2012 | OriginalPaper | Buchkapitel
Von der mittelalterlichen Armenfürsorge zur sozialen Dienstleistung: Ausdifferenzierung und Integration
verfasst von : Ernst-Ulrich Huster
Erschienen in: Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Die kommunale Armenfürsorge ist dem zentralen Sozialstaat geschichtlich und systematisch vorgelagert, zugleich tritt sie immer wieder dort in den Vordergrund, wo zentrale Sicherungssysteme in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Dieses zeigte sich nicht nur nach den beiden Weltkriegen, sondern als Folge der Massenarbeitslosigkeit auch während der Weltwirtschaftskrise und verstärkt seit Mitte der 1970er Jahre. Die
Fürsorge
unterliegt einer widersprüchlichen Legitimation: Sie soll das bestehende System abhängiger Erwerbsarbeit teils mehr erzieherisch, teils unter Sanktionsandrohung mehr disziplinierend als vorherrschenden Rahmen der
Subsistenzsicherung
stabilisieren, so auch durch den Abstand der gewährten Leistungen von den Markteinkommen unterer Lohngruppen (
Lohnabstandsgebot
). Zugleich steht sie seit ihren Anfängen in der
christlichen Armenfürsorge
immer unter dem Gebot der Bewahrung von Menschenwürde, indem sie vorleistungsfrei einen existenzminimalen Lebensstandard absichern soll. Parallel zur Entwicklung und institutionellen Ausfächerung der Arbeiterpolitik seit Mitte des 19. Jahrhunderts kommt es auch zu einer arbeitsteiligen Ausdifferenzierung der die vormalige Armenfürsorge zunehmend ersetzenden sozialen Dienstleistung.