Die Corona-Krise hat bei deutschen Kommunen 2020 laut einer aktuellen Schätzung einen finanzielle Schaden von mindestens 17 Milliarden Euro verursacht. Trotzdem weisen sie aufgrund massiver staatlicher Hilfsmaßnahmen einen Überschuss aus.
Die Folgen der Pandemie haben viele Unternehmen wirtschaftlich hart getroffen. Im Jahr 2020 waren ganze Branchen wie die Hotellerie, Gastronomie und andere Dienstleistungen stillgelegt. Gestörte Lieferketten setzten dem produzierenden Gewerbe zu und und wegbrechende Absatzmärkte trafen exportorientierte Mittelständler wie Großunternehmen. Die Folge: Die konjunktursensible Gewerbesteuer der Kommunen in den 13 Flächenländern ist gegenüber 2019 um fast neun Milliarden Euro eingebrochen.
Wie es im aktuellen Kommunalen Finanzreport 2021 der Bertelsmann Stiftung heißt, kommen dazu noch Verluste von mehr als vier Milliarden Euro beim Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer sowie bei den Gebühren. Damit beläuft sich der Gesamtschaden der Corona-Krise bei den Städten, Gemeinden und Kreisen im Jahr 2020 auf geschätzt mindestens 17 Milliarden Euro.
Steuerausfälle treffen besonders wirtschaftsstarke Regionen
Besonders hart traf es laut der Untersuchung, die alle zwei Jahre die jeweils aktuellsten amtlichen Finanzstatistiken auswertet, die Kommunen in wirtschaftsstarken Regionen. "So ging das kommunale Steueraufkommen allein in Bayern und Baden-Württemberg gegenüber dem Vorjahreswert jeweils um mehr als 1,5 Milliarden Euro zurück. Jeweils deutlich mehr als in den fünf ostdeutschen Ländern zusammen."
Dennoch weisen Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland für das Jahr 2020 das sechste Mal infolge einen Überschuss aus. Dieser basiert laut der Analyse "ausschließlich auf den umfangreichen Hilfen von Bund und Ländern. Ohne diese stünde das größte Defizit der Geschichte in den Haushaltsbüchern".
Kommunen stehen vor einer ungewissen Zukunft
Fallen die im Frühjahr 2020 ergriffenen Hilfen wie die Kompensation der Gewerbesteuermindereinnahmen sowie die Anhebung der Bundesbeteiligung an den kommunalen Hartz-IV-Kosten weg, "drohen die Erfolge des vergangenen Jahrzehnts verloren zu gehen und die regionalen Spaltungen weiter zuzunehmen", so der Finanzreport. Finanziert wurden diese Maßnahmen vor allem durch die Aussetzung der Schuldenbremsen des Bundes sowie der Länder. "Diese Hilfen waren notwendig, denn in der Krise muss der Staat handlungsfähig bleiben", sagt Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung.
Mit knapp elf Milliarden Euro finanzierten Bund und Länder die Erstattung der Gewerbesteuerausfälle. Das kam vor allem den wirtschaftlich starken Gemeinden zugute. Zugleich lief die erhöhte Gewerbesteuerumlage der Kommunen planmäßig aus. Seit fast drei Jahrzehnten war sie ein Teil der Finanzierung des Solidarpakts Ost. Die Gemeinden profitierten zudem von einer milder als erwaretet ausgefallenen Rezession. Das führte zu einem kommunalen Gesamtsteueraufkommen, dass fast sechs Milliarden Euro über dem Vorjahresniveau liegt.
Im Jahr 2020 hat der Bund zudem seine Beteiligung an den kommunalen Hartz-IV-Kosten um rund drei Milliarden Euro erhöht. Davon profitierten laut Analyse überwiegend sozialschwache Städte. "Die Aufstockung dieses Finanzierungsanteils ist für die strukturschwachen Städte ein echter Befreiungsschlag", erläutert René Geißler, Mitautor des Kommunalen Finanzreports und Professor für öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau.
Investitionspläne wurden 2020 größtenteils umgesetzt
Im Ergebnis setzten die kommunalen Investitionsausgaben auch im vergangenen Jahr ihren mehrjährigen Wachstumstrend fort und erreichten im zum Ultimo in der Summe der 13 Flächenländer ein neues Rekordhoch von 50 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von rund 12,5 Prozent binnen eines Jahres.
Doch der Report verweist auf das regional sehr unterschiedliche Investitionsniveau hin. Ein großer Einfluss komme dabei den finanzstarken süddeutschen Kommunen zu. "Je Einwohner investieren die bayerischen Kommunen drei Mal mehr als jene im Saarland", heißt es in der Studie. Nicht nur die Unterschiede in der jetzigen Infrastruktur seien gewaltig, sondern auch die Zukunftschancen ganzer Regionen.
Gerade die Eigenmittel, die sich vor allem aus den Schlüsselzuweisungen des Kommunalen Finanzausgleichs sowie den eigenen Steuereinnahmen zusammensetzen, bestimmen die investiven Haushaltsspielräume und damit auch die Finanzierungsbedarfe beziehungsweise -möglichkeiten. Diese Einnahmearten dürften zugleich am stärksten von der Krise beeinträchtigt werden. Über Kredite finanzieren die Kommunen aktuell rund ein Fünftel des Investitionsvolumens, wobei immerhin 70 Prozent der Kommunen in Deutschland Kredite nutzen", schreiben Stephan Brand und Johannes Steinbrecher im Wirtschaftsdienst-Beitrag "Kommunalfinanzierung in der Corona-Krise — Einschnitte, aber keine Zeitenwende".
Kommunale Kassenkredite rückläufig
Wichtig für die Banken: Die Kassenkredite, also die kommunalen Dispo-Kredite, die sich mit den Sozialausgaben und Steuersätzen, Investitionen und den allgemeinen Handlungsspielräumen für die Lokalpolitik verändern, haben trotz der Corona-Krise weiter abgenommen. Ende 2020 gibt sie der Report mit 31 Milliarden Euro an. Das ist ein Drittel unter dem Höchststand von 2015.
"Dieser positive Trend ist in allen Ländern zu beobachten, häufig unterstützt durch Altschuldenprogramme der Länder. Das Problem hoher Kassenkredite betrifft vor allem die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Ein Drittel des bundesweiten Volumens entfällt auf nur elf Städte Nordrhein-Westfalens", heißt es dazu im Kommunalen Finanzreport.
Bis 2024 drohen kommunale Defizite von bis zu 23 Milliarden Euro
Aufgrund des Wegfalls der staatlicher Hilfsmaßnahmen, drohender Steuerverluste und weiter steigender Ausgaben fällt die Prognose der Studienautoren negativ aus: Sie gehen für den Zeitraum von 2021 bis 2024 von kommunalen Defiziten im Gesamtumfang von 23 Milliarden Euro aus. "Ohne neue Finanzhilfen wie Erstattungen von Steuerausfällen und Aufstockung der Investitionsprogramme drohen neue Haushaltskrisen. Die Erfolge der vergangenen Jahre wären schlagartig aufgezehrt und Zukunftsaufgaben deutlich erschwert", so Witte.