuge auch den gewünschten Effekt auf das Klima haben, müssen sie mit CO2-armer und -freier Energie versorgt werden – Energie, die bis jetzt noch nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht. So liegt der Anteil von erneuerbaren Energien am deutschen Strommix aktuell bei rund 50 %. Weitere 12,5 % entfallen auf Kernenergie. Ab 2022 steht diese allerdings nicht mehr zur Verfügung und muss mittelfristig durch andere CO2-freie Energiequellen ersetzt werden. Kurzfristig werden hier aber erstmal Stromimporte und fossile Energieträger einspringen – insbesondere Kohleverstromung und damit einhergehend höhere CO2-Emissionen. Vor dieser Herausforderung stehen weder unsere französischen Nachbarn noch Großbritannien, die die COP26-Erklärung federführend vorangetrieben haben. Beide setzen weiterhin auf Atomenergie und bauen diese sogar noch weiter aus.

Der steigende Bedarf an CO2-neutraler Energie ist natürlich kein alleiniges Phänomen des Mobilitätssektors. Viele weitere Schlüsselindustrien müssen in den kommenden Jahren ihren Energiehunger zunehmend mit erneuerbaren Quellen stillen, was das deutsche Stromnetz und die Klimaziele im Verkehr vor große Herausforderungen stellt. Die stockenden Genehmigungsverfahren entscheidender Stromtrassen-Projekte, um etwa Windenergie aus dem Norden in den verbrauchsstarken Süden zu bekommen, tun ihr Übriges, um die erfolgreiche Elektrifizierung der Mobilität infrage zu stellen.

Infrastruktur für ein breites Ladenetzwerk

Eine wahrscheinlich noch größere Hürde ist allerdings in der Ladeinfrastruktur und dem ihr zugrundeliegendes Stromnetz selbst verankert. Zwar schreitet der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur stetig voran, allerdings sind die rund 49.000 Ladepunkte angesichts des regierungsübergreifend angestrebten Ziels von einer Million öffentlichen Ladepunkten ein Tropfen auf den heißen Stein. Hier sind Automobilhersteller und Energieunternehmen gleichermaßen gefragt, das öffentliche Ladenetz auf ein massentaugliches Level zu skalieren. Kunden dürften sich den Kauf eines Elektroautos zweimal überlegen, wenn sie fürs Strom tanken Schlange stehen müssen.

Auch wenn das öffentliche Ladenetz einen hohen Stellenwert für die Elektromobilität hat, befindet sich der wohl naheliegendste Ladepunkt an der Wallbox in der heimischen Garage. Vielerorts sind die E-Mobilitätsbestrebungen aber mit einem teils 80-jährigen Stromnetz konfrontiert. Wenn in Zukunft jeder dritte Haushalt sein Elektroauto abends an der eigenen Wallbox laden will, kommt das heutige Niederspannungsnetz nicht mehr mit. Gerade in innerstädtischen Ballungsräumen lässt sich eine solche Infrastruktur nicht für jedes Mehrfamilienhaus errichten. Hier liegt der Schlüssel stattdessen in intermodalen Verkehrskonzepten und umfassenden Sharing-Angeboten.

Zukunft ohne Verbrenner?

Bei 15 Millionen Elektroautos bis 2030 werden sich aber immer noch rund 30 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor auf Deutschlands Straßen befinden. Darüber, wie dieser Teil der Pkw-Flotte CO2-neutral angetrieben werden kann, herrscht weiter Uneinigkeit. Eine Möglichkeit hierfür sind E-Fuels. Während sich die Unterzeichner der COP26-Erklärung – unter ihnen auch Automobilhersteller wie Ford, Mercedes-Benz und Volvo – dagegen ausgesprochen haben, E-Fuels zu berücksichtigen, hält sich die künftige Bundesregierung diesen Weg offen. Hierzu muss aber erst einmal der Gesetzgeber tätig werden und reine paraffinische Kraftstoffe in die 10. BImSchV (Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes) aufnehmen, damit diese in Verkehr gebracht werden können.

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