Das Minus in den Kassen deutscher Kommunen hat mit 24,8 Milliarden Euro eine Rekordsumme erreicht. Sozialleistungen und Personalkosten treiben Ausgaben, während die Steuereinnahmen lahmen. Experten fordern dringend Reformen.
Die Kämmerer in Deutschland haben ein schweres Los: Zahlreiche Aufgaben hat ihnen der Bund übertragen. Doch es fehlt eine ausreichende finanzielle Basis.
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Das kommunale Finanzierungsdefizit in Deutschland ist vergangenes Jahr auf den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung angewachsen. Bei den Kern- und Extrahaushalten der Gemeinden und Gemeindeverbänden - ohne Stadtstaaten - lief ein Defizit von 24,8 Milliarden Euro auf, wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen der vierteljährlichen Kassenstatistik mitteilt. Im Jahr zuvor, 2023, hatte das Defizit noch 6,6 Milliarden Euro betragen.
6,2 Prozent der Ausgaben waren den Angaben zufolge vergangenes Jahr nicht durch reguläre Einnahmen gedeckt und mussten aus finanziellen Reserven oder über Kredite finanziert werden. Das Defizit sei vor allem auf die kommunalen Kernhaushalte zurückzuführen: Mit 24,3 Milliarden Euro war es 2024 fast viermal so hoch wie im Jahr zuvor, als es noch 6,3 Milliarden Euro betrug.
Ausgabenanstieg wächst mehr als Einnahmen
Die Ausgaben liefen den Einnahmen davon, wie aus der Statistik hervorgeht: Die bereinigten Ausgaben stiegen bei den Kernhaushalten erneut stark um 8,8 Prozent auf 362,7 Milliarden Euro. Bei den bereinigten Einnahmen gab es dagegen nur ein Plus von 3,5 Prozent auf 338,5 Milliarden Euro.
Der Deutsche Städtetag nannte die Situation katastrophal. "Die Zahlen übersteigen unsere ohnehin schon schlimmen Erwartungen", erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Das Defizit könne von den Kommunen nicht ansatzweise aus eigener Kraft aufgefangen werden. Es brauche weitreichende Reformen in der Finanzordnung von Bund, Ländern und Kommunen. Das gerade beschlossene Sondervermögen könne zwar einen Einbruch der kommunalen Investitionen verhindern. Die strukturelle Schieflage der Haushalte könne es jedoch nicht beseitigen.
Sozialleistungen legen deutlich zu
Nach der Statistik waren Treiber der Entwicklung vor allem die Sozialleistungen. Sie stiegen um 11,7 Prozent auf 84,5 Milliarden Euro. Grund seien vor allem Erhöhungen bei Bürgergeld und Sozialhilfe zum 1. Januar 2024. Die Leistungen der Sozialhilfe stiegen beispielsweise um 12,4 Prozent auf 21,1 Milliarden Euro. Mit 17,1 Prozent den höchsten Anstieg gab es bei der Kinder- und Jugendhilfe mit insgesamt 18,3 Milliarden Euro.
Die Personalausgaben waren um knapp neun Prozent höher und betrugen 88,1 Milliarden Euro - eine Folge der im Jahr 2024 wirksamen Tarifsteigerungen und des Personalzuwachses in verschiedenen Bereichen.
Kaum mehr Grund- und Gewerbesteuern
Die Einnahmen aus Grundsteuer und Gewerbesteuer stiegen dagegen nur schwach, gleiches gilt für die kommunalen Anteile an Einkommens- und Umsatzsteuer. Unter dem Strich stand bei den Steuern nur ein mäßiges Plus von 1,5 Prozent auf 132,1 Milliarden Euro, wie das Bundesamt ermittelte. In den Vorjahren hatte es hier noch deutliche Zuwächse um jeweils 7,1 Prozent gegeben.
Die Länder überwiesen zwei Prozent mehr an sogenannten Schlüsselzuweisungen zur allgemeinen Finanzierung der kommunalen Haushalte, insgesamt 51,0 Milliarden Euro. Für Investitionen stellten die Länder mit 13,9 Milliarden Euro 2,2 Prozent mehr Geld zur Verfügung. Mit höheren Gebühren unter anderem für Verwaltung erzielten die Gemeinden 24,3 Milliarden Euro, das war ein Plus von 7,5 Prozent.
DSGV-Chef nennt Zahlen Alarmsignal
"Das ist kein Ausreißer - das ist ein Alarmsignal", kommentierte Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), die aktuellen Zahlen. "Wenn die Ausgaben so stark steigen und gleichzeitig die Einnahmen kaum Schritt halten, geraten die kommunalen Handlungsspielräume massiv unter Druck." Noch bevor die neuen Tarifabschlüsse überhaupt wirksam würden, wachse das Ausgabenvolumen bereits erheblich. Schuld seien gesetzlich definierte Leistungen.
"Nur die Zinsausgaben sind im vergangenen Jahr noch deutlicher gestiegen", betont der DSGV-Chef. Reuter fordert, die Kommunen konsequent zu stärken, "und zwar finanziell, strukturell und strategisch". Diese dürften nicht weiter mit zusätzlichen Aufgaben belastet werden, "ohne dass zugleich die nötigen Mittel und Freiräume mitgeliefert werden", erläutert er.