Der deutsche Staat kauft jedes Jahr Waren und Dienstleistungen im dreistelligen Milliardenbereich ein. Doch bei der öffentlichen Beschaffung spielen Nachhaltigkeitskriterien kaum eine Rolle, zeigt eine Studie.
Von der Büroklammer über das Kantinenessen bis zum Polizeihubschrauber - jedes Jahr beschafft der Staat auf all seinen Ebenen Waren und Dienstleistungen für hohe Summen. Beim Einkauf entscheidet zumeist der Preis. Das selbst gesteckte Ziel der Nachhaltigkeit spielt kaum eine Rolle bei der Vergabe: 2023 wurden auf kommunaler Ebene, die etwa die Hälfte des Einkaufsvolumens ausmacht, nur 13,7 Prozent der Aufträge unter Einschluss von Nachhaltigkeitskriterien vergeben. Tendenz sinkend.
Das zeigt die Studie „Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung“ der Universität der Bundeswehr München im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Die Untersuchung basiert auf mehreren Datenanalysen sowie einem Workshop mit acht Vertreterinnen und Vertretern des kommunalen Einkaufs.
Dreistelliger Milliardenbetrag für den Einkauf
Laut Studie kauft der Staat auf allen Ebenen jedes Jahr für geschätzte 350 bis 550 Milliarden Euro Waren und Dienstleistungen ein. Mit diesem Volumen könnte die öffentliche Hand die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft entscheidend unterstützen. Das tut sie aber nicht. Denn im untersuchten Zeitraum von 2011 bis 2023 wurden von den Kommunalverwaltungen insgesamt nur 17,1 Prozent der Aufträge mit Nachhaltigkeitskriterien vergeben, verdeutlicht die Untersuchung.
Als Grund nennen die Autorin und die Autoren nicht nur die knappen Kassen der öffentlichen Hand. Als Hauptursache machen sie vor allem eine mangelnde Professionalisierung der rund 30.000 Beschaffungsstellen bei Ländern und Kommunen aus. Häufig sei das Personal nicht ausreichend für eine strategische und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Beschaffung ausgebildet. Wenngleich es auch im Feld der rechtlichen Rahmenbedingungen Optimierungspotenzial gebe, so liege das Kernproblem für mehr Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung eindeutig nicht in mangelnden gesetzlichen Möglichkeiten, sondern in der Umsetzung in den Vergabestellen.
Rahmenbedingungen in Verwaltungen verbessern
Was also tun? Die Rahmenbedingungen für die umsetzenden Beschäftigen in den Verwaltungen müssen verbessert werden, fordern die Studienverantwortlichen. Beispielsweise über Aus- und Weiterbildung, klar formulierte Strategien und Zielvorgaben sowie eine motivierende Kommunikation der Führungskräfte.
Auch die Einführung von Routinen und Standards sowie die Zentralisierung durch Bündelung von Kompetenzen auf einer höheren Verwaltungsebene, zum Beispiel im Kreis für mehrere Gemeinden, könnten wirkungsvolle Maßnahmen sein. Damit würde die Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung in Zukunft einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen und der Staat seiner Verantwortung für die Nachhaltigkeitstransformation gerecht werden.
Hamburg und München sind Positiv-Beispiele
Insgesamt beschreibt die Studie 16 Defizite als mögliche Ursachen für den "Intention-Action-Gap". Diese verteilten sich auf insgesamt vier Felder - wobei der Schwerpunkt im Bereich "Management und Strategie" liege. Es gebe aber auch Kommunen, die über recht kompetente Vergabestellen verfügten, heißt es in dem Papier - etwa die Großstädte Hamburg und München.