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2022 | Buch

Wald in der Vielfalt möglicher Perspektiven

Von der Pluralität lebensweltlicher Bezüge und wissenschaftlicher Thematisierungen

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Über dieses Buch

An Wälder herangetragene Funktionen werden in einer sich weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft immer komplexer und führen in der Folge häufig auch zu zunehmend dichotomisierenden und gewaltsamen Konflikten um Wald bzw. waldbezogene Maßnahmen. Beispielsweise sind die physischen Grundlagen zentraler Bestandteil bei der Deckung bestehender Bedarfe nachwachsender Rohstoffe sowie Arbeitsplatz und Existenzgrundlage für mehr als eine Million Menschen im Cluster Forst und Holz in Deutschland. Ökologisch sind sie von zentraler Bedeutung als CO2- und Wasserspeicher, das Ökosystem Wald ist bedeutender Klimafaktor, sozial als Topos der Naherholung, symbolischer Einschreibungen, therapeutischer Maßnahmen, Kulisse für Fitness oder Freizeit und vieles mehr.
Bestehende waldbezogene Literatur fokussiert – häufig dem Umstand der Spezialisierung geschuldet – vielfach jeweils nur einen der genannten Bereiche und Aspekte, in deren Kontext weitere ergänzende Aspekte zu Wald in den Hintergrund rücken. Der vorliegende Band versteht sich als Versuch, diese Fokussierungen zu überwinden und multiperspektivische Sichtweisen zu Wald zusammenzutragen, um auf die Vielfalt der möglichen Perspektiven und thematischen Aspekte zu Wald zu verweisen und einer Verhärtung von Fronten entgegenzuwirken.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Wald in der Vielfalt möglicher Perspektiven – ein Überblick
Zusammenfassung
Wälder waren und sind bis heute polyvalente Räume; deren Bedeutungsspektrum reicht von symbolischen Zuweisungen als einer ‚heiligen Stätte‘ oder spiritueller Kraftorte, als zentraler Ort der Rohstoffgewinnung, wichtiger CO2- und Wasserspeicher, über Räume der Machtdemonstration und Herrschaftsausübung, zur Kulissenfunktion oder Naherholung u. v. m. Entsprechend vielfältig sind auch die Konfliktfelder, die sich im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen in und um Wälder ergeben, wobei sich vielfach auch die Positionen und Fronten der beteiligten Akteure zunehmend verhärten, anstelle nach produktiven Regelungen zu fragen. Der vorliegende Sammelband legt Wege einer Überwindung von Konfliktlinien nahe und zielt daher auf eine (wieder) Bewusstwerdung von Wald in seiner Vielfalt möglicher Perspektiven, die in einem einführenden Beitrag kurz vorgestellt werden.
Corinna Jenal, Karsten Berr

Historische Hintergründe und theoretische Rahmungen

Frontmatter
Von wilden Wäldern und der Liebe zur Linde: Waldgeschichten zwischen Realität und Mythos
Zusammenfassung
Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist von Wald bedeckt. Immer schon spiegelten sich auch hier gesellschaftliche Konflikte um Machtrepräsentation und materielle Ressourcen. Gilt der Wald seinen Eigentümern und der Forstwissenschaft in erster Linie als Betriebsfläche und Einkommensquelle, wird er seit der Romantik auch von seinen gelegentlichen Besuchern und Freunden als Ort für große Emotionen und Innerlichkeit erlebt: Das neue Gefühl der Waldeinsamkeit wurde von Malern und Poeten als Gegenpol zu den hässlichen Seiten der industriell-urbanen Moderne erlebt und inszeniert. Als Projektionsfläche ist der Wald seit dem 19. Jahrhundert mit Erwartungen wie Erholung, Heilung, Klärung verbunden. Wo seine immaterielle Ressourcen immer mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit bekommen, wird der Wald zum Aushandlungsort unterschiedlicher Akteure. Als Teil der nationalen Identität wird das Bild vom anti-urbanen, naturnahen Waldmythos in Deutschland vom erwachenden Nationalbewusstsein um 1800 bis zur ideologischen Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten populär. Der Wald und die Gefühle – eine kritisch betrachtete Gemengelage, neuerdings medial durch die Berichterstattung über Rodungen und die Bestseller von Peter Wohlleben befeuert.
Viktoria Urmersbach
Die Integration von Wald in der Konstruktion von Landschaft – theoretische Überlegungen und empirische Befunde aus dem Saarland
Zusammenfassung
Wald hat in Deutschland eine große Bedeutung, nicht allein infolge seiner großen Flächenbedeckung, sondern auch infolge seiner symbolischen Bedeutung und einer hohen Bedeutung in der sozialen Konstruktion von Landschaft. Diese Bedeutung ist jedoch nicht stabil, sondern unterliegt zeitlichen und räumlichen Variabilitäten, wie anhand zweier Studien aus dem Saarland (einmal im Vergleich zu Nicht-Saarländer~innen) gezeigt wird. Abnehmende positive Konnotationen zu Wald können dabei Waldumbauprozesse im Kontext des Klimawandels wie auch Aufforstungsmaßnahmen vor Herausforderungen stellen, was aber noch einer vertieften Untersuchung zu unterziehen ist.
Olaf Kühne
Wald-Ästhetiken. Empirische Ergebnisse im Licht theoretischer Reflexionen über Natur und Landschaft
Zusammenfassung
Der Wald – insbesondere im deutschsprachigen Raum – ist bekanntlich seit der Romantik emotional, symbolisch und kulturell hoch aufgeladen. Ästhetische Zugänge spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Allerdings ist das Ästhetische in Wald-Ästhetiken nicht voraussetzungslos an eine unvermittelte Anschauung oder Wahrnehmung gebunden, sondern Produkt vielfältiger Vermittlungsprozeduren. Es ist daher wissenschaftlich aufschlussreich, einige dieser Voraussetzungen, die für Genese wie Ausgestaltung von Wald-Ästhetiken typisch und wirkmächtig sind sowie in der Forschung bereits thematisiert wurden, theoretisch zu reflektieren und mit den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung abzugleichen. Dabei zeigt sich exemplarisch der Niederschlag des Theoretischen in individuellen Wald-Ästhetiken.
Karsten Berr, Corinna Jenal
Urwälder und die Idee der Ursprünglichkeit
Zusammenfassung
Gibt es Urwald in Mitteleuropa? Diese Frage wird vor allem bezogen auf Nationalparks divergent diskutiert. Die Vielschichtigkeit von ‚Urwald‘ im gesellschaftlichen Diskurs wird verständlich, wenn darin enthaltene grundlegend verschiedene Vorstellungen und Argumentationslinien systematisch rekonstruiert werden. Einerseits semantisch-philosophische Erklärungen zur Idee der Ursprünglichkeit, andererseits die Differenzierung von Raumauffassungen des Kulturphilosophen Cassirer dienen in diesem Beitrag dafür als aufschlussreiche Grundlage. Mit ‚Urwald‘ in Mitteleuropa werden vielerlei Bedeutungen verbunden, von denen innerhalb einer Argumentation mitunter mehrere herausschimmern. Zwei Perspektiven werden gegenübergestellt: die ‚letzten Urwaldreste‘ und als Gegenentwurf der ‚Urwald von morgen‘. Dazwischen zeigen einige Bemerkungen zu problematischen ideologischen Kontexten sowie zu planerischen Konflikten und fachlichen Zweifeln Zusammenhänge, die Anlass für die Suche einer neue Perspektive auf ‚Urwald‘ im aktuellen Diskurs sein können.
Gisela Kangler

Sozio-ökologische Kontexte

Frontmatter
Wald und Nachhaltigkeit aus der Sicht eines Forstpraktikers
Zusammenfassung
Nachhaltigkeit ist ein komplexer Begriff, der oft missverstanden wird. Häufig ist zum Beispiel zu beobachten, dass behauptet wird, es handele sich bei der nachhaltigen Nutzung einer nachwachsenden Ressource um eine Vorgehensweise, die rein naturwissenschaftlich beschrieben werden kann. Dabei wird bei der Lektüre der Sylvicultura Oeconomica, in der Hans Carl von Carlowitz als erster im Jahr 1713 eine nachhaltende Forstwirtschaft gefordert und definiert hat, deutlich, dass schon von Carlowitz das Dreieck der Nachhaltigkeit im Sinn hatte: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Daher ist die oftmals zu lesende Definition einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung (Nachhaltigkeit bedeutet im Wald, dass die Förster*innen nur so viel Holz nutzen, wie nachwächst) eine unzulässige Verkürzung. In Deutschland ist es nun schon seit Jahrhunderten üblich, dass jede Generation erneut darüber verhandelt, welche Leistungen und Wirkungen des Waldes ihr am wichtigsten sind. Die Intensität der Diskussion hat infolge der letzten Dürrejahre und der Corona-Pandemie erneut zugenommen. Es zeichnet sich ab, dass Klimaschutz, Erosionsschutz, Schutz der Biodiversität und auch die Erholungsleistungen des Waldes ein stärkeres Gewicht bekommen.
Claus-Andreas Lessander
Wälder im Klimawandel – Neues Klima erfordert neue Baumarten
Zusammenfassung
Der Klimawandel setzt unsere Wälder zunehmend unter einen starken Anpassungsdruck. Anhand von Szenarien und Modellen macht man sich eine Vorstellung von der Veränderung wichtiger klimatischer Einflussgrößen auf Gedeihen und Wachstum der Wälder. Indem man die zeitliche Veränderung des Klimas aus dem virtuellen Klimaraum in den geografischen Raum überträgt, werden Regionen identifiziert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit heute schon Klimaeigenschaften aufweisen, die bei uns erst in der Zukunft verwirklicht sein werden. Die Auswirkungen des Klimawandels werden so der Erfahrung zugänglich gemacht und Wege zur Lösung des Problems aufgedeckt. Diese Verbreiterung der Erfahrungsbasis ermöglicht eine Neubewertung der Baumarten und den Schritt zum klimagerechten Waldumbau, bei dem die künftig anfälligen Baumarten durch weniger anfällige alternative Baumarten ergänzt und ersetzt werden. Durch den rasch voranschreitenden Klimawandel ist die Forstwirtschaft in besonderem Maß herausgefordert.
Christian Kölling, Tobias Mette
Neophyten im Wald – Das Fallbeispiel der Gewöhnlichen Douglasie
Zusammenfassung
Dieser Beitrag widmet sich dem Invasiven-Arten-Konzept in seiner Anwendung auf Bäume, insb. wirtschaftlich genutzter Bäume am Beispiel der gewöhnlichen Douglasie, die eine der für die deutsche Forstwirtschaft wichtigsten Arten ist. Das für die Humangeografie Relevante an dieser Entwicklung ist, dass das Kriterium der ökologischen ‚Natürlichkeit‘ vollkommen verschwindet und es zu einer bewussten Anwendung einer hybriden Ökologie im Naturschutz kommt. Der daraus entstehende Aushandlungsprozess ist dabei emblematisch für zeitgenössische Konflikte über physische Räume und deren Deutung, da dieser Konflikt zum einen mit zunehmender Härte geführt wird, zum anderen sich in immer neue gesellschaftliche Teilbereiche ausbreitet und darüber hinaus von der bewussten Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Einführung eigener Begrifflichkeiten und der Förderung bestimmter Assoziation begleitet ist. Ebenso zeigt dieser Beitrag, dass Argumentation um das Für und Wider der Douglasie als invasive Art von gegenseitigem Unverständnis begleitet wird, das symptomatisch für Postmodernisierungsprozesse ist und langfristig ungewisse Folgen für gesellschaftliche Prozesse haben kann.
Michael Wollrath
Wald und Boden
Zusammenfassung
Böden übernehmen herausragende Funktionen innerhalb eines Waldökosystems und stehen mit diesem in intensiven Wechselbeziehungen. Sie bilden nicht nur den Wurzelraum der Bäume und stellen ihre Wasser- und Nährstoffversorgung sicher, sondern bieten zahlreichen Organismen einen Lebensraum, filtern Schadstoffe und dienen als bedeutende Kohlenstoffsenke. Gleichzeitig beeinflusst die Waldvegetation entscheidend die Bodenentwicklung. Waldböden unterscheiden sich in vielfältiger Weise von landwirtschaftlich genutzten Böden, sei es durch die dichte Vegetationsbedeckung und die damit verbundene organische Streuschicht, die tiefe Durchwurzelung oder die zumeist langjährige, geschützte Entwicklung unter gleichbleibenden Bedingungen. Sie sichern dadurch wesentliche Ökosystemdienstleistungen für den Menschen; sind gleichzeitig aber auch durch anthropogene Nutzung gefährdet. Eine nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder unter einem sich wandelnden Klima ist der Schlüssel zum langfristigen Schutz der verletzlichen Haut unter dem Kronendach.
Steffen Seitz
Wälder in den Alpen – Nutzung und Schutz
Zusammenfassung
Die Bergwälder sind ein prägendes Element der Alpen. Wenn sie nachhaltig bewirtschaftet werden, können sie viele wichtige Funktionen erfüllen: Bodenschutz, Schutz gegen Naturgefahren, erneuerbare Rohstoff- und Energiequelle, Schaffung von Arbeitsplätzen, Klimaschutz und Erhaltung der Ökosysteme. Sie haben eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Wald als Siedlungsraum und Landreserve sowie als Nahrungs-, Energie- und Rohstoffquelle für das Überleben der Menschen unentbehrlich. Um eine regelmäßige Deckung des Holzbedarfs sicherzustellen, kam es bereits im 15. Jahrhundert zu ersten Ansätzen einer planmäßigen Waldwirtschaft. Trotzdem führte eine starke bäuerliche und industrielle Nutzung zunehmend zu Naturkatastrophen wie Hochwasser, Lawinen- und Murenabgängen. Als Reaktion darauf wurden vorerst durch die örtlichen Gemeinschaften, in der Folge auch durch die einzelnen Alpenstaaten Maßnahmen zum Erhalt des Schutzwaldes vorgenommen. Die Wahrnehmung und Erfahrung eines naturangepassten Tuns sind im Alpenraum erhalten geblieben und wurden bezüglich des Umgangs mit Naturgefahren zu einem auch heute noch geschätzten Erfahrungswissen.
Elisabeth Johann
Die Rolle von naturnaher Waldwirtschaft und Totholzmanagement für die Walderholung
Zusammenfassung
Auch im Ökosystem Wald ist ein erheblicher Artenschwund festzustellen. Neben der Ausweitung von Schutzgebieten bzw. der weiteren Nutzungseinstellung, um diesem entgegenzuwirken, besteht eine Alternative auch darin, in weiter wirtschaftlich genutzten Wäldern mehr natürliche Strukturen als bisher zuzulassen. Dazu zählen etwa das Belassen bzw. die Anreicherung von Totholz. Dieser Beitrag thematisiert, wie sich diese Veränderungen auf die Erholungsleistung auswirken, eine der wichtigsten kulturellen Ökosystemleistungen (ÖSL) von Wäldern. Zur Operationalisierung der Erholungswirkung von Wäldern wurde ein Choice Experiment eingesetzt, das auf einer Befragung einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in Bayern basiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Totholz-Menge keine Auswirkungen auf die Erholungspräferenzen der Bevölkerung hat. Allerdings hat die Totholzqualität durchaus einen Einfluss, wobei die an natürliche Strukturen erinnernden Zustände präferiert werden. Da die Befragten gleichzeitig stärkeren Artenschutz in Wäldern bevorzugen, besteht kein Widerspruch zwischen den ÖSL Habitatleistung und Erholung, was für die weitere Umsetzung von integrativen Waldnaturschutzkonzepten in der Forstpraxis spricht.
Philipp Sacher, Marius Mayer

Tourismus und Erholung

Frontmatter
Exploring Connections Between Tourism and Forest Conservation
Abstract
Many cultures have a long history of relating to forests and trees. Forest and tree motifs have been used throughout cultural history to reflect on human-nature relationships. Beginning in the nineteenth century, forests became popular through outdoor recreation and tourism. At the same time nature conservation in modern protected areas was invented. Both phenomena were sparked by an increasing appreciation of the sublimity of nature. In the twentieth century, tourism became part of forest conservation strategies. With reference to examples from North America and Europe we discuss the possibilities and limitations that tourism offers for forest conservation.
Erik Aschenbrand, Thomas Michler
Was Stadtwälder auszeichnet: Beispiele aus dem Kanton Zürich
Zusammenfassung
Vor gut 100 Jahren hat der Verschönerungsverein Zürich mit seinem gesamtheitlichen Verständnis von Mensch, Natur, Landschaft und Heimat die Zürcher Stadtwälder geprägt. Heute gewinnen Stadtwälder als einzigartige Ergänzung des städtischen Freiraumspektrums und die umfassende Perspektive auf den Wald wieder an Aktualität. Wie gehen wir mit diesem Erbe um, und wie wenden wir diese historische, aber gleichzeitig sehr fortschrittliche Sichtweise auf den Wald zukünftig an? Der Artikel beleuchtet den Zürcher Diskurs zum Thema, und er zeigt auf, was notwendig ist, damit Stadtwälder optimale Leistungen im Ökosystem sowie als Erholungs- und Freizeiträume erbringen können.
Raphael Aeberhard, Rebekka Weidmann
Waldtherapie
Zusammenfassung
Global sind Wälder seit Jahrzehnten sowohl durch den anthropogen verstärkten Klimawandel als auch durch den damit teilweise einhergehenden Biodiversitätsverlust von massiven Änderungen betroffen. Dass Menschen dabei immer stärker in bislang kaum berührte Ökosysteme eingreifen, eröffnet neue Übertragungswege für Zoonosen, die ihren Niederschlag in Pandemien finden können. Zusätzlich bieten, auf einer globalen Skala, Wälder den Wohn- und Lebensraum indigener und auch isolierter Völker und sind auch vor diesem Hintergrund zu schützen. Denn Wälder stellen zahlreiche Ökosystemleistungen für das Überleben, das Wohlbefinden und die Erhaltung und Stärkung von Gesundheit von Menschen zur Verfügung. Wälder bieten Erholungsräume, die sämtliche Sinne positiv ansprechen können, welche daher als eine Ressource angesehen werden können, die sowohl auf körperliche, mentale und soziale Aspekte von Gesundheit wirkt.
Joachim Rathmann
Wald und Wälder in Japan von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. Natur und Kultivierung – Narrative und Ideen
Zusammenfassung
Wald und Wälder in Japan sind in ihrer kulturgeschichtlichen und naturräumlichen Entwicklung ein komplexes Forschungsgebiet. Gleichzeitig bietet sich das geografisch geschlossene Gebiet der japanischen Inselwelt, das mit 68,5 % Waldlandfläche zu den am dichtesten bewaldeten Gegenden der Erde gehört, dafür an, aus einer interdisziplinären Perspektive das Zusammenspiel von Natur und Kultur sowie die Rolle von Ideen und Narrativen über den Wald zu untersuchen. Basierend auf wissenschaftlichen Analysen aus Archäologie, Paläoklimatologie, Paläoökologie, Archäobotanik, Forstwissenschaft, Kulturgeografie, Geschichtswissenschaft und Religionswissenschaften sowie statistischen und anderen Regierungspublikationen zeigt dieser Beitrag für die japanische Inselwelt vom Paläolithikum bis zur Gegenwart auf, wie sich fortschreitend ändernde Umweltbedingungen im Zusammenspiel mit der menschlichen Waldnutzung die Gestalt des Waldes verändern. Darüber hinaus wird analysiert, welche Ideen und Narrative sich in der Gegenwart basierend auf der Forschung entwickelt haben und wie sie zu gesellschaftlich wirksamen Paradigmen wurden. Die Interpretation des Waldes wird schließlich kontrastiert mit der realen Krise der Wälder, die in Zukunft neue Ansätze zum Forstmanagement erfordern wird.
Werner Steinhaus, Carolin Funck

Repräsentanzen von Wald

Frontmatter
Der Wald in der Kunst. Zur Ikonografie und Symbolik einer Darstellungskategorie
Zusammenfassung
Wald, obwohl in allen Epochen der Kunst gegenwärtig, ist als Darstellungskategorie nicht immer offensichtlich. Gründe sind zum einen die verschiedenen Modi, in denen sich Kunst ausdrückt, zum anderen die Bedeutung, die dem Wald zugesprochen wird und seine Wiedergabe im Bild bestimmt. Die Erfassung von Wald in der bildenden Kunst ist folglich an keine feste Darstellungsform gebunden und erstreckt sich über ein Spektrum von symbolischer Verweisung über ausgeprägt naturalistische Wiedergaben in der Landschaftsmalerei bis hin zu konzeptionellen Ansätzen, die den Wald zwar noch thematisieren, ihn aber nicht mehr visualisieren. Die nachfolgende Darstellung sucht einen Überblick über die zentralen Ausprägungen der bildlichen Umsetzung von Wald zu geben.
Viola Hildebrand-Schat
Wald in der Architektur und in der Kunst
Zusammenfassung
Natürliche Formen inspirieren die Architektur und die Kunst. Im Saarforst entstand im „Urwald vor den Toren der Stadt“ bei Saarbrücken ein Kommunikationsprojekt für den NABU Saar, dessen Ergebnis mit Hilfe von Kunst und Architektur der Öffentlichkeit gezeigt wird. Basierend auf einem pädagogischen Konzept, welches Alt- und Totholzbiozönosen im Wirtschaftswald thematisiert, kommunizieren baulich und künstlerisch sicht- und erlebbare Objekte die Vielfalt von Flora und Fauna unter dem Titel „Wertvoller Wald“. Ein aus heimischem Holz entwickeltes Faltwerk beherbergt ein Infogebäude zur Ausstellung und Schulung über die Biodiversität unserer Natur. Im Forst selbst, an einem Pfad mit Totholzansammlungen verschiedener Stadien gelegen, wurden als besondere Anziehung Kunstwerke aufgestellt. Die begehbaren Skulpturen, welche nach Vorbildern der lebenden Natur entwickelt und mit organischen Baumaterialien oder aus in Fasern gezogenem Basalt- Gestein gestaltet wurden, sind als „Waldzimmer“ inzwischen auch medial als besondere Attraktion adressiert.
Göran Pohl
Wald im Schulbuch
Zusammenfassung
Assoziationen zum Thema ‚Wald‘ sind vielfältig und gegenwärtig vor einem multiperspektivischen Hintergrund zu betrachten: Sei es die (laienhafte) Annäherung im Sinne eines ‚Alltagskonstruktes Wald‘, sei es aus dem Blickwinkel ‚Wald als ökologischer und ökonomischer Faktor‘ oder aus der Sicht ‚Wald als Objekt der Ausbeute und globaler Sauerstoffspender‘. Insbesondere in Zeiten von Globalisierung und Klimawandel werden neue Herausforderungen an den Wald gestellt – wie diese zu verstehen und umzusetzen sind und in saarländischen Schulbüchern abgebildet werden, ist Gegenstand dieses Artikels. Der Erziehung der Schüler zu mündigen und kritikfähigen Bürgern, die eines Tages mit über die (geo)politische Zukunft dieses Planeten entscheiden, obliegt eine sorgfältige Bildungsarbeit, die sich – in diesem Falle mit dem Thema ‚Wald‘ – gründlich und holistisch, also unter maximaler Berücksichtigung aller involvierter Akteure, auseinandersetzt.
Dominique Fontaine
Wald im Film – dunkel und frei und irgendwie beliebig
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag thematisiert den filmisch kommunizierten Wald als Topos des Kinos. Diese spezifische Landschaftsform, als filmische Repräsentation, ist bisher nur sehr marginal wissenschaftlich behandelt worden, lediglich als Naturraum, der scheinbar mehr dekorativ als narrativ Verwendung findet, taucht er im Kino auf. Dabei besitzt, aufgrund kultureller Einschreibungen, Wald eine besondere narrative, nicht zu unterschätzende Wirkung, Bedeutung und Aufgabe.
Stefan Zimmermann
Von der Waldfunktionenkarte zum interaktiven und animierten 3D-Modell in immersiver Virtual Reality (VR)? Aktuelle Möglichkeiten zur Visualisierung von Wäldern mit offenen Geodaten
Zusammenfassung
Wälder sind vielseitig bedeutungstragende Lebensräume. Ihre Funktionen sind in der BRD gesetzlich festgehalten und aus diesem öffentlichen Verwaltungsauftrag entstehen regelmäßig kartografische Visualisierungsprodukte. Die Ableitung dieser Waldfunktionenkarten wird derzeit optimiert und es zeigt sich, dass stets aktuellere Geodaten dazu eingesetzt werden. Über amtlich geführte Geodaten hinaus bieten sich die weltweit vernetzten Online-Community aber auch neue Ausprägungen offen zugänglicher Daten, bspw. aus dem Gaming. Durch die Verbreitung ehemals rein proprietär genutzter Game Engines sind heute weltweit viele User (auch Unternehmen) aktiv und entwickeln detailreiche virtuelle 3D-Landschaften, die der Community online frei zur Verfügung gestellt werden. Auch zur Darstellung von Waldlandschaften bieten sich dadurch neue Potenziale. Anhand eines Beispiels mit einem frei zugänglichen Objekt-Pakets werden derzeitige Potenziale zur Visualisierung virtueller Waldlandschaften angedeutet. Das Beispiel basiert auf der Game-Engine Unreal Engine 4 und dient zur Anwendung in immersiver Virtual Reality (VR).
Dennis Edler

Junges Forum

Frontmatter
„Mein Wald gleich dein Wald?“ – Eine internationale Betrachtung der Wahrnehmung von Wald
Zusammenfassung
In dem vorliegenden Beitrag wird untersucht, ob und wenn ja wie sich die Wahrnehmung und das Verhältnis von und zum Wald international unterscheidet und ob Assoziationen kongruent mit den Aussagen und Aktivitäten der Befragten sind. Kern der Arbeit ist eine in 13 Sprachen durchgeführte Online-Umfrage mit 1549 auswertbaren Fragebögen, welche zu etwa 2/3 von Menschen deutscher Nationalität ausgefüllt wurden. International manifestierten sich die Unterschiede vor allem kontinental betrachtet ohne konkrete Zusammenhänge mit der Waldfläche der einzelnen Länder. In Europa wird der Wald tendenziell häufiger und individualistischer genutzt, wohingegen in Afrika oder Asien funktionalere Ansprüche vorherrschen. Die Arbeit eignet sich zum Vergleich mit Studien zum Wald in Deutschland, sowie dem internationalen, kulturellen Vergleich der Assoziationen.
Jonas Pauthner, Lea Schönleber, Lukas Theivagt
Der Schwarzwald im Wandel. Einschätzung und Wahrnehmung klimatisch bedingter Veränderungen des heutigen Schwarzwaldes
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit Veränderungen der physischen Grundlagen des Schwarzwaldes und deren Wahrnehmung auseinander. Es wird erläutert, wie sich die Vegetation sowie die unter diesen Voraussetzungen mögliche Bewirtschaftung und Besiedlung des Schwarzwaldes in einem Zeitraum von ca. 11.000 Jahren bis heute entwickelt hat. Um die soziale Wahrnehmung und Konstruktion der Veränderung in den letzten Jahrzehnten zu erfassen, wurden zudem zehn Expertinnen und Experten, die sich beruflich mit dem Schwarzwald und damit auch mit klimawandelbedingten Veränderungen auseinandersetzen, befragt, um darauf zu blicken, ob und wie innerhalb eines Expert*innendiskurses Veränderungen des Schwarzwaldes sozial verhandelt werden. Veränderungen an Bäumen und dem gesamten Wald sind den Expert*innen zufolge vorhanden und werden auch mit dem anthropogen bedingten Klimawandel in Verbindung gebracht. Bzgl. der Wahrnehmung der Veränderungen bekommt der Schwarzwald für die Interviewpartner*innen, vor dem Hintergrund sich auch in der Vergangenheit ständig veränderter Merkmale, neue Identitätszuschreibungen. Deutlich wird, dass die Befragten die Region im ständigen Wandel sehen und die Veränderungen nicht als Identitätsverlust rekonstruieren, ihrer Einschätzung nach Teile der Bevölkerung die Entwicklung jedoch kritischer sehen.
Anne Kayser, Linda Weber, Alim Ayduran
(K)ein Platz für den Wolf im Schwarzwald? Die soziale Konstruktion des Wolfes durch Nutztierhalter*innen
Zusammenfassung
Anlässlich der Rückkehr des Wolfes in den Schwarzwald befasst sich die vorliegende Untersuchung mit der sozialen Konstruktion des Wolfes seitens potenziell betroffener Nutztierhalter*innen. Eine zentrale Voraussetzung für ein erfolgreiches Wolfsmanagement ist es, die Anliegen der Nutztierhalter*innen zu kennen und sie als weiteren Schritt in Entscheidungsprozesse zu inkludieren. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Analyse von zwölf qualitativen Interviews im Hinblick auf (re)produzierte, aktualisierte, negierte und revidierte Konnotationen, da ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Wolf Gegenstand komplexer symbolischer, sich wandelnder Deutungszuschreibungen ist. Galten Wölfe nach dem Ende des Römischen Reiches Vielen etwa als Verkörperung des ‚Bösen‘, werden sie heutzutage häufig mit dem Begriff der ‚Wildnis‘ in Verbindung gebracht. In diesem Spannungsfeld bewegten sich die Auskünfte der Befragten und es zeigte sich bei vielen Aspekten ein differenziertes Bild.
Lisa Heim, Katja Frank, Jonas Knecht, Nadja Lieb
Der schwarze Wald und wie bunt er dargestellt wird
Zusammenfassung
In folgender Arbeit bestand das Ziel, die Fragestellung, inwieweit der Schwarzwald durch den Tourismusverband dargestellt wird und wie oder ob eine Reproduktion des Schwarzwaldes anhand von Fotos innerhalb von sozialen Medien stattfindet, zu beantworten. Hierbei wurde durch eine theoretische Einführung in Landschaftskonstruktionen sowie der Reproduktion von Landschaft auf Basis von Images und Stereotypen in die Thematik eingeführt. Anschließend fand eine Diskursanalyse anhand von Fotos des Tourismusverbandes Schwarzwald und Fotos vier sozialer Plattformen statt, welche in acht Kategorien (z. B. Natur/Stille, Freizeit/Sport) eingeteilt wurden. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Fotos der offiziellen Seite einen Schwerpunkt in der Darstellung von Natur, Freizeitaktivitäten, Tradition und Kulinarik besitzen. Die reproduzierten Fotos in den sozialen Medien weisen verstärkt die Zuordnung zu den gleichen Kategorien auf. Fotos der Kategorien Tradition, Kulinarik und Wellness werden jedoch deutlich seltener reproduziert. Aufgrund dessen kann bestätigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen den über die Tourismusvermarktung verbreiteten und den in den sozialen Medien reproduzierten Bildern besteht, jedoch nicht alle verbreiteten Bilder reproduziert werden. Das Untersuchen der Zusammenhänge und Hintergründe wäre aufgrund der Aktualität der Thematik durch die Zunahme der Präsenz der sozialen Medien und der Diskurse um den Wald sehr spannend.
Pauline Stiller, Tobias Prasse, Tabea Kothe
Metadaten
Titel
Wald in der Vielfalt möglicher Perspektiven
herausgegeben von
Dr. Karsten Berr
Dr. Corinna Jenal
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-33705-6
Print ISBN
978-3-658-33704-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33705-6