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Open Access 2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

11. Vertragsdurchführung mit Smart Contracts – rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen

verfasst von : Dominik Groß

Erschienen in: Datenwirtschaft und Datentechnologie

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Smart Contracts als algorithmen-basierte Routinen eignen sich zur automatisierten Vertragsabwicklung. Hierzu ist es notwendig, dass sich die Vertragsgestaltung der besonderen Anforderungen bewusst wird, die ein Programmcode, der lediglich einfache Wenn-dann-Beziehungen abbilden kann, an sie stellt. Ein automatisches Ablaufen eines Smart Contracts kann nur dann zur Vertragserfüllung eingesetzt werden, wenn die komplexen juristischen Vereinbarungen zwischen den Parteien derart dekonstruiert werden, dass seine automatische Ausführung möglich ist. Für den Bauvertrag wurde die Zahlungsabwicklung als ein Komplex identifiziert, der es mittels Bautenstandsfeststellungen mithilfe der Methode BIM erlaubt, eine (teil-)automatisierte Vertragsabwicklung durchzuführen. Der Beitrag möchte das Bewusstsein für das Potenzial einer solchen Teilautomatisierung, aber auch für deren Grenzen schärfen. Die Vertragsgestaltung muss ermitteln, an welchen Stellen trotz Teilautomatisierung menschlicher Input notwendig bleibt. Darüber hinaus gilt es die zwingenden Regelungen des Datenschutzes zu beachten. Im Rahmen eines Ausblicks wird untersucht, inwiefern sich die für den Bauvertrag gefundenen Ergebnisse auf die Abwicklung anderer Vertragstypen übertragen lassen.

11.1 Einführung

„Smart Contracts are neither smart nor are they contracts.“ Diese Feststellung aus unbekannter Quelle ist Grundlage und notwendige Prämisse für die rechtliche Analyse der Verwendung von Smart Contracts und ihrer Einbettung in bestehende – analoge – Vertragsverhältnisse (Fries 2018, S. 86 f.) spricht von „einer zweiten Vertragsspur“). Wenn von Smart Contracts die Rede ist, wird unter diesem Konzept nicht etwa ein autonomes System verstanden, das mittels Künstlicher Intelligenz eigenständig Entscheidungen trifft, sondern vielmehr ein Algorithmus, der automatisierte Programmabläufe ausführt. Ein Smart Contract kann also nur eine einfache „Wenn-dann-Beziehung“ abbilden, indem er den Input verarbeitet, der ihm gegeben worden ist, ohne dadurch eigene neue und damit „intelligente“ Inhalte zu schaffen.
Darüber hinaus wäre es aber auch irreführend, verkürzt davon zu sprechen, dass es sich bei Smart Contracts um „Verträge“ handelt. Nach dem Verständnis der deutschen Rechtsgeschäftslehre ist für das Zustandekommen eines Vertrages notwendig, dass mindestens zwei Rechtssubjekte korrespondierende Willenserklärungen abgeben. Es muss also ein Akt natürlicher Willensbildung vorangegangen sein, bevor ein Vertrag zustande kommen kann. Dieses Kriterium ist bei den Softwareprogrammen, die Smart Contract genannt werden, nicht erfüllt (Legner 2021, S. 10, 11 f.). Wie bereits beschrieben, können Smart Contracts nur einen im Vorhinein in sie hineingegebenen Ablauf abbilden. Sie sind damit einem Getränkeautomaten ähnlicher als einem Vertrag (diese Parallele zog bereits der Schöpfer des Begriffs „Smart Contract“, der Informatiker und Jurist Nick Szabo (1996)).
Der Einsatz von Smart Contracts in den vielfältigen Verträgen des Wirtschaftslebens kann unterschiedlich sein, sodass generalisierende Ausführungen nur schwer zu treffen sind. Auf absehbare Zeit werden Smart Contracts weder den Vertragsabschluss durch Menschen ersetzen, noch die Vertragsdurchführung vollständig übernehmen können. Solange der Smart Contract nicht von einer Form von Künstlicher Intelligenz unterstützt wird, kann er den Vertragsabschluss nicht anders abbilden, als dies bei automatisierten Willenserklärungen bislang auch schon der Fall war. Bei der Durchführung des Vertrages ist für jede einzelne Teilleistung die Frage zu stellen, inwiefern diese einer einfachen konditionalen „Wenn-dann-Beziehung“ unterliegt. Daher kann es auch nicht zu einer vollständigen, sondern nur zu einer punktuellen Automatisierung der Vertragsabwicklung kommen, die eine unterstützende Funktion hat. Die Kunst, einen Smart Contract in ein Vertragswerk einzubetten, besteht also darin, sinnvolle Schnittstellen zwischen der analogen Abwicklung des Vertrages und den teilautomatisierten Elementen zu definieren. Der folgende Abschnitt hat zum Ziel, diese neue Aufgabe der Vertragsgestaltung am Beispiel der Teilautomatisierung der Zahlungsabwicklung im Bauwesen zu illustrieren und die im Rahmen dieser konkreten Aufgabe zur Vertragsgestaltung gewonnenen Ergebnisse auf ihre Generalisierbarkeit zu untersuchen.

11.2 Das Forschungsvorhaben „BIMcontracts“

11.2.1 Das Ausgangsproblem im Bauwesen: langsame Zahlungsflüsse

Im Bauwesen wird vielfach beklagt, dass planende und ausführende Baubeteiligte ihren Werklohn nur mit einiger Verspätung erhalten und die von ihnen gestellten Rechnungen gegebenenfalls in wenig transparenter Weise vom jeweiligen Auftraggeber gekürzt worden sind. Lange Rechnungsläufe sind der Tatsache geschuldet, dass der Auftraggeber in einem ersten Schritt aufwendig feststellen muss, ob der vereinbarte Werkerfolg tatsächlich auf der Baustelle erbracht worden ist und ob gegebenenfalls noch Einbehalte wegen Mängeln oder Ähnliches vorgenommen werden müssen. Ist diese Prüfung auf der Baustelle – für gewöhnlich durch einen Bauleiter des Auftraggebers – abgeschlossen, muss diese Information im Geschäftsgang des Auftraggebers erst einmal in der Buchhaltung verarbeitet und von der Geschäftsführung abgezeichnet werden. Erst dann kann eine Zahlung von der Buchhaltung des Auftraggebers angewiesen werden. Ziel des Forschungsvorhabens BIMcontracts ist es, durch Automatisierung dieses Prüfungs- und Zahlungsvorganges den gesamten Zahlungsprozess zu beschleunigen und damit letztendlich Effizienzgewinne für alle Baubeteiligten zu generieren.

11.2.2 Die teilautomatisierte Zahlungsabwicklung mittels Smart Contract

Die Methode BIM − Erstellung eines digitalen Gebäudemodells
Grundlage der Automatisierung ist, dass die Planung des entsprechenden Bauvorhabens mittels der Methode Building Information Modeling (BIM) durchgeführt worden ist. BIM bezeichnet eine Methode im Bauwesen, die es ermöglicht, an mehrdimensionalen digitalen Gebäudemodellen zu arbeiten. Dank BIM können alle Akteure auf der Baustelle, seien es Planer, Bauausführende oder Facility Manager, die notwendigen Schritte zur Realisierung oder zum Betreiben des Objektes ausführen (einen Überblick hierzu bietet das Werk von Eschenbruch und Leupertz (2019); daneben, auch aus interdisziplinärer Sicht, die Handreichungen BIM4INFRA2020 (2019)). Bislang kommt die Methode BIM hauptsächlich im Rahmen der Planung von Bauwerken zur Anwendung. Der von einem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Technologieprogramms Smarte Datenwirtschaft geförderten, interdisziplinären Verbundforschungsvorhaben entwickelte Ansatz BIMcontracts möchte sich diese Methode nun gerade hinsichtlich der Bauausführung zunutze machen und dabei die Zahlungsabwicklung für alle Baubeteiligten vereinfachen, indem abgerechnete Leistungen transparent geprüft und freigegeben werden (Döinghaus et al. 2021). Auf Grundlage eines digitalen Soll-Ist-Abgleichs kann der Stand von Mengen, Kosten und Leistungen ermittelt werden, sodass diese Daten phasenübergreifend genutzt und automatisiert bearbeitet werden können (dieser Ansatz wird allerdings bisher in der Praxis erst zaghaft genutzt, insbesondere in sogenannten Closed BIM-Modellen bei ausführenden Unternehmen innerhalb von Generalunternehmeraufträgen (vgl. Strotmann et al. 2021)). Die digitale Definition des zwischen den Parteien vereinbarten Vertrags-Solls wird zur Automatisierung der Zahlungsabwicklung mit einem Smart Contract kombiniert, der fälschungssicher auf einer Blockchain gespeichert wird.
Als Grundlage muss eine mit der Methode BIM realisierte Planung vorliegen, die einen gewissen Detaillierungsgrad erreicht hat und über bestimmte Attribute verfügt. Hierbei wird häufig das Schlagwort „5D-BIM“ verwendet, um auszudrücken, dass ein erstelltes 3D-Modell zusätzlich über die Dimensionen „Termine“ und „Kosten“ verfügt. Die Attribuierung eines Modells mit Terminen ist indes bisher noch sehr schwergängig und wird in der Praxis selten realisiert. Für die mit BIMcontracts ins Auge gefassten Zwecke ist eine Attribuierung mit Terminkomponenten darüber hinaus auch nicht notwendig, da dieser Aspekt auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Komplexität dieser Frage einstweilen nicht automatisiert werden kann. Ausreichend für eine Smart Contract-basierte Zahlungsabwicklung ist es daher, wenn einzelne Elemente einer 3D-Planung mit dem Attribut „Kosten“ versehen worden sind. Ein bestimmtes Bauteil, etwa eine in 3D dargestellte Betonmauer, muss also mit der zusätzlichen Information versehen werden, dass der Kubikmeter Ortbeton 100 Euro kostet. Ausgangspunkt der Betrachtung ist also ein 3D-Modell, das zusätzlich Kosten für die einzelnen Bauteile ausweist.
Automatisierung des Zahlungsverkehrs mithilfe von Smart Contracts
Der Einsatz eines Smart Contracts bedeutet nicht, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Bauvertragsparteien vollständig digitalisiert würde. Ein Smart Contract kann aus rechtlicher Sicht immer nur im Rahmen eines herkömmlichen (analogen) Vertrages existieren (Mekki 2019, S. 27), den die Parteien nach den Regeln der §§ 145 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) schließen und der im Fall des Bauvertrages den branchenbekannten Mechanismen und Standardklauseln folgt. Auch wenn die Bezeichnung als Smart Contract anderes vermuten ließe, handelt es sich hierbei nämlich nicht um einen Vertrag im juristischen Sinne, sondern nur um einen Algorithmus, der sowohl bei Vertragsabschluss als auch bei der Vertragserfüllung eine Rolle spielen kann (so die wohl inzwischen einhellige Meinung, etwa Eschenbruch und Gerstberger (2018, S. 3); Wilhelm (2020, S. 1807, 1809); Heckelmann (2018, S. 504, 505); aus der Sicht des belgischen Rechts: Enguerrand (2019, S. 22)). Im Ausgangspunkt schließen die Parteien also einen klassischen (analogen) Bauvertrag, zu dessen Abwicklung ein Algorithmus – der Smart Contract – eingesetzt wird. Dieser Bauvertrag muss um spezielle Klauseln zur Nutzung eines Smart Contracts angereichert werden.
Der verwendete Algorithmus kann nach heutigem Stand der Technik ausschließlich eineindeutige „Wenn-dann-Beziehungen“ abbilden (Eschenbruch und Gerstberger 2018, S. 3; Eschenbruch et al. 2020, S. 7). Eine solche automatisierbare „Wenn-dann-Beziehung“ liegt aus juristischer Sicht grundsätzlich beim Zahlungsverkehr vor (dies hat anhand des FIDIC Yellow Book für den Zahlungsverkehr im internationalen Bauwesen auch Rupa, 2021 S. 371, 375 f. noch einmal herausgearbeitet). Zentral und zwingend notwendig für den Abschluss eines Bauvertrages ist eine Abrede über die sogenannten Hauptleistungspflichten, welche nach § 650a Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 631 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Auftragnehmer die Erbringung der Bauleistung, für den Auftraggeber die Zahlung der Vergütung ist. Die Logik des Bauvertrages lautet also vereinfacht gesagt: „Wenn Fertigstellung der Bauleistung – dann Zahlung der Vergütung“. Diese beiden Vertragspflichten können daher im Rahmen des BIMcontracts-Systems in digitaler Form Teil des Bauvertrages werden, um eine Automatisierung der Zahlungsabwicklung zu ermöglichen. Das Vertrags-Soll wird durch das nach der Methode BIM erstellte digitale Gebäudemodell sowie eine ebenfalls digitale Leistungsbeschreibung definiert. Diese beiden Dateien lösen die in rein analogen Bauverträgen anzutreffenden Planunterlagen (meist CAD-Modelle) und die analoge Leistungsbeschreibung beziehungsweise das Leistungsverzeichnis ab. Daneben – und dies stellt eine zentrale Fortentwicklung der bislang erhältlichen Tools dar – wird zur Definition der Vergütungspflicht des Auftraggebers ein digitales Abrechnungsmodell geschaffen, das den analogen Abrechnungsplan ablöst. Da die Methode BIM es erlaubt, einzelne Bauteile mit Attributen zu versehen, können die Kosten für die Ausführung des jeweiligen Bauteils unmittelbar aus dem digitalen Gebäudemodell abgeleitet werden. Auf Grundlage eines solchen mit Kosten attribuierten Modells werden Abrechnungseinheiten für das Abrechnungsmodell gebildet, die von den Vertragsparteien im Vorhinein im Rahmen der Vertragsverhandlungen festgelegt werden müssen (zu der Softwarearchitektur und insbesondere dem Abrechnungsmodell s. Sigalov et al. 2021, S. 7653).
Die vorstehend beschriebenen digitalen Vertragselemente (digitales Gebäudemodell, Leistungsverzeichnis und Abrechnungsmodell) werden, sobald sich die Parteien hierauf verständigt haben, zu einem BIMcontracts-Container (BCC) zusammengefasst. Hierbei handelt es sich technisch gesehen um eine ZIP-Datei, welche auf einer Datenbank gespeichert wird. Bei der Nutzung der Methode BIM wird bei dieser gemeinsamen Datenumgebung von einem „Common Data Environment“ oder CDE gesprochen (Sigalov et al. 2021). Hash-Werte des BCC sowie des gesamten Textes des Bauvertrages werden zudem unveränderlich und dezentral abgespeichert. Hierzu wird die Blockchain-Technologie verwendet, die zusätzlich die einzelnen Schritte der Umsetzung des Zahlungsverkehrs unveränderlich dokumentiert. Daneben wird die Blockchain-Technologie auch dafür verwendet, den Vertragsparteien eine rechtssichere Bestätigung der vereinbarten digitalen Elemente des Bauvertrages zu ermöglichen. Den Parteien wird im Bauvertrag jeweils eine eineindeutige Blockchain-Identität verliehen, mittels derer nach Vertragsschluss auf der Blockchain bestätigt werden muss, dass der referenzierte Smart Contract tatsächlich der Parteivereinbarung entspricht. Erst dann kommt es zur Ausführung des Smart Contract, dem Deployment. Im Projekt BIMcontracts (2020) wurde entschieden, statt einer öffentlichen Blockchain eine sogenannte Konsortialblockchain zu verwenden, um den Datenschutz bestmöglich zu realisieren. Denn bei einer öffentlichen Blockchain kann nicht gesteuert werden, wer die redundant gespeicherten Daten hält und wo dies geschieht. Bei einer Konsortialblockchain wird dagegen die Speicherung der Daten auf einige wenige sogenannte „Nodes“ begrenzt, die mittels eines Vertrages (Konsortialblockchain-Abrede) auf die Einhaltung des Datenschutzes verpflichtet werden können. Hierdurch können die Betroffenenrechte nach Art. 13 ff. DSGVO am effizientesten realisiert werden, ohne dass die Sicherheit und Transparenz der Blockchain darunter litte.
Vertragsrechtlich muss schließlich sichergestellt werden, dass sich die Fälligkeit der Vergütung am konkreten Baufortschritt orientiert. Hierzu soll konkret auf den mit Hilfe der Methode BIM erstellten Baufortschrittsplan Bezug genommen werden und nicht nur eine abstrakte Betrachtung stattfinden – wie dies das Gesetz in §§ 632a BGB und 16 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) vorsieht. Ein digitaler Baufortschrittsplan in Verbindung mit dem digitalen Abrechnungsmodell führt dazu, dass der Auftragnehmer nach Fertigstellung einer im Vorhinein definierten Abrechnungseinheit Zahlung verlangen kann. Alle Zahlungen im Rahmen des BIMcontracts-Systems sind juristisch gesehen Abschlagszahlungen. Die Schlussrechnungslegung erfolgt nach wie vor analog, da das Gesetz hieran Folgen knüpft, die nicht ohne Weiteres in ein „Wenn-dann-Paradigma“ einzubetten sind. Wie weit oder eng diese Abrechnungseinheiten gezogen werden, ist den Vertragsparteien bei Vertragsschluss überlassen. Der Auftragnehmer soll grundsätzlich nur bei Fertigstellung einer vollständigen Abrechnungseinheit automatisch eine Zahlung erhalten. Zentraler Diskussionspunkt zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird dann sein, wie weit oder eng die einzelnen Abrechnungseinheiten zu ziehen sind. Eine eingehende Verhandlung über die Verteilung der Leistungspositionen des (analogen) Leistungsverzeichnisses entspricht aber auch heute bereits gängiger Praxis, sodass an dieser Stelle kein völlig neuer Aufwand für die Vertragsparteien entsteht. Da es bei der Definition von Abrechnungseinheiten keine Rolle spielt, ob die Parteien eine Pauschalvergütung vereinbart haben („300.000 Euro bei Fertigstellung des Rohbaus Erdgeschoss“) oder eine Abrechnung nach Einheitspreisen („Einheitspreis für Ortbeton je Kubikmeter ist 100 Euro“), ist die Vertragsform unerheblich. Das BIMcontracts-System kann daher auch in den in der Praxis gängigen Vertragsketten verwendet werden. Dies gilt sowohl im Verhältnis zwischen einem Bauherrn und einem Generalunternehmer, hier werden häufig Pauschalpreisverträge geschlossen, als auch für das Verhältnis zwischen dem Generalunternehmer und seinen Nachunternehmern meist Einheitspreisverträge verwendet werden. Die übrigen Klauseln des Bauvertrages werden lediglich punktuell modifiziert, um der Zahlungsabwicklung mittels des BIMcontracts-Systems Rechnung zu tragen. So müssen etwa Nutzungsbedingungen für das BIMcontracts-System, die CDE sowie die Blockchain Vertragsgrundlage werden. Daneben müssen Regelungen für die Haftung bei Fehlfunktion des Algorithmus geschaffen und das Thema Datenschutz muss adäquat adressiert werden.
Im Ergebnis wird der Einsatz von BIMcontracts zu einer spürbaren Vereinfachung des Zahlungsverkehrs zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern auf allen vertraglichen Stufen führen. Hierdurch wird die Liquidität der baubeteiligten Auftragnehmer gewährleistet und unnötigen finanziellen Engpässen bis hin zu Insolvenzen vorgebeugt.

11.3 Die Einbettung von Smart Contracts in Vertragsverhältnisse

Über die vorstehend skizzierte Anwendung eines Smart Contracts bei der Zahlungsabwicklung eines Bauvorhabens hinaus wird generell in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die rechtsgestaltende Aufgabe von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten darin bestehen, Algorithmen für die (teil-)automatisierte Abwicklung von Verträgen in bestehende, analoge Verträge einzubetten. Um diese Schnittstellen und deren rechtssichere Abbildung in Verträgen soll es im Folgenden gehen.

11.3.1 Die rechtssichere Einbeziehung eines Smart Contracts

Wenn sich die Parteien dafür entscheiden, die Vertragsabwicklung teilweise mithilfe eines Smart Contracts zu automatisieren, muss aus Sicht der Vertragsgestaltung sichergestellt werden, dass sowohl das Ob als auch das Wie der automatisierten Abwicklung rechtssicher in den Vertrag aufgenommen werden. Wenn es sich bei der Klausel im analogen Papiervertrag, durch die eine Teilautomatisierung aufgenommen wird, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einer Vertragsseite handelt, sind erhöhte Vorgaben des zwingenden Gesetzesrechts zu beachten. AGB liegen immer dann vor, wenn die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und eine Vertragspartei, die Verwender genannt wird, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages diese Bedingungen einseitig stellt (vgl. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Da es nach der Rechtsprechung bereits ausreicht, dass der Verwender der AGB die Absicht hat, dieselben Vertragsbedingungen auch in anderen Vertragsverhältnissen zu nutzen, ist der Anwendungsbereich des Rechts der AGB recht weit (s. Abschn. 10.​2). Es greift sowohl zum Schutze von Verbrauchern als auch von Unternehmern, wobei der Schutz von Unternehmern stärker eingeschränkt, aber gleichwohl sichergestellt ist. In der Praxis wird es sich bei den Klauseln, mit denen Smart Contracts in Verträge einbezogen werden – gerade wenn es zu einer Typisierung von Smart Contracts für bestimmte Abwicklungsschritte in Vertragsverhältnissen kommen wird – um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handeln (näher zu den durchaus problematischen Einzelfällen, in denen die AGB-Eigenschaft einer Klausel in Abrede gestellt werden kann, Wilhelm, 2020, S. 1849, 1852 f.). Daher ist bei der Vertragsgestaltung hinsichtlich der Einbindung eines Smart Contracts ein erhöhtes Augenmerk auf die besonderen Voraussetzungen der §§ 305 ff. BGB richten. Zu denken ist hier vor allem an die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, die Einbeziehungskontrolle in § 305 Abs. 2 BGB und die Regelungen in § 305c BGB.
Gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind Bestimmungen in AGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn die Bestimmungen nicht klar und verständlich sind. Das hierin geregelte Transparenzgebot, das auch für Hauptleistungspflichten und das Preis-Leistungs-Verhältnis gilt (BGH, Urteil vom 15.02.2017, NJW 2017, 2346; Urteil vom 07.02.2019, NJW-RR 2019, 942), verpflichtet den Verwender dazu, einzelne Regelungen für sich genommen klar zu formulieren und diese für die Vertragsgegenseite auch im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk verständlich zu machen (BGH, Urteil vom 26.03.2019, NJW-RR 2019, 811). Hierzu gehört vor allem auch, dass dem Vertragspartner klar sein muss, welche Rechtsfolgen gegebenenfalls auf ihn zukommen und wie er deren Eintritt verhindern kann (BAG, Urteil vom 03.12.2019, NJW 2020, 1317). Eine solche Transparenz ist bei Einbeziehung eines Smart Contracts, also letztlich von Binärcode, in den Papiervertrag nur gegeben, wenn die Vertragsgestaltung besondere Vorkehrungen trifft, um eine möglichst umfassende Einbeziehung der Vertragsgegenseite sicherzustellen (Wilhelm (2020, S. 1849, 1854) geht ebenfalls davon aus, dass die Formulierung von Abwicklungsmodalitäten ausschließlich in Programmcode, der mit Funktionen aus externen Programmbibliotheken gespeist wird, im Zweifelsfall mangels Verständlichkeit am Transparenzgebot scheitert). Dabei ist es fraglich, ob es bereits ausreicht, wenn eine Vertragsklausel lediglich abstrakt angibt, dass ein bestimmter, mittels einer Kennung identifizierter Smart Contract für die Abwicklung bestimmter Vertragsschritte herangezogen werden soll. Bei einer solchen Formulierung ist für die Vertragsgegenseite nicht unmittelbar ersichtlich, welchen Inhalt der Smart Contract hat. Wie konkret allerdings die Erläuterung der einzelnen Mechanismen des Smart Contracts im Papiervertrag sein muss, ist bislang weder in der Rechtsprechung geklärt noch lassen sich aus Sicht der Vertragsgestaltung hier abstrakte Grundsätze aufstellen. Eine Möglichkeit, dem Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB Rechnung zu tragen, bestünde darin, den Quellcode des Algorithmus als Vertragsanlage dem Papiervertrag beizufügen. Dieser Quellcode ist allerdings für den menschlichen Leser, der in den meisten Fällen ein IT-technischer Laie sein wird, ebenfalls nicht verständlich. Alternativ dazu sollte genügen, wenn in der Vertragsklausel, durch die die Einbeziehung des Smart Contracts in den Gesamtvertrag vorgenommen wird, eine Referenz auf den Code des konkreten Smart Contracts aufgenommen wird und dieser dann von der Vertragsgegenseite bei Interesse nachgeprüft werden kann. Damit dies gelingt, müssen allerdings die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, um einen Smart Contract tatsächlich zu visualisieren. Eine solche einfache Konversion von Quellcode in semantische Informationen ist bislang allerdings nicht verfügbar. In zukünftigen Verträgen könnte angedacht werden, als Anlage eine Art „Smart Contract Workflow“ bereitzustellen, der den Ablauf des Algorithmus grafisch oder textlich illustriert. Dies könnte ähnlich einem Bauablaufplan bei Bauverträgen geschehen. Insgesamt betont aber auch die Rechtsprechung wiederholt, dass die Transparenzanforderungen nicht überspannt werden dürfen (BGH, Urteil vom 10.07.1990, NJW 1990, 2383; Urteil vom 20.04.1993, NJW 1993, 2054). Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen (BGH, Urteil vom 04.04.2018, NJW 2018, 1544). Wenn die Parteien also im Papiervertrag übereinkommen, die für alle Beteiligten effizientere Form der Abwicklung über einen Smart Contract durchführen zu wollen, muss die Vertragsgegenseite wertungsmäßig auch in Kauf nehmen, dass das unmittelbare Nachvollziehen jedes einzelnen Schrittes im Quellcode des Smart Contracts nicht möglich und nicht abbildbar ist. Dies gilt jedenfalls im Rechtsverkehr mit Unternehmern. Bei Vorliegen von Verbraucherverträgen, wenn also die Vertragsgegenseite den Vertrag zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sind die Anforderungen dagegen noch höher ausgestaltet. Es muss dann sichergestellt werden, dass der Verbraucher im Sinne von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB die Möglichkeit hatte, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Auch vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung stellt sich die Frage, ob eine Visualisierung der Inhalte des Smart Contracts im Papiervertrag, sei es als Anlage sei es als Referenz auf eine Online-Ressource ausreichend ist (Wilhelm, (2020, S. 1849, 1853) sieht bei dieser sogenannten Einbeziehungskontrolle bei Beteiligung von Verbrauchern ein häufig nicht zu überwindendes Risiko. Er geht allerdings auch davon aus, dass die Inhalte des Smart Contracts im Regelfall nicht in von Menschen lesbare Sprache übersetzt werden). Da allerdings auch hier wie bei der Inhaltskontrolle keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, um technologische Fortschritte nicht von vorneherein zu blockieren, sollte durch eine entsprechende Vertragsgestaltung den Einbeziehungserfordernissen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB Genüge getan sein. Besonders wichtig bei dieser Vertragsgestaltung sind eine möglichst klar verständliche Formulierung der Schnittstelle zwischen Papiervertrag und Smart Contract sowie eine möglichst eingängige Visualisierung der Inhalte des Smart Contracts.
Nach § 305c Abs. 1 BGB werden daneben solche Bestimmungen in AGB nicht Vertragsbestandteil, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn eine Klausel eine Zahlungspflicht für den Vertragspartner des Verwenders vorsieht, mit der dieser nach den Umständen des Vertragsschlusses nicht zu rechnen brauchte. Eine Vertragsklausel, mit der ein Algorithmus Vertragsbestandteil werden soll, muss daher sicherstellen, dass die konkreten, im Algorithmus definierten Abläufe nicht dem widersprechen, was die Parteien semantisch im Vertragstext festgehalten haben. Zudem darf die Klausel keine Abläufe vorsehen, über die die Parteien überhaupt keine Abrede getroffen haben. Dies führt für Vertragsgestaltende zu einer doppelten Herausforderung: Einerseits müssen sie sicherstellen, dass die Parteien im Vertragstext eine möglichst umfassende Regelung hinsichtlich der Abwicklung des Vertrages getroffen haben oder sich die Abwicklungsmodalitäten jedenfalls aus dem subsidiär geltenden Gesetzesrecht ableiten lassen, sodass sich die Programmierenden des Smart Contracts darauf beschränken können, die vereinbarten Modalitäten IT-technisch umzusetzen. Andererseits muss sichergestellt sein, dass für den Fall einer Divergenz zwischen dem Inhalt des Papiervertrages und den im Smart Contract festgehaltenen Abläufen eine klare Vorrangregelung im Papiervertrag geschaffen wird. Dabei scheint jedenfalls die Regelung rechtlich unbedenklich zu sein, nach der im Zweifelsfall die Regelungen des Papiervertrages vorgehen, sodass der Smart Contract gegebenenfalls ausgesetzt oder umprogrammiert werden müsste. Schwieriger vor dem Hintergrund des § 305c Abs. 1 BGB ist es dagegen, wenn die Vorrangregelung festhält, dass der Inhalt des Smart Contract vorgehen soll, da in diesem Falle die Vertragsgegenseite keinen Überblick mehr über den Inhalt der Abwicklungsmodalitäten hätte. Gleichwohl erscheint auch eine solche Regelung dann realisierbar, wenn im Vertrag gleichzeitig festgehalten würde, dass der Vorrang des Smart Contract im Falle von Abweichungen von den Regelungen im Papiervertrag gleichzeitig zu einem Leistungsbestimmungsrecht des Verwenders im Sinne von §§ 315 ff. BGB führte. Die Vertragsgegenseite wäre dadurch geschützt, dass nach § 315 Abs. 1 BGB die Leistungsbestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen ist.

11.3.2 Die Abwicklung des Vertrages mittels Smart Contract

Ist die Schnittstelle zwischen Papiervertrag und Smart Contract mit Blick auf die rechtssichere Einbeziehung des Algorithmus in den Vertrag geklärt, muss näher in den Blick genommen werden, in welchem Umfang eine (Teil-)Automatisierung der Vertragsabwicklung mit algorithmischen Instrumenten überhaupt möglich ist und wie diese Abwicklung konkret gestaltet werden kann.
Welche Leistungspflichten können (teil-)automatisiert erfüllt werden?
Die Vorarbeiten im Projekt BIMcontracts haben gezeigt, dass ein Smart Contract in absehbarer Zukunft nicht vollständig an die Stelle eines komplexen analogen Vertragsgefüges treten kann. Nur bestimmte Ausschnitte eines Vertrages sind überhaupt automatisierbar. Wo juristische Vertragsregelungen mit Wertungsspielräumen verbunden sind, wie etwa die Feststellung eines Verschuldens, ist das Automatisierungspotenzial begrenzt. Wie etwa Fries anmerkt:
Denn eine Automatisierung bringt wenig, wenn es zu viele Friktionen zwischen der Rechtslage und den Regeln der Software gibt. Automatische Rechtsdurchsetzungsmechanismen eignen sich daher vor allem für den Vollzug von Tatbeständen, deren Voraussetzungen sich im Internet der Dinge nahezu fehlerfrei prüfen lassen, die dem Rechtsanwender nur geringe Wertungsmöglichkeiten einräumen und deren Rechtsfolge sich automatisch auslösen lässt – etwa durch die Sperrung oder Freigabe von Gegenständen oder durch die Einziehung und Auszahlung eines Geldbetrags.“ (Fries 2019, S. 901, 902)
Insgesamt eignen sich Vertragsklauseln, die weniger komplexe Regelungen enthalten und aufwertende Adjektive oder Adverbien verzichten, besser zur Automatisierung als solche Verträge, die sich eines komplexen juristischen Vokabulars bedienen, um den Gegenstand der vertraglichen Pflichten der Parteien zu beschreiben (Patel et al. 2018, S. 153). Abstrakt unterscheidet die Literatur zwischen den operationalen Klauseln eines Vertrages und den nicht operationalen Klauseln (ISDA und Linklaters 2017; ebenso aus der Sicht des Schweizer Rechts (Gillioz 2019, S. 16)). Operationale Klauseln folgen einer Konditionallogik. Sie bilden eine „Wenn-dann-Beziehung“ ab (diese Einschränkung auf „Wenn-dann-Beziehungen“ hebt auch schon Guerlin (2017, S. 512) hervor). Nicht-operationale Klauseln hingegen sind solche, die sich auf die rechtliche Beziehung der Parteien im Weiteren beziehen, und nicht lediglich als „Wenn-dann-Regelung“ interpretiert werden können und daher Wertungen enthalten. Nur operationale Klauseln können mittels Aussagenlogik dargestellt werden.
Der Anwendungsbereich von Smart Contracts ist daher keinesfalls auf Bauverträge beschränkt. Die vom Forschungsverbund geführten Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass eine automatisierte Abwicklung nur dann infrage kommt, wenn das Vertragsverhältnis hinsichtlich der zu automatisierenden Teile in seiner Komplexität möglichst reduziert worden ist. Die Kunst des Vertragsgestalters wird bei der Beratung von Parteien, die sich eines Smart Contracts bedienen wollen, also darin bestehen, bereits vorhandene „Wenn-dann-Beziehungen“ zu identifizieren und gegebenenfalls komplexere Vertragsstrukturen auf eine einfache Konditionallogik herunterzubrechen. Hierbei muss die Praxis ein Gespür dafür entwickeln, ob Automatisierbarkeit überhaupt vorliegt und ob die Effizienzgewinne durch automatisierte Abwicklung nicht durch langfristige Auseinandersetzungen über das konkret gewählte Vertragskonstrukt zunichtegemacht werden.
In der Vertragsgestaltung ist darauf zu achten, dass sinnvolle Schnittstellen zwischen der analogen Vertragsabwicklung, die auf den Input der Vertragsparteien angewiesen ist, und dem automatischen Ablaufen des Smart Contract gebildet werden. Wenn etwa in einem Vertragsverhältnis nicht nur der Zahlungsvorgang automatisiert werden soll, sondern auch die Mängelhaftung, muss darauf geachtet werden, wo im Einzelfall noch manueller Input der Vertragsparteien notwendig sein wird. Dies sei am Beispiel der Kaufmängelgewährleistung illustriert: Möchte etwa ein Autohaus seine Mängelgewährleistung gegenüber den Kunden teilautomatisieren, müsste der hierfür eingesetzte Smart Contract einige Tatbestandsmerkmale der Mängelhaftung überprüfen, die nicht ohne Weiteres einer konditionalen Logik unterliegen, also keine einfache „Wenn-dann-Beziehung“ darstellen. Zuerst einmal müsste festgestellt werden, dass ein bestimmter Wagen einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB aufweist. Dafür müsste das Programm eigenständig entscheiden können, ob die Ist-Beschaffenheit des Wagens von der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit abweicht. Bereits dieser Vorgang ist mit mehreren Wertungen verbunden, insbesondere muss der konkrete Kaufvertrag zwischen den Parteien analysiert und ausgelegt werden. Sollte es in diesem Vertrag keine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung geben, müsste festgestellt werden, dass sich der Wagen für die „gewöhnliche Verwendung“ im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB eignet. Bereits diese ersten Schritte kann ein Smart Contract – jedenfalls ohne die Unterstützung einer Künstlichen Intelligenz – nicht leisten. Die Vertragsgestaltung könnte aber vorsehen, dass ein bestimmtes automatisiertes Regime in Gang gesetzt wird, wenn von außen der Input in das System gegeben wird, dass ein Sachmangel des verkauften Wagens vorliegt. Hierbei muss freilich definiert werden, wer diesen Input geben kann (etwa eine Mängelanzeige durch den Käufer und eine entsprechende Mängelbestätigung durch den Verkäufer). Auf dieser Grundlage wäre es dann möglich, die weiteren Rechte des Käufers bei Mängeln gegebenenfalls teilautomatisiert ablaufen zu lassen. Dies wäre jedenfalls vorstellbar, wenn der Verkäufer mit dem Käufer vereinbart hätte, dass im Zuge der Mängelgewährleistung regelmäßig eine Minderung des Kaufpreises infrage kommt (Schnell und Schwaab 2021, S. 1091, 1096 weisen ebenfalls darauf hin, dass es sinnvoll sein kann, Leistungsstörungsrechte, die sich nicht automatisiert abwickeln lassen, vertraglich zu begrenzen oder sogar ganz auszuschließen). Dann könnte auf Grundlage einer Mängelanzeige automatisch eine Teilrückzahlung des Kaufpreises an den Käufer erfolgen, vorausgesetzt der Mangel ist im Vorhinein bereits monetär bewertet worden. Dabei muss bei Verbrauchergeschäften allerdings im Einzelfall darauf geachtet werden, ob eine entsprechende Vereinbarung möglich ist oder zwingendes Gesetzesrecht entgegensteht. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass in Smart Contracts zwar ein großes Potenzial steckt, das mit einer umsichtigen Vertragsgestaltung aktiviert werden kann. Zugleich zeigt es aber auch, dass Sensibilität hinsichtlich der Grenzen der Leistungsfähigkeit von Smart Contracts bestehen muss.
Haftung für einen fehlerhaften Smart Contract
Wenn sich die Parteien angesichts der Vorteile einer Teilautomatisierung der Vertragsabwicklung auf den Einsatz eines Smart Contracts einigen, muss in einem weiteren Schritt das Risiko verteilt werden, falls der Smart Contract fehlerhaft programmiert worden ist. Es erschiene nicht interessengerecht, dieses Risiko einseitig dem Schuldner der jeweils automatisierten Leistung aufzubürden, da – wie am Beispiel der Zahlungsabwicklung im Bauwesen gezeigt – beide Parteien Vorteile aus der Verwendung eines Smart Contracts ziehen. Eine interessengerechte Vertragsgestaltung kann etwa so aussehen, dass die Vertragsabwicklung bei Erkennen eines Fehlers im Smart Contract einstweilen ausgesetzt wird. Dies bedeutet auch, dass Leistungsfristen erst einmal nicht weiterlaufen. Die Parteien sind dann dazu zu verpflichten, den Smart Contract zu „reparieren“ oder durch einen neuen, fehlerfreien Smart Contract zu ersetzen (für den Fall, dass die Vertragsgegenseite ein Verbraucher ist, weist Legner (2021, S. 10, 15) zu Recht darauf hin, dass bei einer Korrektur der Diskrepanz zwischen Smart Contract und rechtlich Gewolltem der Verbraucher strukturell unterlegen ist). Hierzu sind angemessene Fristen vorzusehen. Eine konkrete Pflicht zur Nachbesserung des Smart Contracts sollte im Zweifel diejenige Partei treffen, welche den Smart Contract ursprünglich gestellt hat. Sie wird auch in der Regel Mängelgewährleistungsrechte gegenüber einem Softwarehersteller haben, der für die Programmierung verantwortlich ist (so auch Wilhelm (2020, S. 1849, 1855), der bei der Stellung von Software durch einen Dritten darüber hinaus an § 311 Abs. 3 BGB, das allgemeine Deliktsrecht oder aber de lege ferenda an eine spezielle Form der Produkthaftung anknüpfen möchte). Wenn sich die Parteien vertraglich geeinigt haben, dass sie den Smart Contract gemeinsam stellen – also in der Regel von einem im Vertrag bezeichneten Dritten den entsprechenden Algorithmus erwerben –, sollten die Parteien auch gemeinsam dazu verpflichtet werden, den Smart Contract fristgerecht nachzubessern.
Unternimmt die für die Nachbesserung verantwortliche Partei nicht innerhalb der vertraglich vorgesehenen Frist die entsprechenden Schritte, sind mehrere Optionen denkbar:
(1)
Der Vertrag kann nach Ablauf der Frist automatisch auf eine analoge Abwicklung der Leistungen umgestellt werden. Ob dies praktisch möglich ist, hängt davon ab, welche Leistungspflichten konkret automatisiert werden sollten und ob das Vertragswerk insgesamt noch ein sinnhaftes Ganzes ergibt, wenn an die Stelle des Algorithmus eine klassisch analoge Abwicklung tritt.
 
(2)
Hat die Vertragsgegenseite kein Interesse mehr an der weiteren Vertragsabwicklung, sollte ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht vorgesehen werden, je nachdem, ob es sich um ein einmaliges Austauschverhältnis oder ein Dauerschuldverhältnis (oder auch um ein gestrecktes Austauschverhältnis wie einen Bauvertrag) handelt.
 
(3)
Schließlich kann erwogen werden, dass die Partei, welche den Smart Contract nicht gestellt hat, gleichwohl dessen Nachbesserung vornimmt. Da es sich bei der Stellung des Smart Contracts um die Erbringung eines Werkerfolges handeln dürfte, hätte die Partei hierfür auch Anspruch auf einen Vorschuss im Sinne des Werkmängelgewährleistungsrechts, um die Selbstvornahme durchzuführen. Darüber hinaus ist denkbar, in den Vertrag bereits aufzunehmen, dass zwar eine Seite den Smart Contract stellt, deren Vertrag mit dem Ersteller des Algorithmus aber als echter Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet wird. Im Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien ließe sich dann vereinbaren, dass die nicht den Smart Contract stellende Partei ihre Mängelgewährleistungsrechte nur nach Ablauf der vereinbarten Frist ausübt.
 
Sollte es zu einem automatischen Leistungsaustausch aufgrund des Smart Contracts kommen, der nach den vertraglichen Regelungen insgesamt nicht intendiert war, kann auch hier die Vertragsgestaltung bereits vorbeugend abhelfen, indem vertragliche Rückgewähransprüche für den Fall einer nicht intendierten Transaktion statuiert werden (Fries (2018, S. 86, 90) geht davon aus, dass Gerichtsprozesse in der Zukunft bei Verwendung von Smart Contracts Bereicherungsansprüche aufgrund von Vollzugsfehlern der Software, die sich aus Mängeln des eingespeisten Datenmaterials ergeben, zum Hauptgegenstand haben werden. Dem sollte durch eine vorausschauende Vertragsgestaltung vorgebeugt werden).

11.4 Ergebnis

Das Forschungsvorhaben BIMcontracts hat neben der Entwicklung einer funktionierenden Softwarelösung für die Automatisierung der Zahlungsabwicklung im Bauwesen für die Vertragsgestaltung generell verwendbare Ergebnisse hervorgebracht. Ein Smart Contract ist kein Vertrag, sondern ein Algorithmus, der in der Vertragsabwicklung behilflich sein kann. Der Smart Contract wird daher den analogen Papiervertrag nicht ablösen, sondern ist eine sinnvolle Ergänzung hierzu. Es konnte am Beispiel des Bauvertrages herausgearbeitet werden, dass nur bestimmte, auf einfachen „Wenn-dann-Beziehungen“ basierende Mechanismen mithilfe eines Smart Contracts automatisiert werden können. Aufgabe der Vertragsgestaltung wird es sein, diese Beziehungen in einem Vertragsgeflecht zu identi-fizieren und auf dieser Grundlage eine Schnittstelle zwischen analogem Vertrag und Smart Contract zu schaffen. Um zu einer erfolgversprechenden Vertragsgestaltung zu gelangen, muss bedacht werden, an welchen Stellen solche einfachen konditionalen Beziehungen vorliegen. Weiter muss sich der Vertragsgestalter fragen, wie er die Schnittstelle zwischen einfachen „Wenn-dann-Abläufen“ und komplexeren Vorgängen, die zusätzlichen Input von den Vertragsparteien verlangen, strukturiert. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, den automatischen Ablauf eines Smart Contracts auszusetzen, bis ein manueller Input der Parteien erfolgt ist. Auf diese Weise können auch kompliziertere Sachverhalte (teil-)automatisiert werden. Die Grenzen der Automatisierung hängen damit häufig von der Qualität der Vertragsgestaltung und den Fähigkeiten der Vertragsgestaltenden ab. Die Einbeziehung des Smart Contracts in den Vertrag muss dann möglichst eindeutig erfolgen, um eine Unwirksamkeit dieser Klauseln zu verhindern. Bei einer (Teil-)Automatisierung sollten auch vertragliche Vorkehrungen für den Fall einer Fehlfunktion oder Fehlprogrammierung des Smart Contracts vorgesehen werden.
Danksagung
Der Autor bedankt sich für die Förderung des Projektes BIMcontracts (Förderkennzeichen: 01MD19006A) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Förderprogramms Smarte Datenwirtschaft.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Vertragsdurchführung mit Smart Contracts – rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen
verfasst von
Dominik Groß
Copyright-Jahr
2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-65232-9_11