Es sind Werkzeuge, in erster Linie aber neue Strategien: KI-Anwendungen halten Unternehmen auf Trab. Im B2B-Segment gibt es noch einiges zu tun, um die Chancen der modernen Technologie nutzen zu können. Das gilt zum Beispiel im Technischen Vertrieb.
Manche B2B-Vertriebler tun sich noch schwer, ihre Rolle durch den Einfluss von KI-Tools neu zu denken.
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Künstliche Intelligenz (KI) verknüpfen Unternehmen nicht nur mit Chancen, die zu mehr Effizienz und Wachstum führen können. Oftmals lösen die modernen Technologien auch Druck und Skepsis aus. So beschäftigen Betriebe beispielsweise regulatorische Herausforderungen und ethische Fragestellungen rund um die Implementierung von KI-Werkzeugen.
Skepsis bei deutschen Betrieben
Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) meldet in einer aktuellen Untersuchung, dass deutsche Unternehmen mit 65 Prozent deutlich weniger bereit sind, 2025 in KI-Anwendungen zu investieren als ihre globalen Wettbewerber (73 Prozent). Andrej Levin, KI-Experte und Partner bei BCG, mahnt: "Es braucht klare, praxisorientierte Vorgaben zum KI-Einsatz, um Innovationshemmnisse abzubauen."
Darüber hinaus berichtet nur ein Viertel der deutschen Betriebe von einem signifikanten Nutzen ihrer bisherigen KI-Projekte. Oft würden KI-Einführungen wie eine beliebige Software-Einführung behandelt. Diese liegt dann in der Hand von Technologie-Teams, wodurch kein flächendeckender Transformationsprozess in Gang kommt. Die Skepsis in den Belegschaft deutscher Unternehmen erstreckt sich auch auf autonome KI-Agenten, die derzeit als eine der wichtigsten KI-Entwicklungen gehandelt werden.
KI als Strategie
Wie aus einer Studie der Management- und Technologieberatung Bearing Point mit 700 Führungskräften aus Europa, den USA und Asien deutlich wird, wiegt das Risiko des Wettbewerbsverlusts jedoch schwerer als die Bedenken gegenüber KI. Demnach setzen Unternehmen, die smarte Tools nicht oder nur halbherzig nutzen, ihre Marktstellung aufs Spiel, da sie im Gegensatz zu Wettbewerbern die Erwartungen ihrer Kunden nicht mehr erfüllen können. Frédéric Gigant von Bearing Point betont mit Blick auf die Studie:
KI sollte nicht nur als ein Werkzeug betrachtet werden, sondern als eine strategische Ressource, die neue Wertschöpfungsmöglichkeiten schafft und zur Marktdifferenzierung beiträgt."
Voraussetzungen für KI-Implementierung
Die Transformation zu einem Betrieb, der sich KI gezielt zunutze macht, erfordert laut den Studienautoren
- klare Governance-Strukturen,
- gezielte Investitionen,
- Mitarbeiterförderung und
- den Aufbau von Vertrauen der Mitarbeiter in KI.
Immerhin ordnen 46 Prozent der befragten Führungskräfte ihr eigenes Unternehmen in die Kategorie "Experimentierer" ein. Da aber nur 16 Prozent aller Studienteilnehmer eine aktive KI-Einführung mit ausgereifter Implementierung angeben, drängt die Zeit für deutsche Betriebe, im globalen Vergleich aufzuholen. Je nach Branche befinden sich Unternehmen an unterschiedlichen Reifegraden bei der KI-Integration, wie die nachfolgende Studiengrafik veranschaulicht:
Telekommunikation, Medien und Unterhaltung haben wenig überraschend die Nase bei der KI-Implementierung vorne. Schlusslicht sind Öffentlicher Sektor und Verwaltung.
Bearingpint
KI im B2B – geht das?
Die Chancen der Künstlichen Intelligenz werden auch im Business-to-Business-Vertrieb (B2B) intensiv diskutiert. Lange Zeit herrschte die Einstellung vor, dass dieser Bereich schwer zu automatisieren sei. Eine Studie auf Basis von 13 Experteninterviews, die im Artikel "Der Einfluss von KI auf die Rolle von Vertriebspersonen im B2B" der Fachzeitschrift HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 3/2024, vorgestellt wird, hat sich diesem Thema angenommen.
Die Studienautoren Mihael Markic, Charlotte Knickrehm und Christian Ahlfeld, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Industrial Sales and Service Engineering der Ruhr-Universität Bochum, erklären darin, dass sich der technische B2B-Vertrieb derzeit aufgrund der Fortschritte in der KI-Technologie wandelt und sich die Rollen der Akteure in diesem Umfeld entsprechend verändern. Als Herausforderungen gelten in diesem Zusammenhang
- die komplexen Produkte,
- lange Verkaufszyklen und
- die intensiven Kundenbeziehungen.
KI verstärkt Bedarf an Menschlichkeit
Der Studie zufolge kann KI vor allen Dingen administrative und analytische Aufgaben im B2B-Vertrieb übernehmen, was etwa die Personalisierung von Angeboten und eine datenbasierte Entscheidungsfindung umfasst. Gleichzeitig kann ein effektiver Einsatz von KI nur dann gelingen, wenn ein solides Datenmanagement inklusive Datenschutz vorliegen.
Vertriebspersonen sind im Anschluss laut den Studienautoren gefragt, die KI-Ergebnisse zu interpretieren und in strategische Entscheidungen einzubinden. Menschliche Fähigkeiten wie Empathie, Kreativität und Urteilsvermögen bleiben also wie in jedem anderen Geschäftssegment essenziell. Doch nicht nur das: "Mit der Fokussierung auf strategische und kundenorientierte Tätigkeiten gewinnen zwischenmenschliche und kommunikative Fähigkeiten von Vertriebspersonen an Bedeutung", sind sich Markic, Knickrehm und Ahlfeld sicher (Seite 644).
Trotz der weitreichenden Veränderungen bleibt die Rolle von Vertriebspersonen im B2B-Geschäft zentral, da menschliche Fähigkeiten wie Beziehungsmanagement, kreatives Problemlösen und Vertrauen langfristig nicht durch KI ersetzt werden können. Unternehmen sollten daher klare Strukturen für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI schaffen.