Manchmal scheint‘s, als warten geheime Kräfte nur auf die raren Erfolgsmeldungen öffentlicher Verwaltungen in der digitalen Welt, um höhere Ziele und neue Herausforderungen zu betonen. So ist im August das Bundesportal in der Beta-Version online gegangen. Rechtzeitig kann die oberste Bundesverwaltung elektronische Rechnungen entgegennehmen und im Workflow der Rechnungsbearbeitung automatisiert verarbeiten. Zahlreiche Vorhaben der Bundesregierung (Verwaltungsarbeitsplatz, Bundescloud, E-Akte) sind auf einem guten Pfad und werden bald ihre Wirkungen in der öffentlichen Verwaltung entfalten. Und doch: Das Onlinezugangsgesetz fordert die Digitalisierung aller Verwaltungsverfahren, die DSGVO gilt auch für die Verwaltung und Gefahren der Cyber-Kriminalität muss überall energisch begegnet werden.
Die Verwaltung muss ganzheitlich und zeitnah auf Veränderungen reagieren
Fragt man Entscheider in den Verwaltungen (siehe Branchenkompass Public Services 2018, Sopra Steria und FAZ-Institut), so haben diese eine ganz andere Herausforderung erkannt, die in der von Blockchain und Künstlicher Intelligenz getriebenen Hyperaktivität untergehen kann: Alle genannten Projekte sind nicht nur Technik, sondern auch Organisation. Es ist nicht damit getan, die Oberfläche zu digitalisieren und dabei das Backoffice zu vernachlässigen. Jedes neue elektronische Verfahren verursacht Änderungen an Arbeitsplätzen und eingespielten Prozessen.
Das gilt sowohl für die Kunden (Antragsteller, Unternehmer), die sich an die öffentliche Verwaltung anpassen, als auch für die Mitarbeiter in Bund, Ländern und Kommunen. Bei einem Durchschnittsalter von über 50 Jahren gehören diese Beschäftigten mehrheitlich nicht zu den Digital
Natives. Umso wichtiger werden begleitende Organisations- und Weiterbildungsprojekte. Diese sollen zeitnah das Notwendige definieren und umsetzen. Hier liegt die Betonung auf zeitnah. Eine hohe Geschwindigkeit in den IT-Projekten ist auch zur Vermeidung von Doppelarbeiten und Blindleistung bedeutsam. Das Beispiel der Gesundheitskarte, die mit 20 Jahre alter Technologie nun flächendeckend eingesetzt wird, sollte warnen. Auf diese „Innovation“ hat keiner gewartet. Die technische Entwicklung hat das Projekt überholt. Die Kunden haben während der Entwicklungszeit mehrfach die Technologie erneuert.
Aber: Wer’s eilig hat, muss langsam gehen. Für die zahlreichen IT-Projekte in der öffentlichen Verwaltung bedeutet dies:
- Wer Erfolge haben will, muss sorgfältig und ganzheitlich realisieren – also durchdachte End-to-End-Prozesse für Verwaltung und Bürger, – aber auch die Begrenzung auf das Machbare beachten.
- Kooperationen von Verwaltungsebenen sollten genutzt werden, um die anstehenden Mammutaufgaben zu bewältigen. Arbeitsteilung schafft Freiräume.
- Von der Idee bis zur Realisierung dürfen nicht mehr als vier Jahre vergehen, um nicht beim Go-live technisch und organisatorisch veraltet zu sein.
- Alle Projekte müssen nutzenorientiert sein. Gegenüber den analogen Verfahren müssen Vorteile entstehen.
- Ohne begleitende Weiterbildung der Verwaltungsmitarbeiter, ohne frühzeitige Einbindung der Personalvertretungen geht nichts in der öffentlichen Verwaltung.
Der Beitrag ist erschienen in der innovativen Verwaltung 12/2018.