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30.08.2021 | Vertriebskanäle | Interview | Online-Artikel

"Analoge Nähe im digitalen Rahmen hat viele Türen geöffnet"

verfasst von: Johanna Leitherer

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Petra Motte

arbeitet seit vielen Jahren als Trainerin, Beraterin, Coach und Mediatorin für zahlreiche internationale Unternehmen. 

Gelungene Online-Kundengespräche fußen auf "Digitainment" und einer umsichtigen Moderation, wie Petra Motte am eigenen Leib erfahren hat. Im Interview mit Springer Professional teilt die Springer-Autorin wertvolle Tipps für die Berufspraxis im Vertrieb.

Springer Professional: Frau Motte, in vielen Berufen wie zum Beispiel dem Vertrieb oder wie bei Ihnen dem Coaching ist das persönliche Kundengespräch Dreh- und Angelpunkt der Arbeit. Wirkt ein durch die Corona-Krise befeuerter digitaler Kurswechsel da nicht kontraproduktiv?

Petra Motte: Als wir im vergangenen Jahr tsunamiartig von der Pandemie getroffen wurden, dachte ich zunächst tatsächlich, dass meine persönlichen Kundengespräche und Präsenztrainings nicht mehr möglich sein würden. Ich hatte zwei Möglichkeiten: dem pandemiebedingten Impuls nachzugeben oder eine Möglichkeit zu finden, mich mit der Situation zu arrangieren. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Im Grunde hat die Corona-Krise den digitalen Kurswechsel insofern befeuert, als dass ich für mich und meine Kunden und Klienten Mittel und Wege gefunden habe, auch im digitalen Modus sehr intensive und empathische Gespräche führen zu können. Es entsteht eine gewisse analoge Nähe innerhalb eines digitalen Rahmens – eine Atmosphäre, die ich zuvor so nicht hätte beschreiben können, und die mir sehr viele Türen geöffnet hat.

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Mit Vollgas ins Home-Office! In eruptionsartiger Geschwindigkeit haben sich digitale Prozesse in unserer Arbeitswelt verändert. Ob Team-Besprechungen, internationale Konferenzen, Trainings oder online Bewerbungen – virtuelle Begegnungen gehören mittlerweile zur täglichen Realität. Die Praxis zeigt immer wieder, dass die virtuelle Arbeit ganz besondere Kompetenzen erfordert. 

Anders als bei spontanen Treffen oder Telefonaten ist die Online-Kommunikation beziehungsweise -Präsentation mit Kunden nicht ganz ohne Vorbereitung möglich, wie etwa das Einrichten bestimmter Tools. Oder ist das ein Vorurteil?

Es kommt darauf an, was die Vorbereitung beinhaltet. Wenn ich überlege, dass manche Präsentationen bei meinen Kunden mit langer Anreise verbunden sind, oder wir bei Trainings oder Seminaren auch noch eine Übernachtung einplanen, ist die Vorbereitung einer Online-Veranstaltung eher marginal. Es gibt wiederum auch digitale Veranstaltungen, die mit größerer Vorbereitung einhergehen. Zum Beispiel, wenn der Auftraggeber sich wünscht, dafür interaktive Tools einzusetzen oder externe Ressourcen innerhalb der Veranstaltung einzubeziehen. Für ein kurzes Gespräch oder eine Abstimmung bietet die Online-Kommunikation auch große Vorteile: Es braucht nur einen Knopfdruck, sonst nichts.

Ganz ehrlich, manche Präsenzveranstaltungen erfordern wochenlange Vorbereitung, das sieht am Ende keiner. Ich denke, die Vorbereitungszeit wird bei Online-Veranstaltungen mit steigender Routine weniger, da sich viele Tools mit anderen Zuordnungen wieder einsetzen lassen und die Kamera-Peripherie einfach stehen bleibt.

Gerade im Vertrieb geht es beim Präsentieren oftmals auch um das haptische Erlebnis von Produkten. Wie kann die virtuelle Welt diese Ebene kompensieren?

Durch das optische Erleben, also die persönliche Berührung von Produkten, werden bestimmte Gefühle erzeugt. Ich stelle mir also die Frage, wie ich diese Emotionen im digitalen Modus erreichen kann. Nachdem ich einiges ausprobiert habe, konnte ich mit dem Einsatz von Filmmaterial oder Experteninterviews einen guten Kontakt zum Produkt herstellen. Auch eine Einladung zum Storytelling, Berichte über gelungene Projekte, positive Erfahrungen, all das unterstützt die Vorstellungskraft und nachhaltige Überzeugung in Bezug auf die Qualität des Produktes. 

Sofern es sich um kleinere Produkte handelt, lassen sich diese auch problemlos als Anschauungsobjekte in die Kamera halten. Sehr gelungene Momente kann es auch geben, gemeinsam mit allen Teilnehmenden die Produkte am Bildschirm zu entdecken, nachdem sie zuvor im Original versendet wurden. So spürt man kaum einen Unterschied zu einer realen analogen Veranstaltung.

Angenommen, ein Vertriebler leitet ein Online-Meeting mit mehreren Teilnehmern. Was gilt es, hierbei zu beachten?

In einem Online-Meeting gibt es einiges zu beachten, vieles davon wird erst auf den zweiten Blick sichtbar. Wir begegnen dort Menschen, die wir vielleicht bereits in Präsenz innerhalb einer bestimmten organisationsgebundenen Hierarchie kennengelernt haben. Im Online-Kontext scheinen sich diese Führungsparameter häufig komplett aufzulösen. Der Kleidungsstil wird legerer und im Rahmen einer sich entwickelnden Netiquette geht der Umgangston hin zu einem kollegialen "Du". 

Besonders spannend wird es im internationalen Kontext, wenn wir mit dieser kulturellen Brille losziehen und glauben, dass es in anderen Kulturen doch so ähnlich sein müsse. Es herrscht dann Verwunderung darüber, dass Fragen nicht beantwortet werden, ehrliches Feedback nicht zu bekommen ist, oder entgegen der persönlichen Annahme die Teilnehmenden schweigen, statt sich rege an der Diskussion zu beteiligen. Diese "digitale Stille" hat eine andere Dimension als im analogen Bereich. Ich bin hier viel mehr in der Moderation gefragt, sozusagen im "Digitainment". Meine Aufgabe ist es, über alle Hierarchien, Kulturen und persönliche Komponenten hinweg eine gelungene Veranstaltung zu leiten. Das gleicht manchmal einer Mammutaufgabe.

Wie schätzen Sie künftig das Verhältnis von Präsenz- und Remote-Arbeit ein? Wie können sich Berufe wie der Vertrieb für diese Vision am besten rüsten?

Zu diesem Thema habe ich gerade eine Bachelorarbeit begleitet. In diesem Zusammenhang habe ich mir die Frage gestellt, wie sich nach diesem erzwungenen digitalen Quantenereignis eine brauchbare und nachhaltige Realität gestalten lässt. Gerade für den Vertrieb macht es keinen Sinn, das Team mit hochkomplexen Geräten und Werkzeugen auszustatten, ohne vorher ganz genau den Bedarf zu evaluieren. Der Markt an Möglichkeiten ist äußerst komplex und unüberschaubar. Also: Was genau wird benötigt und wer soll davon profitieren? Wie weit ist mein Team und wie bereit sind meine Kunden? Ich stehe in meiner Arbeit dem Mittelstand sehr nahe und erlebe dort häufig eine Überforderung. 

Bevor über die technische Ausstattung entschieden wird, ist auch die örtliche Realisierbarkeit zu klären. Wie ist das ausgewogene Verhältnis zwischen Home-Office und Anwesenheit im Betrieb zu gestalten? Sicherlich haben wir in der Modernisierung digitaler Geräte einen Schub erlebt. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dieses für die Benutzer handhabbar zu machen. Wir dürfen die Lust am realen Kontakt mit Menschen nicht verlieren. Auch wenn die digitale Welt schier unendliche Möglichkeiten für uns bereithält, sind es letztlich die persönlichen Kontakte und Erfahrungen, die allem einen Sinn geben.

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