Die Verkehrswende in Deutschland könnte beschleunigt werden, wenn mehr Investitionen aus dem Straßenbau in das Netz von Bus und Bahn umgelenkt würden. Dazu rät eine Studie.
Auto oder doch lieber Bus und Bahn? Mehr Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr könnten die Verkehrswende beschleunigen.
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283 Milliarden Euro - diesen geschätzten Finanzbedarf hat allein der deutsche Straßenbau bis 2030. Auf Bus und Bahn entfallen gerade einmal 64 Milliarden Euro. Der Ausbau und die Modernisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) müsse kein zusätzliches Geld kosten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Investitionsbedarfe für ein nachhaltiges Verkehrssystem" des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu).
Demnach würde es reichen, beim Straßenbau moderat zu sparen, etwa durch Verzicht bei Straßen und Stellplätzen. Diese Mittel umgelenkt in den ÖPNV würden die Verkehrswende beschleunigen. Die Untersuchung aus dem Spätsommer 2023 basiert auf bundesweiten Befragungen von Kommunen und Verkehrsunternehmen sowie auf Schätzungen, die Alter und Zustand der Infrastruktur berücksichtigen.
Was die Verkehrswende ausmacht
Für das öffentliche Verkehrssystem identifizierte das Difu folgende zentrale Elemente einer nachhaltigen Mobilität:
- den ÖPNV-Ausbau,
- mehr Mobilitätsstationen mit Sharingangeboten,
- digitale Informationssysteme und
- sichere Stellplätze für Fahrräder sowie
- die Elektrifizierung des Verkehrs.
Insgesamt schätzt das Difu die dafür notwendigen zusätzlichen Investitionen bis 2030 auf rund 39 bis 63 Milliarden Euro. Für die Erweiterung der ÖPNV-Infrastruktur würden zusätzlich etwa 25 Milliarden Euro notwendig. Zugleich könnten Einsparungen bei Ersatz, Erweiterung und Unterhalt von Straßen und Stellplätzen in Höhe von rund 21 bis 63 Milliarden Euro erzielt werden. Die Verkehrswende könnte also durch neue Finanz-Prioritäten mehr Fahrt aufnehmen.
Auto gehört mitunter zum Lebensstil
Wie die Bevölkerung zu den verschiedenen Arten der Mobilität steht, hat das Fraunhofer-Institut untersucht. Die Studie von Ende August zeigt: Insbesondere Vielfahrende in ländlichen Regionen wollen gern umsteigen, am liebsten mehr Rad fahren oder zu Fuß gehen. Aber das Auto sei und bleibe das beliebteste Verkehrsmittel, entweder mangels Alternativen oder weil der eigene Pkw dem individuellen Lebensstil entspreche.
"MobilKULT" lautet der Titel der Fraunhofer-Studie. Dafür interviewte das Institut etwa 2.500 repräsentativ ausgewählte Personen aus Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern über Fragebögen. Ermittelt wurden die Meinungen zu vier Punkten der Mobilität:
- Infrastrukturen,
- politische Maßnahmen,
- Automobilitätskultur und
- Gewohnheiten.
Haus auf dem Land und Pkw hängen voneinander ab
Die Untersuchung zeigt, dass Menschen ihrem Auto verschiedene Bedeutungen zuschreiben. Vielfahrende sehen sich stärker vom Pkw abhängig, wünschen sich aber gleichzeitig ein Haus auf dem Lande, was diese Abhängigkeit verstärke. Auch würden sie mehr positive Gefühle mit dem Autofahren verbinden als Menschen, die den Pkw weniger nutzen.
Wer seltener mit dem Auto unterwegs sei, empfinde einen höheren sozialen Druck, alternative Verkehrsmittel zu nutzen, eine höhere Abneigung gegen das Autofahren sowie ein stärkeres Umweltbewusstsein. Das spiegelt sich in den Ansichten gegenüber politischen Maßnahmen wider. Wenigfahrende unterstützen restriktivere Maßnahmen mit Blick auf das Auto als Vielfahrende, so die Studie – etwa beim Tempolimit.