In welchem Verhältnis stehen Unternehmen und Gesellschaft? (Wie) hat sich dieses Verhältnis im Zuge der Globalisierungstendenzen der letzten Dekaden verändert? – Diese Fragen greift der vorliegende Beitrag auf und beantwortet sie für das bisher eher wenig institutionalisierte Feld der nicht-finanziellen Berichterstattung. Die nicht-finanzielle Berichterstattung als ‚moderne‘ Form der Unternehmenskommunikation ist geprägt von vielfältigen Akteuren und Initiativen sowie dynamischen Entwicklungen auf der regulatorischen Ebene. Auf der Basis von 38 qualitativen, problemzentrierten diskursiven Interviews werden die im Feld vorhandenen Narrative mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse rekonstruiert und herausgearbeitet, inwiefern die nicht-finanzielle Berichterstattung von Unternehmen einen Reflexionsraum bietet, um über das Verhältnis von Unternehmen und Gesellschaft (neu) zu verhandeln. Diese Narrative können schließlich als Ausgangspunkt genutzt werden, um die Dynamiken, die mit einer stärkeren Regulierung und Standardisierung im Feld der nicht-finanziellen Berichterstattung einhergehen (könnten), verorten zu können.
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Das diesem Beitrag zugrundeliegende Forschungsprojekt ‚Doppelte Dividende? Beitrag des nachhaltigen Investierens zur Stabilisierung des Finanzmarkts‘ wurde von April 2015 bis September 2018 im Rahmen der Förderinitiative ‚Finanzsystem und Gesellschaft‘ mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UF1504 gefördert und unter Leitung von Prof. Dr. Stefanie Hiß an der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin. Mein besonderer Dank gilt allen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern, ohne die diese Studie nicht möglich gewesen wäre. Die Autorin arbeitet dieses Teilprojekt im Rahmen ihres Promotionsvorhabens noch weiter aus und plant für das Jahr 2021 die Vorlage einer Dissertation mit dem Arbeitstitel ‚Unternehmen als verantwortungsbewusste gesellschaftliche Akteure?! Eine soziologische Betrachtung am Beispiel der nicht-finanziellen Berichterstattung‘.
Für ausführliche Informationen siehe u. a. Barton (2006), Behn (2001), Bovens (2010), Chan und Rosenbloom (2010), Dowdle (2017), Greiling und Grüb (2015), Lindberg (2013), Normanton (1966), Rached (2016), Romzek (2000), Romzek und Ingraham (2000), Salminen und Lehto (2012), Schedler (1999) und Zumofen (2016).
Einige Ansätze verstehen Accountability fälschlicherweise als Synonym zu Themen oder Konzepten wie gute Unternehmensführung (Governance), Transparenz und Demokratie oder auch Effizienz und Responsibility, was die „ambiguity, vagueness, and collective semantic confusion“ bezüglich der Konzeption verdeutlicht (Lindberg 2013, S. 203).
Für weiterführende Informationen zur Thematik der Private Governance siehe u. a. Brammer et al. (2011), Büthe (2004), Graz und Nölke (2008), Nölke und Perry (2007).
In Anlehnung an die Debatten des wissenschaftlichen Diskurses werden die Begriffe Narrativ(e), Narration(en) und Erzählung(en) im Folgenden synonym verwendet.
Insgesamt wurden 23 Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen geführt; 20 davon mit multinationalen Unternehmen (MNU) und davon wiederum 10 mit DAX 30-Unternehmen. Drei Interviews wurden mit kleinen und mittelständischen Unternehmen geführt. Zur Auswahl der Untersuchungsobjekte im Bereich der Unternehmen wurden zunächst alle Unternehmen, die im DAX 30 gelistet sind, angefragt. Um eine valide Auswahl zu gewährleisten, wurden die entsprechenden Unternehmen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten bestimmt (31. August 2016 sowie 10. Oktober 2016). Diejenigen Unternehmen, die zu mindestens einem Zeitpunkt im DAX 30 gelistet waren, wurden für die empirische Untersuchung angefragt. Da es sich beim DAX um den Leitindex für den deutschen Aktienmarkt handelt, der folglich die größten und umsatzstärksten Unternehmen listet (siehe u. a. Janßen und Rudolph 1992; Schneider 2011; Stankov 2008), ist gewährleistet, dass die entsprechend einflussreichsten Unternehmen in der Untersuchung berücksichtigt wurden. Aufgrund der Heterogenität der deutschen Unternehmenslandschaft wurden darüber hinaus alle Mitglieder des Forums Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft – Econsense angefragt (31. August 2016). Da die Unternehmenslandschaft in Deutschland stark von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) geprägt ist (IfM Bonn 2017), wurde ebenso versucht, diese in die empirische Untersuchung mit zu integrieren. Der Zugang zu KMU wurde über entsprechende Unternehmensberatungen gesucht. Ebenso wurden nach dem Schneeballprinzip Unternehmen angefragt, die wiederum andere Personen empfohlen haben. Insgesamt war der Rücklauf im KMU-Bereich jedoch deutlich schlechter als im MNU-Bereich, was u. a. der bisher eher geringen Präsenz und Aktualität der nicht-finanziellen Berichterstattung in diesem Unternehmensbereich geschuldet sein kann. Aufgrund der heterogenen und vielfältigen deutschen KMU-Landschaft sowie einer eher schlechten Rücklaufquote im KMU-Bereich ist die in die empirische Untersuchung integrierte Auswahl an kleinen und mittelständischen Unternehmen eher unsystematisch, wodurch sich ein Feld für zukünftigen Forschungsbedarf bereits zu Beginn der Untersuchung offenbart hat.