Nirgends gibt es so viele Sprachblüten wie im öffentlichen Sektor. In ihrer monatlichen Kolumne blickt Agenturchefin Petra van Laak auf die Auswüchse – dieses Mal mit noch mehr Tipps und Tricks, und zwar zum In-Thema KI.
In der Verwaltung gibt es besonders viele komplexe Texte. Verständliche Sprache kann dabei helfen, den Aufwand in Ämtern und Behörden zu reduzieren und mehr Bürgernähe zu zeigen.
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Anfang des Jahres habe ich mich neugierig in eine Weiterbildung zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) gestürzt. Nun bin ich diplomierte „AI-Writerin“ (Schweizerische Text Akademie). Was ich vor dem Lehrgang dachte: Na ja, mal sehen, ob diese KI-Sache wirklich so toll ist. Bis dahin hatte ich nur ein bisschen mit ChatGPT herumgespielt. Was ich während des Lehrgangs dachte: Boah, das ist ja so vielschichtig, ob ich da überhaupt mitkomme? Tatsächlich warfen einige Teilnehmende das Handtuch, als es um die interessante, aber sehr komplexe technische Seite von KI-Modellen ging. Was ich nach dem Lehrgang dachte: Fantastisch, ich kann mich entlasten und gleichzeitig behält alles meine Handschrift. Spoiler: Die Herausforderung war und bleibt das richtige Prompten, also die Befehlseingabe.
Und was ich nach dem Lehrgang machte: Ich trommelte mein Text-Team zusammen und versuchte in komprimierten vier Stunden meine Erkenntnisse weiterzugeben. Ich darf behaupten, dass einige, die zuvor skeptisch waren, positiv überrascht wurden und die Tools nun nutzen. Erkenntnisse weitergeben – das mache ich nun auch für Sie in dieser Kolumne. Extrem komprimiert natürlich.
Keine Angst vor KI und mangelnder Kreativität
„Ich überlasse doch nichts einer Maschine!“ und „Wo bleibt da die Kreativität?“ – das sind typische Entgegnungen, was KI-Tools betrifft. Natürlich überlassen Sie nur einen kleinen Teil des Prozesses der KI. Und nicht die KI ist kreativ, sondern der Mensch.
Hier der Beweis: Ein Prozess, in dem KI involviert ist, gliedert sich grob in vier Arbeitsschritte. Das betrifft Textgeneratoren wie ChatGPT, Bildgeneratoren wie Midjourney und andere KI-Tools, die zum Beispiel Daten analysieren.
- Schritt 1 (kreativ): Sie prompten, Sie geben also einen Befehl ein.
- Schritt 2 (nicht kreativ): Die Maschine/die Engine/das KI-Tool arbeitet.
- Schritt 3 (kreativ): Sie bewerten das Ergebnis.
- Schritt 4 (kreativ): Sie verbessern und schleifen glatt.
Na, beim wem liegt nun die Kreativität? Natürlich bei Ihnen.
Schritt 1: Wie prompte ich richtig?
Bisher haben Sie Ihrer App oder Ihrem Rechner gesagt „Tu dies, tu das“. Beim Prompten müssen Sie umdenken. Jetzt sagen Sie nämlich Ihrem KI-Tool: „Ich will dieses Ergebnis haben. Mach mal.“ Sie brauchen also eine klare Vorstellung davon, was am Ende geliefert werden soll. Das ist die Basis jedes guten Prompts.
Ich erläutere das am Beispiel des populären KI-Tools ChatGPT von OpenAI. Dabei ist es erst einmal egal, welche Version Sie verwenden. Hilfreich ist es, wenn Sie sich ChatGPT als eine Person vorstellen, die in Ihrer Organisation gerade ein Praktikum macht. Erklären Sie im Prompt Ihren Wunsch so, wie Sie es diesem Neuling schildern würden.
Nehmen wir an, Sie müssen einem aufgebrachten Dienstleister erklären, dass in einem Vergabeverfahren nur die elektronische Textform zählt. Er kann keinen Umschlag mit Unterlagen per Post einsenden. Das regt den Dienstleister mächtig auf, denn bisher hat das ja immer geklappt. Jetzt können Sie ihm diesen Text schicken:
Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.
Wichtigster Anwendungsfall ist die Übermittlung der Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform (vgl. § 53 Abs. 1 VgV, § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2016). In diesem Bereich darf auch nur noch in begründeten Ausnahmefällen eine abweichende Verwendung der elektronischen Signatur vorgeschrieben werden, und zwar nur dann, wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen (vgl. § 53 Abs. 3 VgV, § 11 EU Abs. 5 S. 2 VOB/A 2016).“
Damit wird Ihr Dienstleister vermutlich nicht glücklich. Warum? Weil der Text schlicht unverständlich geschrieben ist und vor juristischen Querverweisen nur so strotzt. Nun kommt ChatGPT ins Spiel, der ahnungslose Praktikant. Sie erklären in Ihrem Prompt: „Du arbeitest in der Verwaltung. Ein Dienstleister hat sich bei dir beschwert, dass er seine Antragsunterlagen nicht mehr postalisch einreichen kann. Erkläre ihm freundlich, dass nun die elektronische Textform angesagt ist. Nutze dabei diese Inhalte:“. Ans Ende des Prompts kopieren Sie den komplizierten Text von oben.
Schritt 2: Der Praktikant kann’s
Hier das Ergebnis des eifrigen Pratikanten namens ChatGPT:
Sehr geehrte/r Herr/Frau [Name des Dienstleisters],
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Verständnis für die Umstellung. Ich möchte Ihnen kurz erklären, warum die postalische Einreichung der Antragsunterlagen nicht mehr möglich ist und wir nun die elektronische Textform nutzen.
Die Textform ist in den verschiedenen Vergabeverfahren an unterschiedlichen Stellen verbindlich vorgeschrieben. Ein besonders wichtiger Anwendungsbereich ist dabei die Übermittlung von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten in Textform (siehe § 53 Abs. 1 VgV und § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2016). In diesen Fällen kann nur noch in sehr seltenen und gut begründeten Ausnahmefällen eine abweichende Verwendung der elektronischen Signatur verlangt werden – und zwar nur dann, wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen (vgl. § 53 Abs. 3 VgV, § 11 EU Abs. 5 S. 2 VOB/A 2016).
Wir verstehen, dass dies eine Umstellung darstellt, aber die elektronische Textform bringt viele Vorteile mit sich, darunter eine schnellere und sicherere Bearbeitung Ihrer Unterlagen.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
[Name]
[Position]
[Behörde]“
Das hat drei Sekunden gedauert. Den Praktikanten möchten Sie wahrscheinlich am liebsten dauerhaft in Ihr Team übernehmen.
Schritt 3 und 4: Sie bewerten das Ergebnis und verbessern es
Da ist noch Luft nach oben, stellen Sie fest. Die Anrede und die Verabschiedungsformel sind noch nicht flott genug. Die Paragrafen mitten im Text stören. Insgesamt ist der Text noch zu lang und einen Hauch zu unpersönlich. Sie können jetzt erneut prompten oder einfach selbst nachpolieren. Das machen wir mal eben selbst, denn wir sind ja kreativ ...
Guten Tag, [Vorname und Nachname des Dienstleisters],
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich möchte Ihnen kurz erklären, warum wir nun die elektronische Textform nutzen.
Die Textform ist in den verschiedenen Vergabeverfahren an manchen Stellen verbindlich vorgeschrieben. Das betrifft zum Beispiel Interessensbekundungen und -bestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform. Nur wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen, sind Ausnahmen möglich.
Wir verstehen, dass dies eine Umstellung für Sie bedeutet. Die gute Nachricht: Die elektronische Textform bringt viele Vorteile mit sich. Ihre Unterlagen werden dadurch zum Beispiel schneller bearbeitet.
Haben Sie Fragen dazu? Sprechen Sie uns gerne an.
Freundliche Grüße
[Name]
[Position]
[Behörde]Dies sind die gesetzlichen Grundlagen:
Textform: § 53 Abs. 1 VgV und § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2016)
Sicherheit: § 53 Abs. 3 VgV, § 11 EU Abs. 5 S. 2 VOB/A 2016“
Welche KI-Tools passen?
Wir haben also gesehen: Mithilfe von KI-Tools geht es schneller. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Und das Ganze ist keine Zauberei. Sie brauchen nur ein wenig Vorstellungskraft, was den ahnungslosen Praktikanten betrifft.
Jedes Large Language Model (LLM) wie ChatGPT oder Copilot kann eine Entlastung für Sie darstellen. LLMs sind große Sprachmodelle, also KIs, die mit Unmengen von Texten gefüttert wurden und aufgrund von Wahrscheinlichkeitsberechnungen Ihre Prompts mit entsprechenden Texten beantworten können. Ich nenne Ihnen hier drei, mit denen wir in meiner Agentur gute Erfahrungen gemacht haben:
- ChatGPT
- Gemini
- Copilot
Selbstverständlich ist mir bewusst, dass Sie in der Verwaltung mit sensiblen Daten arbeiten. Und dass Ihre KI vor allem deshalb bestimmten Anforderungen genügen muss. Meine Tipps: Tauschen Sie sich aus. Und schauen Sie sich nach Leitfäden und Beispielen aus dem öffentlichen Sektor um. Davon gibt es schon eine ganze Menge. Und noch ein Hinweis: Es gibt auch bestimmte Filter, die die Anwendung von KI-Tools in der Verwaltung besonders sicher machen. Diese Schnittstellen filtern sensible Daten automatisch heraus, sodass sie erst gar nicht einen offenen KI-Kreislauf gelangen können.
Mehr davon!
Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind und mehr wissen oder Ihre Kolleginnen und Kollegen von der Entlastung durch entsprechende KI-Tools überzeugen möchten: Sprechen Sie mich gerne an. Eine spannende und Spaß machende Welt wartet auf Sie!
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