Der Vertriebsansatz Hybrid Selling wurde vor allem in der Corona-Pandemie vorangetrieben und soll B2B-Vertriebsaktivitäten wesentlich effizienter machen als bisherige Herangehensweisen. Was Experten dazu sagen.
Digitale Kundentermine kamen verstärkt in der Corona-Pandemie auf und bleiben auch weiterhin beliebt bei Kunden im B2B-Vertrieb.
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Fancy Fachbegriffe auf Englisch gibt es ja in der Management-Terminologie mittlerweile sehr viele. Den hybriden Ansatz im B2B-Vertrieb, also die Kombination aus Vor-Ort-Besuchen und virtueller Kommunikation sowie digitalem Vertrieb mit Geschäftskunden, nennen Vertriebsexperten Hybrid Selling.
"Es handelt sich in diesem Fall jedoch nicht um eine weitere unnötige Worthülse, die mit Anglizismen Wichtigkeit vortäuscht, sondern um einen Paradigmenwechsel in der Art, wie mit Geschäftskunden kommuniziert wird", erklärt Springer-Autor Stephan Kober im Buchkapitel "Hybrid Selling - der neue Standard im B2B" (Seite 1) im Fachbuch "Digitalisierung und Hybrid Selling im B2B-Vertrieb".
In seiner Titelgeschichte der Januar-Februar-Ausgabe der "Sales Excellence" 2022 "Produktivitätsschub durch Hybrid Selling" (Seite 13) geht Springer-Autor Matthias Huckemann nochmals auf die genauen Unterschiede zwischen Multi-Channel-Selling, Remote Selling und Hybrid Selling ein:
- Multichannel Selling: Nutzung mehrerer Kanäle zur Kundenansprache, um Produkte und Dienstleistungen verfügbar zu machen. Mehrere Personen und Abteilungen im Unternehmen können beteiligt sein.
- Remote Selling: Verkaufen aus der Distanz über virtuelle Kanäle durch einen Vertriebsmitarbeiter
- Hybrid Selling: Hybrider Vertriebsansatz bestehend aus persönlichen Verkaufsaktivitäten und gleichzeitig Remote-Selling-Aktivitäten durch denselben Vertriebsmitarbeiter
Auslöser und Katalysator für eine veränderte Kommunikation mit Geschäftskunden und den Start des Hybrid-Selling-Konzepts war laut Kober vor allem die Corona-Pandemie, "mit all den allseits bekannten Einschränkungen in Bezug auf Vor-Ort-Besuche". Intelligente Unternehmen und Vertriebler haben aus seiner Sicht jedoch längst erkannt, dass sich die Art der Kommunikation nicht wieder auf die bekannten Kommunikationswege vor der Pandemie zurück orientieren wird.
Künftig mehr Online-Kundentermine
Dazu passen auch die Erkenntnisse einer Studie der Ruhr-Universität Bochum und Mercuri International, die Huckemann in seiner Titelgeschichte in der "Sales Excellence" zitiert. Die überwiegende Mehrheit (über 60 Prozent) der Unternehmen rechnet damit, dass künftig für alle Kundengruppen die Anzahl der Vor-Ort-Besuche deutlich ab- und Online-Kundentermine stark zunehmen. In der Konsequenz wird laut Huckemann ein hybrides Modell eingesetzt werden, das beide Formate kombiniert.
Auf Seite zehn des Beitrags nennt Huckemann noch weitere Erkenntnisse aus der Studie:
- Obwohl persönliche Treffen beim Kunden für den Vertrieb nicht möglich waren, konnten die Unternehmen zu 97 Prozent ihrer Vertriebsziele erreichen. Umgekehrt heißt das jedoch, dass die Kapazitäten der Verkäufer in der Pandemie offensichtlich nicht voll ausgeschöpft wurden.
- Die Akzeptanz von Online-Besuchen ist bei B- und C-Kunden deutlich geringer als bei Global Accounts und Key Accounts. Insbesondere in der Pflege der Bestandskunden werden künftig mehr B2B-Online-Besuche genutzt.
- Zudem ist die Dauer von Online-Besuchen im Vergleich zu Vor-Ort-Beratungen 28 Minuten kürzer.
- 51 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, dass sich die Kompetenz ihrer Vertriebsmitarbeiter für die Online-Besuche deutlich steigern muss.
Ob für Online- oder persönlich; um mit Kunden einen Termin zu vereinbaren, sollten sich Vertriebler in ihrem Zeitplaner am besten einen festen Termin setzen, an dem sie die ausgewählten Bestandskunden anrufen, rät Springer-Autor Volker Eickenberg.
Bis zu 30 Anrufe für zehn Kundentermine
In seinem Buchkapitel "Wie im persönlichen Verkaufsgespräch Vertrauen gewonnen wird" (Seite 289f.) des Springer-Fachbuchs "Erfolgsfaktor Vertrauen bei der Versicherungsvermittlung" fährt er fort: "Schön wäre es, wenn jeder Anruf gleich einen Termin ergäbe. In der Praxis herrscht jedoch Fleißarbeit". Um etwa zehn Beratungstermine zu bekommen, müssen Vertriebler seiner Erfahrung nach bis zu 30 Bestandskunden anrufen.
"Gehen Sie davon aus, dass Sie trotz sicherer Terminabsprache nur eine Abschlussquote von 50 Prozent haben, das heißt von diesen Terminen sind es fünf Abschlüsse", so Eickenberg weiter. Denn nicht jeder Kunde sei trotz Terminabsprache, mal abgesehen von der mangelhaften Einhaltung vereinbarter Termine, auch abschlusswillig. Durch hybriden Vertrieb bieten sich Vertriebsteams aber noch mehr Chancen, auf Kundenbedürfnisse einzugehen und die Verkaufsquote zu steigern.