Versandriese Amazon bietet Konsumenten weltweit viele Vorteile.
Amazon.de
Angefangen mit einem reinen Online-Buchhandel gibt es mittlerweile kaum mehr ein Produkt, das der US-Konzern Amazon nicht zu seinem Sortiment zählt - etliche Eigenmarken inklusive. Die schier unendliche Warenvielfalt verleitet Konsumenten dazu, Produkte nicht mehr über Google, sondern direkt beim Marktplatzbetreiber Amazon zu suchen. Wer eine Prime-Mitgliedschaft eingegangen ist, bekommt seine Bestellungen meist direkt am nächsten Tag zugestellt. Dieses komfortable Shopping-Erlebnis kommt hierzulande gut an. "Deutschland ist für Amazon ein wichtiger Markt. Das ist alleine schon daran erkennbar, dass Deutschland im Amazon-Geschäftsbericht nach den USA als zweitstärkster Markt separat ausgewiesen ist", schreibt Springer-Autor Erwin Lammenett im Buchkapitel "Amazon als Suchmaschine" (Seite 252). Deutsche Retailer müssen sich also zunehmend gegen einen Giga-Konkurrenten behaupten.
Rund 70 Prozent der Marketing-Entscheider aus dem Einzelhandel erachten Amazon daher als einen ernstzunehmenden oder gar den stärksten Wettbewerbsteilnehmer, so die Studienergebnisse von Territory Bestseller in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut Research Now. Bei drei von vier Befragten rüttelt diese Erkenntnis allerdings nicht am Selbstbewusstsein. Sie sind überzeugt, die richtige Strategie zu besitzen und es deshalb mit Amazon aufnehmen zu können. Angesichts der Defizite im stationären und Omnichannel-Handel fällt diese Einschätzung jedoch möglicherweise etwas zu optimistisch aus. So haben 40 Prozent der Einzelhändler noch kein Konzept erarbeitet, das ihre Filiale für den digitalen Wandel rüstet.
Amazon besetzt jede Branche
Viele stationäre wie webbasierte Shop-Betreiber verlassen sich auf ihre Kernkompetenzen und konzentrieren sich weiterhin auf regionale Produkte (46 Prozent), besondere Serviceangebote (44 Prozent) und die Stärkung der Eigenmarke (34 Prozent). Diese Strategie ist nicht verkehrt, greift jedoch zu kurz, um Amazon wirklich etwas entgegenzusetzen. Nämlich auch der E-Commerce-Riese baut sein Angebot an regionalen Waren aus, entwickelt eigene Marken und führt mittlerweile sogar handgemachte Produkte.
Es scheint, als ob deutsche Händler zwar um die Macht von Amazon wissen, das genaue Ausmaß der eigenen Lage aber noch nicht vollends überblicken. "Die Bedrohung zu verstehen, ist nicht schwer – mit ihr umzugehen, ist die viel größere Herausforderung. Denn Amazon digitalisiert komplette Industrien: Verleger, Händler, Softwarekonzerne wie IBM oder Microsoft, Hersteller und Lieferanten, B2B-Unternehmen, Versicherungen und, ja, sogar Dienstleister wie der Gärtner um die Ecke. Niemand ist vor Amazons unbändiger Kraft, sich neu zu erfinden, sicher", bringen es die Springer-Autoren Adrian Hotz und Markus Fost im Buchkapitel "Die 'Amazonisierung' des Konsums – Game-Changer Amazon" auf den Punkt (Seite 670). Vor allem stationäre Händler müssen sich bewusst machen, dass Amazon längst die digitalen Grenzen überschritten hat und sich seinen Weg in das 'reale' Leben bahnt.
Zusammenarbeit abwägen
Amazon als Konkurrenten einfach zu ignorieren, ist somit keine gute Entscheidung. Vielmehr bleibt Einzelhändlern nur noch die Wahl zwischen zwei Optionen. Die erste ist, sich der Verkaufsmaschinerie von Amazon anzuschließen. Hierbei stehen das Seller- und das Vendor-Modell im Angebot. Ersteres öffnet Händlern die Türen zum Marktplatz, auf dem sie in Eigenregie ihre Produkte verkaufen können. Beim Vendor-Modell hingegen übernimmt Amazon sämtliche Pflichten des Verkäufers, kümmert sich also um die Lagerung, Kommissionierung und das Retouren-Management durch die hauseigene Logistik. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile, weshalb an dieser Stelle keine eindeutige Handlungsempfehlung ausgesprochen werden kann. Inwieweit eine Zusammenarbeit mit Amazon fruchtet, hängt von vielen, individuellen Faktoren ab, die sich nur schwer vorhersehen lassen.
Persönlichkeit stärkt die Wettbewerbsfähigkeit
Die zweite Option, die Einzelhändlern bleibt, ist, das eigene Geschäft wirklich konkurrenzfähig zu gestalten. Online-Shops gewinnen, wenn sie ihre Persönlichkeit verstärkt in den Fokus rücken. Denn Kunden interessieren sich nicht nur für das günstigste und am schnellsten gelieferte Angebot, wie sie es mit wenigen Mausklicks auf Amazon finden, sondern auch dafür, welche Menschen hinter den Produkten stehen. Genau hier können Webstores ansetzen, indem Mitarbeiter persönliche Präsenz im Kundenservice und den Produktbeschreibungen zeigen. Generell sind die Produkttexte wichtig, um Einblicke in die Herstellungsgeschichte zu liefern und das eigene Fachwissen unter Beweis zu stellen. Manche Online-Shops profitieren davon, sich mit Branchenkollegen zusammenzuschließen - ein derzeit sehr beliebter Trend im E-Commerce.
Läden, die sich derzeit ausschließlich im stationären Geschäft bewegen, sollten dringend darüber nachdenken, wie sie ihr Angebot auch online platzieren können. Alternativ zu einem Web-Shop bieten sich "Click and collect"-Lösungen an: Kunden bestellen im Internet und holen ihre Ware dann persönlich im Laden ab.