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05.04.2019 | Versicherungsvertrieb | Schwerpunkt | Online-Artikel

Versicherer müssen sich dem autonomen Fahren stellen

verfasst von: Alexa Michopoulos

3:30 Min. Lesedauer

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Autonome Versicherungsvisionen sind für eine Branche, die Jahrzehnte lang ein stabiles Geschäftsmodell gelebt hat, eine echte Herausforderung. Dennoch müssen sich die Versicherer dieser Aufgabe stellen, lautete ein Fazit der ATZ-Fachtagung "Automatisiertes Fahren 2019". 

Fahrerassistenzsysteme können Unfälle deutlich vermindern. Diese Aussage belegte Johann Gwehenberger vom Allianz Zentrum für Technik (AZT) auf der Fachkonferenz der Automobilzeitschrift ATZ und des Versicherungsmagazins "Automatisiertes Fahren 2019" Mitte der Woche in Wiesbaden mit vielen Zahlen. Seit mehr als einem Jahrzehnt analysiert die Unfallforschungsabteilung des AZT Kfz-Unfälle. Mehr als 30.000 Schadenfälle haben die Analysten in ihrer Datenbank. Gwehenberger erläuterte, dass sich beispielsweise durch autonome Notbrems-Systeme 50 Prozent der Auffahrunfälle vermeiden lassen. Das bedeute aber auch, dass sich 50 Prozent Unfälle dennoch ereigneten. 

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Technik ist nicht disruptiv

Den durch Presse und Unternehmensberatungen verbreiteten Szenarien, dass in wenigen Jahren 90 Prozent der Fahrzeuge autonom fahren würden, erteilte der Experte aber eine klare Absage. "Die Technik wird nicht disruptiv sein, weil wir noch viele Probleme zu lösen haben", so seine Einschätzung. Gwehenberger zählte eine Reihe für die Versicherer kritischer Szenerien auf: Spurwechsel, Hindernisse, Interaktionen mit Verkehrsteilnehmern oder die IT-Sicherheit.

Damit teil- und vollautomatisiertes Fahren von der Gesellschaft akzeptiert werde, müssten Unfälle mit automatisierten Fahrzeugen in Bezug auf Haftung und Verantwortung zweifelsfrei aufklärbar sein. Es müsse auch möglich sein, die Sicherheit automatisierter Systeme zu überwachen und zu bewerten. Dazu benötigten die Versicherer sowohl Objekt- als auch Umgebungsdaten. 

Kfz-Versicherung ist wichtigste Sparte 

Auch Andreas Kelb, Bereichsleiter der E+S Rückversicherung, fürchtet nicht, dass die Telematik auf kurze Sicht den deutschen Kfz-Markt durcheinanderwirbeln wird. Die gesamte Kfz-Versicherung ist in der Schaden- und Unfallversicherung mit einem Volumen von knapp 28 Milliarden Euro die wichtigste Sparte. Während in der Kfz-Haftpflicht sowie Vollkaskoversicherung die Schadenfrequenzen seit Jahren leicht rückläufig sind, steigen die Durchschnittsschäden permanent. Dies liege neben der höheren Fahrzeugdichte mit sinkenden individuellen Kilometerleistungen auch an den technischen Systemen über die viele Fahrzeuge mittlerweile verfügten. Diese verteuerten die Reparaturen.

Das autonome Fahren wird laut dem Experten in den kommenden Jahren keine Effekte in Bezug auf Risiko- und damit Prämienminderung haben. Da das aktuelle Durchschnittsalter eines Pkw in Deutschland fast zehn Jahre betrage, werde der Markt nur sehr schleppend von der neuen Technik durchdrungen. Von etwa 53 Millionen Pkw im Jahr 2025 würden maximal zehn Prozent entsprechend ausgestattet sein. "Kfz wird auch über 2030 hinaus ein bewährtes Geschäftsmodell der Versicherer bleiben", so seine Prognose.

Mit autonomen Shuttles Erfahrungen sammeln

Warum die R+V Allgemeine Versicherung autonome Shuttles betreibt, erklärte Projektleiterin Verena Reuber. Der Versicherer entschloss sich 2017, in zwei hochautomatisierte Fahrzeuge zu investieren, um die Chancen und Risiken der neuen Technik besser zu verstehen und abzusichern. 

Schon die Zulassung der hochautomatisierten Fahrzeuge durch den TÜV war ein lehrreicher Prozess für das Unternehmen, da es noch keine Prüfkategorie gab. Gemeinsam mit dem TÜV entwickelte der Versicherer ein Lastenheft. "Sowohl klassische Untersuchungen wie Brems- und Beschleunigungstest aber auch Überprüfungen des autonomen Modus mussten vorgenommen werden", so Reuber. Um die selbstfahrenden Fahrzeuge in möglichst unterschiedlichen Verkehrssituationen zu erproben, wurden sie in vier Testfeldern mit jeweils variierendem Fokus eingesetzt: Auf dem Frankfurter Flughafen, auf dem Firmengelände der Behringwerke in Marburg, im öffentlichen Raum in Wiesbaden und in Mainz.

Während des Testbetriebs sind keine Unfälle passiert, so die Projektmanagerin. Da die Testfelder wissenschaftlich begleitet wurden, habe man viele Erfahrungen und Erkenntnisse vor allem in den Bereichen der Akzeptanzforschung und der technischen Analyse sammeln können. 

Technische Entwicklungen nicht verschlafen

Für Buchautor Tobias Mangei ist klar, dass sich Versicherer schon heute mit den technischen Veränderungen im Kfz-Bereich befassen müssen, um neue Geschäftsmodelle auf den Markt zu bringen. "Noch lässt der Stand der Fahrzeugentwicklung und der Infrastruktur nur ein teilautonomes Fahren oder Feldversuche für selbstfahrende Fahrzeuge zu. Aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Technologie flächendeckend durchsetzt", schreibt der Springer-Autor im Buchkapitel "Entwicklungstendenzen und Herausforderungen in der Versicherungswirtschaft" auf Seite 146. Er rät der Branche deshalb, die technischen Entwicklungen zu nutzen, um bestehende Prozesse und Risikomodelle aufzubrechen und zu optimieren sowie freiwerdende Ressourcen in einen besseren Service zu investieren. 

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