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2004 | Buch

Vom traditionellen China zum modernen Taiwan

Die Entwicklung funktionaler Differenzierung am Beispiel des politischen Systems und des Religionssystems

verfasst von: Chih-Chieh Tang

Verlag: Deutscher Universitätsverlag

Buchreihe : DUV: Sozialwissenschaft

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Fragestellung: Ein anderer Weg zur funktionalen Differenzierung
Zusammenfassung
Die Behauptung, wir lebten in der „Postmoderne“, scheint zu implizieren, dass man schon endgültige Schlüsse über die moderne Gesellschaft ziehen könne. Zu sehen ist aber, dass die Gesellschaft — die Befassung mit ihr als Forschungsgegenstand hat die Soziologie begründet - gerade in der postmodernen Theorie aus dem Blick geraten ist,1 sofern es große Erzählungen nicht mehr gibt und das Zentrum verschwunden ist, seitdem man die Pluralität befürwortet und nach der Hervorhebung von Differenzen gestrebt hat. Noch schlimmer: Verschwunden ist diesem Blick nicht nur die Gesellschaft, sondern den Soziologen auch die Absicht, die Moderne zu verstehen, als ob die nicht mehr plausiblen großen Erzählungen wie z. B. Vernunft und Aufklärung schon die Eigenschaften der Moderne erschöpft hätten. Folglich definiert man einerseits die Gesellschaft immer noch in gewohnter Weise nach den territorialen Grenzen und betrachtet sie als Verbund von Menschen (und ihren Beziehungen).2 Andererseits ist man damit zufrieden, die Moderne (und die Postmoderne) in der Zeitdimension und nur mit Hilfe des Unterschiedes von der Vergangenheit (Tradition/Moderne, Moderne/Post-moderne) negativ als „nicht etwas“ zu identifizieren.3 In einem solchen akademischen Milieu wird der Versuch, die Einheit der (post-)modernen Gesellschaft zu begreifen, oft als Sisyphusarbeit angesehen oder sogar als konservativ abgestempelt. Obwohl die Gesellschaft — im Hinblick darauf, dass ihre Grenze in der Unterscheidung Kommunikation/Nichtkommunikation liegt — schon in die Phase der Weltgesellschaft evoluiert ist,4 und die funktionale Differenzierung die global vorherrschende Form der Systemdifferenzierung geworden ist,5 kann es immer noch kein hinreichendes Verständnis und keine hinreichende Reflexion über diese Wirklichkeit geben. Diese Arbeit zielt darauf ab, eben diese Wirklichkeit der funktional differenzierten Weltgesellschaft zu untersuchen.
Chih-Chieh Tang
2. Die traditionelle chinesische Gesellschaft und die Besonderheiten der gesellschaftlichen Entwicklung Taiwans
Zusammenfassung
Um das Verständnis der Eigendynamik der gesellschaftlichen Entwicklung im traditionellen China und im heutigen Taiwan zu vermitteln, wird in diesem Kapitel eine zusammenfassende Retrospektive der traditionellen chinesischen Gesellschaft dargeboten. Mit Hilfe des systemtheoretischen Ansatzes wird versucht, den Strukturwandel der traditionellen chinesischen Gesellschaft aus einer Makroperspektive auf der Ebene des Gesellschaftssystems zu begreifen, um das originäre chinesische Entwicklungsmuster und die Abweichungen der gesellschaftlichen Entwicklung auf Taiwan davon zu erklären.
Chih-Chieh Tang
3. Der Staat, die Macht, die Demokratie und die nationale Identität
Zusammenfassung
Die Fragen, wie man in China traditionell die wichtigen politischen Begriffe wie Politik, Macht, Staat und Nation verstanden hat, wie die Aus- und Innendifferenzierung des politischen Systems in den gesellschaftlichen Entwicklungen Chinas und Taiwans verlaufen sind und welche Einflüsse jenes Verständnis und diese Differenzierungsprozesse auf die Demokratisierung in Taiwan hatte, die zur umfassenden Tendenz der weiteren Entwicklung einer funktionalen Differenzierung gehörte, bilden den Fokus unserer Überlegungen in diesem Kapitel.
Chih-Chieh Tang
4. Die Humanisierung, die Segmentierung, die Säkularisierung und die religiöse Unordnung
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird erörtert, wie das Religionssystem in den gesellschaftlichen Entwicklungen Chinas und Taiwans ausdifferenziert und allmählich funktional autonom wurde. Im Vergleich mit dem Westen ist die Religion der Bereich, der sowohl den markantesten Unterschied zwischen China und Taiwan einerseits und dem Westen andererseits darstellt als auch am leichtesten missverstanden wird. Einerseits ergibt sich das Missverständnis daraus, dass das frühe Bild des Westens von der chinesischen Religion sehr von den Beschreibungen der christlichen Missionare abhing. Als sie über die chinesische Religion schrieben oder die chinesischen Texte übersetzten, drängten sie der chinesischen Religion oft ihr eigenes theologisches System oder ihre eigenen Beobachtungsschemata auf, was zu Verzerrungen führte.1 Das noch fundamentalere Problem lag darin, dass die westlichen Beobachter oft daran gewöhnt waren, von den westlichen Erfahrungen mit der institutionellen Religion auszugehen und den „Konfuzianismus“ als ein demjenigen des Christentums gleichzusetzendes Normensystem zu verstehen, ihm religiöse Bedeutungen zuzuschreiben und ihm ferner die in ihrer Sicht sich wie im Zustand der Anonymität befindenden chinesischen volkstümlichen religiösen Praxen zuzuordnen. Sie vernachlässigten, dass in China nur „Professionelle“ wie Mönche und Taoisten eine klare Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe hatten. Von einer „Religion“ im westlichen Sinne kann beim Konfuzianismus selbst keine Rede sein.2 Andererseits taucht u. U. auch das von Said kritisierte Phänomen des Orientalismus auf, wenn die Chinesen die Beobachtungsschemata aus dem als fortgeschritten angesehenen Westen lernten. Viele chinesische Forscher kannten die eigene Geschichte aus der Perspektive der westlichen Vorstellungen und der westlichen Kriterien von Religion oder sogar gemäß der durch westliche Autoren versuchten Konstruktion der historischen Wirklichkeit Chinas.
Chih-Chieh Tang
5. Autonomie/Heteronomie: Das Schema der Selbstthematisierung der funktionalen Differenzierung
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten war die „Transformation“nicht nur ein sehr gefragtes Thema und ein Modebegriff in akademischen Kreisen, sondern wurde durch die Verbreitung der Massenmedien auch zu einem alltäglichen, populären Ausdruck. In der Atmosphäre der von Samuel P. Huntington so genannten „Dritten Welle“1 der Demokratisierung und des Zusammenbruchs der ehemaligen Sowjetunion und der osteuropäischen kommunistischen Regimes holten auch die akademischen Kreise und die Massenmedien in Taiwan diese Mode nach, die gesellschaftliche Entwicklung Taiwans nach dem Zweiten Weltkrieg gemäß dem Schema der „Transformation” vom Autoritarismus zur Demokratie zu beobachten und zu beschreiben. Wenn wir unseren Blick ein wenig zurück in die Vergangenheit gehen lassen, so dürfte die ehedem vorherrschende Modernisierungstheorie auch als eine Art Diskurs der Transformation angesehen werden. Der Unterschied liegt nur darin, dass es bei der letztgenannten Theorie um die Transformation von der traditionellen zur modernen Gesellschaft geht. Man hat aber die Zeit nicht einfach nutzlos vertan. Das in der Modernisierungstheorie implizit vorausgesetzte Modell einer unilinearen Entwicklung und ihre These der Konvergenz wurde längst durch die weitere Reflexion aufgehoben. Nachdem sich der Anspruch der Postmoderne immer stärker behaupten konnte, geht man jetzt zumindest davon aus, dass es multiple Modernitäten, wenn nicht „die“Moderne, gegeben habe.2 Oder man betrachtet die Moderne nur als eine Bezeichnung der Prozesse des gesellschaftlichen Wandels selbst und nicht mehr als ein zu erreichendes Ziel des gesellschaftlichen Wandels mit einer Bestimmung der konkreten Inhalte.3 Gerade in dieser Strömung bemühen die Erforscher der Regimetransformation sich oft darum, das Gewicht der historischen Zufälle und die Pfadabhängigkeit hervorzuheben, und benutzen den Rational-Choice-Ansatz, um die Transformation als aus zahlreichen Spielen der Interaktionen bestehende, von Unbestimmtheit erfüllte Prozesse zu betrachten.4
Chih-Chieh Tang
Backmatter
Metadaten
Titel
Vom traditionellen China zum modernen Taiwan
verfasst von
Chih-Chieh Tang
Copyright-Jahr
2004
Verlag
Deutscher Universitätsverlag
Electronic ISBN
978-3-322-81311-4
Print ISBN
978-3-8244-4543-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-81311-4