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2025 | Buch

Verwaltungsreformen

Problemorientierte Einführung in die Verwaltungswissenschaft

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Über dieses Buch

Multiple, sich überlagernde Phänomene wie geoökonomische und -politische Wirkungszusammenhänge oder Krisen haben die Ziele und Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung zum Teil grundlegend verändert. Vor diesem Hintergrund gibt das Lehrbuch einen aktuellen Überblick über zentrale Verwaltungsreformen und neue Reformleitbilder wie die Bürgerkommune, die Digitalisierung der Verwaltung oder den Abbau von Vetopositionen in Deutschland. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Frage, warum vielversprechende Verwaltungsreformen wie New Public Management, Doppik oder Bürgerhaushalte in nicht wenigen Kommunen scheitern und was angesichts dieser Umsetzungsprobleme positiv verändert werden kann. Als wesentliches Rüstzeug für ein erfolgreiches Studium werden den Studierenden anhand von Beispielen aus der Reformpraxis die zentralen Argumentationsschritte der empirischen Verwaltungswissenschaft vermittelt. Für die 2. Auflage wurde das Buch grundlegend überarbeitet und aktualisiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Die Verwaltung wird von gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen und Transformationsprozessen überholt. Verwaltung und Demokratie stehen vor der größten Herausforderung der Nachkriegszeit. Multiple, sich überlagernde Phänomene wie Ressourcenengpässe, geoökonomische und -politische Wirkungszusammenhänge (Lieferkettenprobleme, Kriege oder Migration) und Krisen (Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2007/08 oder COVID-19 2020) nehmen an Zahl und Tragweite zu. Die Erbringung öffentlicher Leistungen und die an sie gestellten Erwartungen werden anspruchsvoller und komplexer. Probleme in Bereichen wie Klimawandel und -anpassung, Infrastruktur, Energiewende, Integration oder (Verwaltungs-)Digitalisierung bzw. digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung und Cybersicherheit sind weitgehend ungelöst. Die Herausforderungen des demografischen Wandels sind groß (Stabilität der Alterssicherungssysteme, Fachkräftemangel in Verwaltung und Privatwirtschaft, steigender Bedarf an Betreuungs-, Pflege-, aber auch Bildungsleistungen, Infrastrukturanpassungen etc.). Die geburtenstarken Jahrgänge („Babyboomer“) erreichen das Rentenalter. All dies erfordert staatliche Handlungsfähigkeit.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
2. Neue Politische Ökonomie
Zusammenfassung
Die Neue Politische Ökonomie (NPÖ) verfolgt das Ziel, politische Prozesse vor allem mithilfe wirtschaftswissenschaftlicher Methoden und Modellen zu verstehen und zu erklären. In finanzwissenschaftlichen Lehrbüchern ist sie die dominierende Perspektive auf Politik und Verwaltung (Blankart, 2006). Auch in der Politikwissenschaft hat sie sich als zentrale theoretische Perspektive fest etabliert (Dehling & Schubert, 2011; Holzinger, 2009). Die NPÖ besticht durch ihre theoretische Stringenz und Prognosefähigkeit, weist aber zumindest in ihren frühen Ansätzen nur begrenzte empirische Bezüge auf. Übertragen wurden diese ökonomischen Ansätze zunächst in der anglo-amerikanischen Politikwissenschaft. Ihr ging es um die Beschreibung von Akteurskonstellationen in meist stark institutionalisierten Kontexten, nicht um die normative Beurteilung von Akteurshandeln und -zielen (Schaal & Kaufmann, 2016, S. 227). Zur Hypothesenbildung kann aus institutionellen Anreizen – zumindest, wenn es für die Akteure in Hochkostensituationen wirklich um etwas geht (Marx & Tiefensee, 2015, S. 520) – auf das Verhalten der Akteure geschlossen werden, während der für die NPÖ maßgebliche Rational-Choice-Ansatz in einer weniger institutionalisierten Umwelt an Erklärungskraft verliert. Wesentlich für die empirische Sozialwissenschaft ist jedoch, dass diese Hypothesen empirisch überprüft werden müssen, da von theoretisch abgeleiteten Einstellungen nicht auf eine tatsächliche „kausale Wirksamkeit“ (Marx & Tiefensee, 2015, S. 522) geschlossen werden sollte.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
3. Erklärungsansätze der Staatstätigkeitsforschung
Zusammenfassung
Die vergleichende Staatstätigkeitsforschung hat sich seit den 1980er-Jahren in Deutschland zu einer der wesentlichen Subdisziplinen der Politikwissenschaft entwickelt und gehört zum wissenschaftlich produktivsten Zweig der Politikfeldanalyse. Im Kern geht es hierbei um die Erklärung von Politikergebnissen. Als quantitativ ausgerichtete Subdisziplin bezieht sie sich bei der abhängigen (zu erklärenden) Variable häufig auf für Vergleiche gut verfügbare Haushaltsdaten. Wovon hängen beispielsweise die Sozialausgaben oder die Schulden im internationalen Vergleich ab? Variiert der Schuldenstand bei unterschiedlicher parteipolitischer Zusammensetzung der Regierungen? Das sind für diese Subdisziplin typische Fragestellungen.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
4. Theorien und Analyseschritte der empirischen Verwaltungswissenschaft
Zusammenfassung
In den vorangegangenen Kapiteln wurden Theorien, Heuristiken und Ergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen vor allem zur Haushaltspolitik vorgestellt, auch weil zu erwarten ist, dass die bereits seit den 1990er-Jahren häufig auf Haushaltskonsolidierung ausgerichteten Verwaltungsreformen in Deutschland aufgrund der steigenden Verschuldung in und nach der COVID-19-Krise und in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zukünftig wieder stärker auf Haushaltskonsolidierung ausgerichtet sein werden (siehe hierzu ausführlicher Kap. 8). Im Folgenden werden diese Ansätze zusammengeführt und stärker auf die problemorientierte, empirische Analyse von Verwaltungsreformen fokussiert.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
5. New Public Management
Zusammenfassung
Die New-Public-Management-Bewegung, die in einigen angelsächsischen Ländern bereits in den 1980er-Jahren Eingang in die Regierungspolitik gefunden hatte, gewann in Deutschland erst in den 1990er-Jahren im Zuge von Haushaltskrisen und Kosten der deutschen Einheit an Bedeutung. Das Neue Steuerungsmodell (NSM) verbreitete sich innerhalb weniger Jahre wie ein Buschfeuer in den Städten und spätestens Ende der 1990er-Jahre zunehmend auch in den Landesverwaltungen. Aufgrund seiner quantitativen Relevanz wird das NSM häufig als die bedeutendste Verwaltungsreform der letzten Jahrzehnte in Deutschland eingeordnet.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
6. Das Reformleitbild der Bürgerkommune zwischen Steuerung und Governance
Zusammenfassung
Im neuen Jahrtausend entdeckte die politikwissenschaftliche Verwaltungsforschung „Public Governance“ als neues Leitbild der Verwaltung (Bogumil & Jann, 2009, S. 50). Es wird als das neue „Zauberwort der Verwaltungsreform“ (Nullmeier, 2007, S. 15) und legitimer Nachfolger des New Public Managements präsentiert. Mit diesem Reformleitbild werde nun vor allem eine stärkere Partizipation des Bürgers angestrebt (Janning, 2006, S. 91). Bei diesem engen Governance-Begriff ist im Gegensatz zum weiten Begriff, der als analytische Perspektive das Zusammenspiel von Hierarchie, Verhandlung, Mehrheitsentscheidungen und Wettbewerb interpretiert (Benz, 2006; Holtkamp et al., 2006), der wissenschaftliche Nutzen fragwürdig. Governance ist häufig nur ein anderes Wort für intensive dialogorientierte Bürgerbeteiligung, Netzwerke und Verhandlungssysteme und ist immer noch geprägt von einer „Netzwerkeuphorie“ (Schlee, 2019, S. 784), die gerade auch in der Politikwissenschaft lanciert wurde (vgl. kritisch Straßheim, 2013, S. 135). Dieser Ansatz teilt die Kritik hierarchischer Steuerung in der Verwaltung, obwohl sie mit dem Neuen Steuerungsmodell durchaus beachtliche Leistungen für die Haushaltskonsolidierung erbracht hat. Die Hierarchie soll aber nicht durch wirtschaftliche Anreize, sondern vornehmlich durch Beteiligung und Verhandlungssysteme ersetzt bzw. ergänzt werden. Damit werden indirekt allerdings staatliche Institutionen und gewählte Repräsentanten relativiert (Leendertz, 2022a, S. 420), wenn nicht delegitimiert.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
7. Verwaltungsdigitalisierung – Stillstand beschleunigen?!
Zusammenfassung
Nahezu jede Bürgerin und jeder Bürger hat mindestens einmal im Kalenderjahr mit einer Behörde zu tun, sei es, um Elterngeld zu beantragen, die Einkommensteuererklärung abzugeben, den Abfallgebührenbescheid oder die Kundenquittung vom Wertstoffhof zu erhalten oder sich umzumelden. Behörden, Anstalten des öffentlichen Rechts, Institute oder Ämter wirken mit ihren Aktenordnern und Archiven, Faxgeräten und Postwegen oder der Notwendigkeit, persönlich vorzusprechen wie aus der Zeit gefallen. Die Verwaltung tut sich schwer mit dem digitalen Wandel – mal aus Mangel an IT-Infrastruktur, mal aus Mangel an Pragmatismus.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
8. Der inkrementelle Abbau von Vetopositionen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden nach einer Einführung die Probleme der zunehmenden Vetopositionen in den Kommunen näher beschrieben, die in der Politikwissenschaft bis dato teilweise bagatellisiert oder gänzlich ausgeblendet werden. In einem zweiten Schritt werden exemplarisch Initiativen analysiert, die Vetopositionen mal mehr mal weniger inkrementell abbauen können (Umgehung der Schuldenbremse, direktdemokratische Vetopositionen, Verfahrensbeschleunigung in Erneuerbare-Energien-Projekten). Zuletzt werden Rekommunalisierungsinitiativen betrachtet, die über inkrementelle Veränderungen hinausgehen und im Gegensatz zu den anderen Vetopositionen auf kommunaler Ebene beschlossen werden können.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
9. Ergebnisse und Perspektiven der Reformanalyse
Zusammenfassung
Das vorliegende Lehrbuch wurde als problemorientierte Einführung in die Verwaltungsreformwissenschaft konzipiert, um die Grundschritte der empirischen Verwaltungswissenschaft – Beschreibung und Erklärung (sowie Bewertung und Empfehlung im Falle von Politikberatung) – am Beispiel von effizienz- und effektivitätsorientierten Reformen unter Anwendung von sozialwissenschaftlichen Theorien und Heuristiken einzuüben. Die Fülle der vorgestellten effizienzorientierten Verwaltungsreformen zeigt, dass hier seit den 1990er-Jahren bis in die 2010er-Jahre hinein unangefochten der Schwerpunkt der deutschen Verwaltungspraxis lag, während sich keine verwaltungswissenschaftliche Teildisziplin für die empirische Erforschung dieses Untersuchungsgegenstandes zuständig erklärte.
Lars Holtkamp, Benjamin Garske
Backmatter
Metadaten
Titel
Verwaltungsreformen
verfasst von
Lars Holtkamp
Benjamin Garske
Copyright-Jahr
2025
Electronic ISBN
978-3-658-46641-1
Print ISBN
978-3-658-46640-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-46641-1

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