Dr. Sandra Schmidt, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sowie Polizeidirektorin a.D., über den Schutz von Veranstaltungen, die Kosten dafür und den Einsatz privater Sicherheitsdienste.
Professor Dr. Sandra Schmidt ist Polizeidirektorin a.D. und Professorin für Sicherheitsbehördliches Einsatzmanagement und Führungswissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Als zertifizierter Systemischer Business Coach und Senior Business Coach berät sie zudem unter anderem zu Führungs-, Problemlösungsstrategien und berufsfeldbezogenen Fragen.
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Frau Professor Schmidt, viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie ihre Sicherheitsverantwortlichen dürften sich angesichts der Amoktaten der vergangenen Monate, etwa in Magdeburg, Aschaffenburg, München und Mannheim, fragen, wie sie Besucherinnen und Besucher, zum Beispiel eines Stadtfestes, schützen können. Gibt es grundlegende Vorbereitungs- und Sicherheitsmaßnahmen, die immer ergriffen werden sollten, und wenn ja, welche sind das?
Die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen sind je nach Art, Ort und zu erwartende Frequentierung der Veranstaltung einzelfallspezifisch und sehr individuell. Es wäre meines Erachtens fahrlässig, ein Konzept einer Veranstaltung „von gestern“ auf eine künftige Veranstaltung einfach zu übertragen. Eine unverzichtbare Maßnahme, die grundlegend und bei jeder Veranstaltung zu ergreifen ist, ist die Erarbeitung eines allumfassenden und mit allen beteiligten Stellen, insbesondere mit der Polizei, abgestimmten und damit tragfähigen Sicherheitskonzepts. Dieses muss auf Umsetzbarkeit und auch auf Hemmnisse und Risiken geprüft werden. Ein Sicherheitskonzept, das etwa wegen einer zu geringen Ressourcenausstattung nur halbherzig oder nicht umgesetzt werden kann, ist ebenso viel wert wie kein Sicherheitskonzept. Eines muss den Verantwortlichen klar sein: Veranstaltungsschutz kostet Geld und andere Ressourcen.
Welche Rolle spielen Szenarienkataloge, Übungen, kurze (Kommunikations)Wege und klare Verantwortlichkeiten beim Schutz von Events?
Verantwortliche Stellen im Sicherheitskontext, allen voran die Polizeien, sind seit Jahrzehnten damit vertraut, Szenarien vorzudenken und Konzepte und Maßnahmenkataloge quasi „in der Schublade“ zu haben. Das setzt allerdings voraus, dass die Szenarien, mit denen die Sicherheitsbehörden zukünftig gegebenenfalls konfrontiert sind, sich vordenken lassen, was nur möglich ist, wenn deren Existenz bekannt ist. Übungen, bestenfalls gemeinsame Übungen von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Hilfsbehörden, Katastrophenschutzbehörden usw., sind essenziell für eine abgestimmte, reibungslose Zusammenarbeit im Ernstfall. Diese Form der professionellen Einsatzvorbereitung führt zu taktisch erfolgreichen Einsatzverläufen, oder es offenbaren sich Schwachstellen, die dann zu bearbeiten sind. Nicht nur in diesem Zusammenhang kommt jedoch noch ein anderer Aspekt hinzu.
Welcher denn?
Es muss in den beteiligten Behörden und Institutionen eine gute Fehlerkultur geben – ein Aspekt, auf den ich in meinen Vorträgen vor Führungskräften, in Publikationen und Coachings immer wieder hinweise. Wenn auf Nachfragen seitens der Leitungsebene die Einsatzvorbereitung, selbst wenn sie mangelhaft war, gelobt wird, wenn Mitarbeitende sich nicht trauen, auf Schwachpunkte hinzuweisen oder nicht gehört werden, wenn Übungen schon vorab zu Erfolg „verdammt“ sind, dann ist das das Gegenteil einer guten Fehlerkultur und die Vorstufe zu einem unglücklichen Verlauf eines potenziellen Einsatzes im Schadensfall.
Vorbereitungen wie die in den Fragen zuvor genannten sind aufwändig, mitunter auch kostspielig, wenn zum Beispiel für die geschützte Kommunikation ein System eingekauft werden muss. Angesichts der personellen Ausstattung und knapper öffentlicher Kassen stellt das eine Herausforderung dar. Wie könnten Kommunen und andere öffentliche Veranstalter dem begegnen?
Veranstaltungen kosten Geld, abgesicherte Veranstaltungen kosten viel Geld. Und Veranstalter müssen dieses Geld investieren. Ich bin mir bewusst, dass alle beteiligten Stellen mit immer knapper werdenden Ressourcen auskommen müssen. Hier ist eindeutig die Politik in der Verantwortung, wieder sicherheitspolitische Schwerpunkte zu setzen und die öffentlichen Stellen entsprechend zu finanzieren! Öffentlichen Veranstaltern muss bewusst sein, dass sie bei der Planung einer Großveranstaltung einen erheblichen Anteil des Budgets für die Gewährleistung der Sicherheit einplanen müssen, denn es ist ihre Aufgabe, originär gefahrenabwehrend tätig zu werden. Dass dies nicht ohne die Kenntnisse, Beratung und Unterstützung der Polizei gehen kann, liegt auf der Hand. Es darf allerdings nicht das Mindset von Veranstaltern sein, dass die Polizei verantwortlich ist und „nur“ ihre Präsenz erhöht werden muss, damit die Veranstaltung sicher stattfinden kann.
Veranstaltungen kosten Geld, abgesicherte Veranstaltungen kosten viel Geld. Und Veranstalter müssen dieses Geld investieren.
Was möchten Sie Veranstaltern im Zuge dessen noch mit auf den Weg geben?
Ich habe 20 Jahre in Polizeibehörden und in einem Innenministerium gearbeitet, weitere Jahre im Hochschulkontext und erlebe es auch als Coach: Von Behördenseite ist immer die erste und entscheidende Frage: „Was kostet es am Ende?“. So berechtigt diese Frage zu sein scheint, kann eine Antwort auf diese Frage allein nicht Grundlage einer verantwortungsvollen Führungsentscheidung sein. Die Anschlussfrage muss lauten „Was bringt uns die Investition ein?“. In einer Vielzahl von Fällen relativieren der Vorteil im Rahmen einer Aufwand-Nutzen-Betrachtung und darüber hinaus sogar oft die Möglichkeit der Mitteleinsparung die erste hohe Kostenaussage. Vereinfacht gesagt können möglicherweise kostspielige Aufwendungen, etwa für technische Ausstattung, den Personaleinsatz verringern, was wiederum die Möglichkeit eröffnet, dass dann freigesetztes Personal in anderen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden kann. Das klingt gut nachvollziehbar, scheitert in der Realität allerdings. Solange beispielsweise der für technische Ausstattung verantwortliche Bereich von der Personalkosteneinsparung des für Personal zuständigen Bereichs nicht profitiert, solange Budgets nur auf ein oder zwei Jahre bezogen zur Verfügung gestellt werden, solange wird sich an dieser kontraproduktiven Situation nichts ändern. Es muss in Projekten und Prozessen gedacht, dementsprechend projektbezogene Mittel zur Verfügung gestellt und dabei auch noch fachübergreifend, gegebenenfalls sogar behördenübergreifend, gehandelt werden. Das ist eine enorme Herausforderung an das (ver-)alte(-te) Denken!
Was ist mit der Finanzierung durch Public Private Partnerships?
Wenn die Rollen und Befugnisse und der jeweilige Benefit für eine Kooperation klar definiert sind, dann stellt dies eine gute Möglichkeit dar. Auf dem Gebiet der Kriminalitätskontrolle sind vergleichbare Ansätze schon fortgeschritten. Ich verweise hierzu auf das vielbeachtete Interview von Professor Christian Friedrich Matzdorf anlässlich der Jahrestagung 2024 der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik (DGfK) zum Zusammenwirken von privaten Ermittlern und Ermittlungsbehörden.
Neulich hat sich eine Bürgermeisterin generell zur Sicherheitslage auf Festen ihrer Kommune eine verstärkte Polizeipräsenz gewünscht. Der Einsatz privater Sicherheitsunternehmen, der ja vielerorts zu beobachten ist, sei kein Ersatz. Wie sehen Sie das?
Veranstaltungsschutz ist vorrangig Veranstalterangelegenheit! Die Forderung nach stärkerer Polizeipräsenz ist historisch, die Polizei wird immerwährend damit konfrontiert. Eine stärkere Verantwortungsverlagerung auf die Polizei ist nicht möglich: Zum einen spricht die gesetzliche Aufgabenzuweisung, zum anderen die ebenso defizitäre Ressourcenausstattung dagegen, zudem die Rolle der Polizei im Staat und in der Gesellschaft. Die Polizei ist Garant der inneren Sicherheit mit einem vielschichtigen Aufgabenportfolio und großer Verantwortung. Sie kann und soll nicht „staatliche Security“ für Veranstaltungen jeglicher Art sein. Zudem weise ich noch einmal darauf hin, dass „mehr Polizeipräsenz“ zum einen nicht automatisch mehr Sicherheit verspricht und zum anderen sogar auf Bürgerinnen und Bürger beängstigend wirken kann, wenn damit das Vorhandensein von Gefahr suggeriert wird beziehungsweise der Grund für die Polizeipräsenz in einer potenziellen Gefahrenlage gesehen wird. Aus meiner Sicht wäre es also ein grundsätzlicher Fehler, Veranstalter aus der Pflicht zu entlassen, das gilt für die angesprochenen Feste und ebenso für beispielsweise Hochrisiko-Fußballspiele. Die finanziellen Interessen der Veranstalter zu wahren und die Kosten auf Sicherheitsbehörden zu übertragen, ist unsachgemäß und darüber hinaus gegenüber der Polizei und dem Steuerzahlenden nicht zu vermitteln.
Was sollten Veranstalter stattdessen tun?
Veranstalter können innerhalb eines guten Sicherheitskonzepts und etwa unter Rückgriff auf Public Private Partnerships bei Einsatz von verlässlichen privaten Sicherheitsdiensten zur Gewährleistung von Sicherheit beitragen. Voraussetzungen dafür sind, dass die beauftragten Sicherheitsdienste geprüft und zertifiziert sind, die Mitarbeitenden eine staatlich festgesetzte Mindestqualifikation haben und entsprechend entlohnt werden. Die Sachkundeprüfung gemäß § 34 a Gewerbeordnung allein ist als Qualifikation meines Erachtens nur bedingt geeignet. Insbesondere im mittleren und gehobenen Management sollten Menschen arbeiten, die an Hochschulen entsprechende Abschlüsse erreicht haben, etwa an der Hochschule für Wirtschaft und Recht im Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement den Bachelor im Studiengang Sicherheitsmanagement oder den Master im Studiengang International Security Management.