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22.03.2021 | Vermögensverwaltung | Interview | Online-Artikel

"Junge Erwachsene haben bereits Geld zum Investieren"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6 Min. Lesedauer

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Neobroker, die den schnellen Handel mit Wertpapieren per App anbieten, liegen  bei jungen Menschen im Trend. Welche Konsequenzen diese Entwicklung für die Anlageberatung klassischer Banken hat, erläutern die Experten Pascal Kleinmann und Steffen Seger. 

Springer Professional: Waren Wertpapiere noch vor einigen Jahren eher etwas für versierte Privatanleger, erschließen sich digitale Vermögensverwalter wie Trade Republic oder Scalable Capital vor allem junge Zielgruppen. Macht nur die simple Anwendung die Angebote für die Generation Z so attraktiv oder steigt das Interesse an Aktien generell?

Steffen Seger: Das Interesse junger Zielgruppen an Wertpapieren ist bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie gestiegen. Die Gründe hierfür sind zahlreich: Vor der Krise stetig steigende Aktienkurse, der Mangel an renditereichen Alternativen und ein einfacher Zugang zu Anlagewissen durch Finance Influencer, die beispielsweise auf Youtube das Thema Geldanlage einfach verständlich erklären.

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Digitale Vermögensverwalter wie Scalable Capital haben dieses Interesse erkannt und den Zugang zu den Märkten weiter vereinfacht: Mit wenigen Klicks erhält der Kunde ein maßgeschneidertes und diversifiziertes Portfolio. Jedoch ist zu konstatieren, dass ETF-Sparpläne sich immer noch deutlich stärkerer Beliebtheit erfreuen als digitale Vermögensverwalter. Hier setzen nun Neobroker wie Trade Republic an. Mit einem nahezu kostenlosen und mobilen Zugang zu Wertpapieren – zum Beispiel über kostenlose ETF-Sparpläne, einer simplen Aufmachung und niedrigen Hürden zum Investieren – etwa durch Features wie Hot Stocks und einfach zusammengefasste Analystenmeinungen – wird das Interesse an Wertpapieren weiter gesteigert.

Warum buhlen gerade klassische Finanzhäuser um die jungen Anleger, die ja in der Regel nicht über große finanzielle Reserven verfügen?

Pascal Kleinmann: Auch junge Erwachsene haben bereits Geld zum Investieren zur Verfügung. 85 Prozent der Deutschen im Alter von 14 bis 25 Jahren sparen ihr Geld aktiv an. Und das sogar mit einer über dem Schnitt privater Haushalte liegenden durchschnittlichen Sparquote von 29 Prozent, was 141 Euro pro Monat entspricht.

Steffen Seger: Neben den jetzt schon beträchtlichen Sparquoten müssen Banken dabei auch den Customer Lifetime Value berücksichtigen. Auch wenn der junge Kunde absolut betrachtet noch nicht über große finanzielle Reserven verfügt, so wird er mit der Zeit finanziell potenter und profitabler. Zudem stellt ein Wertpapierdepot eine gewisse emotionale Wechselhürde dar und ein späterer Wechsel ist stets mit Aufwand sowie einer eingeschränkten Verkaufsmöglichkeit der Aktien verbunden.

Banken können in diesem Bereich offenbar nicht so schnell zu den Fintechs aufschließen, wie sie sich das wünschen. An einem Mangel an technischen Möglichkeiten allein kann es nicht liegen, oder?

Pascal Kleinmann: Viele Banken, insbesondere Sparkassen und Volksbanken, gelten als traditionell und konservativ geführt – schnelle und große Sprünge wie in einem Fintech sind hier eher nicht zu erwarten. An einem Mangel an technischen Möglichkeiten allein liegt es jedoch meist nicht. Vielmehr erschweren die Abhängigkeit von festen Produktanbietern, wie Deka Investments bei Sparkassen, und die Zugehörigkeit zu IT-Infrastruktursystemen, wie der Sparkassen-Finanzgruppe, schnelle Anpassungen und Produkteinführungen einzelner Banken. Auch weist nicht jedes Institut den unbedingten Transformationswillen auf, um das eigene Angebot konsequent zu verjüngen und für diese Zielgruppe attraktiver zu machen. Es gibt jedoch zumindest bei Großbanken derzeit auch positive Entwicklungen: Die Deutsche Bank bietet mit ihrem "Maxblue"-Depot kostenlose Sparpläne auf ausgewählte ETF bis 250 Euro monatlich, auch bei der Commerzbank bleibt das Depot ab einer Sparrate von 25 Euro monatlich kostenlos.

Wo sollten traditionelle Geldhäuser der digitalen Konkurrenz also nacheifern? Können Sie das an einem praktischen Beispiel erläutern?

Steffen Seger: Digitale Vermögensverwalter gibt es mittlerweile bei vielen Banken, beispielsweise Bevestor der Deka oder Mein Invest der Volksbanken. Doch in Summe gibt es noch viel Verbesserungspotenzial: Eine bessere User Experience etwa durch ein ansprechenderes Design der Nutzungsoberfläche und durch einen unkomplizierten und schnellen Abschluss der gewünschten Produkte, die Ausrichtung des eigenen Images auf die anvisierte Zielgruppe, günstigere Gebühren. Junge Erwachsene besitzen oft ein Girokonto bei einem traditionellen Geldhaus - wieso nicht Depot- und Girokonto sowie andere Bankprodukte zusammen als ein Bundle-Produkt anbieten und so die Hürde zur Nutzung direkt reduzieren?

Wie lassen sich entsprechende Geschäftsmodelle in die Gesamtstrategie einer klassischen Bank einbinden?

Pascal Kleinmann: Um langfristigen Erfolg zu haben, muss man die Kunden von morgen schon heute gewinnen. Viele klassische Banken bieten bereits digitale Vermögensverwalter an. Jedoch zeigen ETF-Sparpläne eine deutlich stärkere Dynamik auf. Die Margen im ETF-Bereich sind nahezu nicht vorhanden, öffnen aber die Tür, eine Beziehung zu Kunden mit Liquidität und langfristiger Orientierung aufzubauen. Deshalb sollte der ETF-Sparplan als Ankerprodukt im Wertpapiersegment stärker fokussiert werden.

Steffen Seger: Eine Kopie des Geschäftsmodells von Neobrokern ist nicht zu empfehlen, da dieser Preiskampf für klassische Banken nicht zu gewinnen ist. Stattdessen sollten sich klassische Banken auf ihre Mehrwerte für den Kunden gegenüber Neobrokern fokussieren und vermarkten. Einen solchen Mehrwert könnten hier Finanzcoaches, die in Anlagefragen sowohl persönlich als auch per Video aufklären und coachen, darstellen. Zudem müssen die bestehenden Produkte auch auf junge Erwachsene ausgerichtet werden: Hier sind unter anderem unkomplizierte Produktabschlüsse, eine ansprechende Gestaltung sowie ständige mobile Verfügbarkeit wichtig. Ein Bundle-Produkt bestehend aus Wertpapierdepot und Girokonto würde die Attraktivität weiter steigern. Ein Einsteiger-Bundle mit eingeschränkten Funktionalitäten und günstigeren Konditionen könnte besonders für junge Erwachsene attraktiv sein.

Insgesamt empfiehlt es sich, junge Bestandskunden, die oftmals durch ihre Eltern oder Großeltern eine Bankverbindung bei einer klassischen Bank haben, möglichst früh anzusprechen und in ein Anlageprodukt, zum Beispiel einen ETF-Sparplan, zu transferieren.  

Nun bringen die Digitalisierung und der spielerische Umgang mit Aktien auch Gefahren mit sich. Können die etablierten Institute hieraus einen Vorteil für sich ableiten – etwa im Hinblick auf Beratungsleistungen?

Steffen Seger: Viele Nutzer der Neobroker handeln zum ersten Mal in ihrem Leben mit Wertpapieren und sind entsprechend unerfahren. Diese Unerfahrenheit führt dazu, dass sich diese Nutzer leichter von volatilen Marktbewegungen oder vermeintlichen Marktentwicklungen beeinflussen lassen. Das alte Sprichwort "Viel hin und her macht die Taschen leer", früher bezugnehmend auf hohe Ordergebühren, erhält in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung: Häufiges und unüberlegtes Kaufen und Verkaufen führen selten zu nachhaltigen Gewinnen.

Pascal Kleinmann: Genau hier liegt ein entscheidender Wettbewerbsvorteil der Banken: Sie haben erfahrene Mitarbeiter und können diese Erfahrungen im Rahmen von Finanzcoachings insbesondere an junge Kunden weitergeben. Ansatzpunkte hier sind zielgruppenangepasste Marketingkampagnen zur Vermittlung essenziellen Wissens zum Thema Geldanlage, quasi als institutionalisierte Alternative zu Finanz Influencern.

Sollten langfristig vielleicht auch die Regulierungsbehörden das Handeln am Handy stärker regulieren oder reicht der aktuelle Rahmen?

Pascal Kleinmann: Gesteigerte Regulatorik würde das Selbstbestimmungsrecht des Individuums einschränken und das Interesse an Wertpapieren mindern. Einer Demokratisierung der Aktienwelt wäre damit wohl kaum geholfen. Stattdessen sehen wir eine faktenbasierte Aufklärung über Chancen und Risiken als das wichtigste Instrument an – wieso nicht schon in der Schule mit Kursen zu Financial Literacy, also finanzieller Allgemeinbildung, beginnen?

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