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27.06.2024 | Verwaltungsmanagement | Kolumne | Online-Artikel

Unglaublich: Nix zu meckern!

verfasst von: Petra van Laak

3:30 Min. Lesedauer

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Nirgends gibt es so viele Sprachblüten wie im öffentlichen Sektor. In ihrer monatlichen Kolumne blickt Agenturchefin Petra van Laak auf die Auswüchse – mit einem Augenzwinkern, aber immer konstruktiv.

Mein Mann meldet sich bei anstehenden Wahlen seit zig Jahren als Wahlhelfer. Viele Instruktionen, Briefe oder Infoblätter hat er schon über sich ergehen lassen müssen. Was tut man nicht alles für die Demokratie … Anfang Juni ging es um die Europawahl, er war natürlich wieder im Einsatz. Und brachte mir einen Brief vom Kreiswahlleiter mit: „Hier, für deine Kolumne!“

Ich machte mich darauf gefasst, das Schreiben sorgfältig auseinanderzunehmen, den Finger in die Wunde zu legen, die das Verwaltungsdeutsch regelmäßig reißt. Ich war bereit, zu schimpfen, zu verbessern und wie immer Alternativen zu formulieren. Aber es war mir nicht möglich: Der Brief war einfach zu gut!

Sehr geehrte Wahlhelferinnen und Wahlhelfer,

am heutigen Sonntag findet die Wahl der Abgeordneten des 10. Europäischen Parlamentes aus der Bundesrepublik Deutschland statt.

Sie haben sich zur ehrenamtlichen Mitarbeit in einem Wahlvorstand oder in einem Briefwahlvorstand bereit erklärt und damit eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe übernommen."

Warum der Einstieg gut ist

Natürlich nehme ich auch diesen Brief auseinander. Aber nur, weil ich ihn gelungen finde. Das ist zur Abwechslung mal richtig angenehm.

  • Der erste Satz verortet kurz das Thema.
  • Der zweite Satz spricht die Empfängerinnen und Empfänger (Wahlvorstände) direkt an.
  • Der zweite Teilsatz spricht Anerkennung aus für die ehrenamtliche Aufgabe und erzeugt damit ein Gefühl respektvollen Miteinanders.

Weiter im Text heißt es:

Ohne Ihre Mitwirkung wäre die Durchführung der Wahl nicht möglich. Durch Ihren persönlichen Einsatz tragen Sie zum Gelingen des heutigen Wahlsonntags in ganz erheblichem Maße bei. Dafür spreche ich Ihnen mein herzliches Dankeschön aus!"

Die Freiwilligen stehen bei diesem Schreiben ganz klar im Mittelpunkt. Ihre Leistung wird benannt. Die Anerkennung ist groß („in ganz erheblichem Maße“). Ein klares, fett hervorgehobenes Danke springt sofort ins Auge. Und es gibt eine reale Person, die sich bedankt („Dafür spreche ich Ihnen …“). Das ist toll, das ist ungewöhnlich!

Na gut, man könnte noch an kleinen Schräubchen drehen:

  • Nominalstil verringern, doppelte Verneinung vermeiden: statt „Mitwirkung“ und „Durchführung“ und „ohne … nicht möglich“ besser „Indem Sie mitwirken, können wir die Wahl überhaupt durchführen“.
  • Aktiver formulieren: statt „Einsatz“ besser „Weil Sie sich persönlich einsetzen …“.
  • Danksagung etwas weniger förmlich: statt „spreche ich Ihnen … aus“ besser „Ganz herzlichen Dank dafür!“.

Aber das ist wirklich nur Jammern auf hohem Niveau.

Warum der Ausstieg gut ist

Auch die letzten Sätze des Briefes sind getragen von dieser freundlichen, positiven Stimmung. Es ist die reine Wonne:

Ich bin fest davon überzeugt, dass Berlin einen erfolgreichen Wahlsonntag erleben wird. Ich wünsche Ihnen für den Ablauf des heutigen Tages ein gutes Gelingen und zeichne

mit freundlichen Grüßen"

Die reale Person, der Kreiswahlleiter, macht eine persönliche Aussage. Er verbindet die Abschiedszeile mit einem guten Wunsch – Wahlvorstände haben nämlich eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe in den jeweiligen Wahllokalen.

Die kleinen Schräubchen wollen Sie wissen? Es sind nur winzige:

  • Die Verabschiedungsformel ist ein wenig steif geraten. Der Ausdruck „ich zeichne“ wirkt verstaubt – aber irgendwie lässt man das dem Absender nach seinen herzigen Zeilen auch gerne durchgehen.
  • Die moderne Form von „Mit freundlichen Grüßen“ ist „Freundliche Grüße“.

Was bleibt bei dir zurück, nachdem du diesen Brief gelesen hast, frage ich meine bessere Hälfte. Mein Mann überlegt kurz. „Ich fühle Wertschätzung. Und bei der nächsten Wahl melde ich mich wieder als Wahlhelfer.“ Ich würde sagen: Volltreffer, dieser Brief.

Sind Ihnen in letzter Zeit Sprachblüten aufgefallen? Schicken Sie sie gerne an die Autorin! Hier geht es zu Petra van Laaks Kontaktdaten.

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