Exzellente Vertriebsperformance wird in Zeiten härteren Wettbewerbs immer wichtiger. Dr. Dirk Artelt, Managing Partner bei Dr. Wieselhuber & Partner, erklärt im Interview mit Springer Professional, welche Stellschrauben für Vertriebsorganisationen gerade jetzt wichtig sind, um Erfolge zu sichern.
Dr.-Ing. Dirk Artelt ist Managing Partner bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH in München.
Dirk Artelt
springerprofessional.de: Herr Dr. Artelt, in einer Multi-Client-Studie Ihres Hauses zur Vertriebsperformance in der Investgüterbranche wird deutlich, dass die Wirkung bewährter Vertriebsinstrumente unter anderem aufgrund der volatilen Marktentwicklung und zunehmender Regulatorik abnimmt. Die Vertriebsperformance rückt daher in den derzeit wirtschaftlich angespannten Zeiten stärker in den Mittelpunkt. Wie können Vertriebsorganisationen jetzt am besten Optimierungsmaßnahmen anstoßen – und welche sollten dabei im Mittelpunkt stehen?
Dr. Dirk Artelt: In der Vergangenheit wurde der Vertrieb oft von Optimierungsmaßnahmen ausgenommen, die Umsatzseite galt als „heilige Kuh“. Heute sollte man umdenken. Gerade hier gibt es Stellhebel, die Umsatz und Ergebnis kurzfristig positiv beeinflussen können! Konkret heißt das: Klare Ziele für den Umsatz- und Ergebnisbeitrag definieren, einen Quick-Check der Potenziale durchführen und ein agiles, Output-orientiertes Vorgehen mit kurzzyklischen Abstimmungen implementieren.
Können Sie drei Top-Handlungsfelder nennen, die Vertriebsführungskräfte dabei im Auge behalten sollten?
Die drei wichtigsten Handlungsfelder sind die Optimierung des Pricings, das Cross- und Up-Selling bei Bestandskunden sowie eine fokussierte Vertriebsarbeit. Die Preissetzung zu verbessern und durchzusetzen sowie Konditionen gezielt zu steuern, können direkte Ergebnisverbesserungen bewirken. Zusätzlich lassen sich durch eine bedarfsorientierte Perspektive Potenziale gezielt heben, indem Kunden auf Basis eines Quick-Check-Ansatzes priorisiert werden. Schließlich ist es entscheidend, die Vertriebsarbeit auf Angebote mit hoher Abschlusswahrscheinlichkeit zu fokussieren, die Rabattbefugnisse gezielt anzupassen und schnelle Entscheidungsprozesse zu implementieren. So lassen sich die Vertriebsressourcen effektiv einsetzen.
Welche Kenngrößen sollten Vertriebsorganisationen bei einer Analyse oder einem Benchmark der eigenen Vertriebsleistungen in den Vordergrund stellen, etwa bei den Vertriebsprozessen, der Kundenbetreuung, den Ressourcen oder der Overall-Performance im Vertrieb?
Effektives Vertriebscontrolling sollte sich auf wenige, aber aussagekräftige Kennzahlen konzentrieren. Eine "Überfrachtung" mit KPIs (Key Performance Indicator) führt oft zu ineffizienten Strukturen. Das haben wir beispielsweise auch in unserem Projekt bei einem Sondermaschinenhersteller erlebt: Jede Abteilung verfolgte eigene Kennzahlen ohne einheitliche Definition. Die Folge waren hohe administrative Aufwände und eine unklare Bestimmung der Leistungen. Erst als Kennzahlen reduziert und vereinheitlicht wurden, sorgte das für eine höhere interne Effizienz und gestiegene Vertriebsperformance.
Besonders aussagekräftig sind drei Top-Kennzahlen: Auf der Input-Seite spielen der Anteil der Vertriebskosten am Umsatz und die Mitarbeiterproduktivität eine zentrale Rolle. Bei den Prozessen sind Durchlaufzeiten von Aufträgen und die Wandlungsrate (Conversion Rate) von Angeboten wichtige Indikatoren. Im Bereich der Output-Messung sind Kundenbindungsrate und Vertriebsdeckungsbeitrag entscheidend, um die Gesamtperformance des Vertriebs zu bewerten.
Was sind Ihrer Erfahrung nach heute häufige Gründe für Performance-Schwächen im Vertrieb?
Strukturen, Kapazitäten und Abläufe können heute häufig nicht mehr mit den sich wandelnden Markt- und Kundenanforderungen Schritt halten. Hinzu kommt, dass der Fokus immer noch zu sehr auf der aktuellen Ist-Situation anstatt auf tatsächlichen Potenzialen liegt. Die Folge ist eine ineffiziente Kundenpriorisierung, die mit einem Ressourceneinsatz einhergeht, der nicht optimal ist. Hinzu kommt die Aufbauorganisation: Starre Gebiets-, Regionen- oder Geschäftsbereichsaufteilungen limitieren die operative Vertriebsarbeit und verhindern, dass Kundenpotenziale umfassend gehoben werden. Vielerorts schöpfen Vertriebsorganisationen die Chancen der Digitalisierung noch nicht vollständig aus. Gleichzeitig bleibt ein hoher Anteil an administrativen Tätigkeiten bestehen. Last but not least: Wenn das Incentive-System nicht mit der Strategie verknüpft ist, führt es zu Fehlanreizen, mangelnder Leistungsanerkennung und letztlich zu Demotivation.
Vertriebsteams von Unternehmen stecken branchenübergreifend aus verschiedensten Gründen oft im Projektstau oder arbeiten stark silozentriert – wie können sie das am besten verändern?
Am besten gelingt das mit einer Kombination aus klarer Priorisierung, interdisziplinärer Zusammenarbeit und technologischem Fortschritt. Zunächst muss bewusst entschieden werden, welche Projekte nicht bearbeitet werden – auch wenn das oft am schwersten fällt. Dies ermöglicht es, Ressourcen gezielt zuzuweisen und hilft, Engpässe zu vermeiden. Um den Austausch zwischen verschiedenen Bereichen zu verbessern, haben wir sehr gute Erfahrungen mit der kundenzentrierten Projektmanagementmethode (Stichwort: agile Vertriebsaktivierung) gemacht. Das beinhaltet, klare Ziele zu setzen, Arbeitspakete zu definieren, eine offene Kommunikationskultur zu leben und vor allem die relevanten Bereiche einzubinden. Auch außerhalb des Vertriebs müssen dabei alle an einem Strang ziehen.
Tipp |
Mehr zum Thema lesen Sie in einem Gastbeitrag von Dr. Dirk Artelt und Dr. Michael Staudinger, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner, in der März-Ausgabe der Sales Excellence. |