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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

1. Was ist der Rausch der Bilder?

verfasst von : Jonathan Partecke

Erschienen in: Der ästhetische Vektor

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das Betrachten eines Films ist ein merkwürdiger Zeitvertreib, wenn man sich einmal genau vor Augen führt was passiert. Der Körper entspannt oder verkrampft je nach individueller Reaktion auf die Intention eines Regisseurs bzw. eines Filmmakers für eine Szene. Passiert eine Situation in der man sich wohl fühlen soll, oder ein anstrengender Suspense-Moment, zeigen sich Wirkungen sowohl im Geist als auch im Körper. Und darüber hinaus. Der Körper bzw. dessen Zustände werden je nach audiovisuellen Impulsen in einen Zustand versetzt, der wie ein High oder Low wirkt.

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Fußnoten
1
Ein klarer Hinweis auf den Kern soll an dieser Stelle eindeutig definiert sein: Es geht in dieser Arbeit um die Annahme, dass Film bzw. die Rezeption des Films einen starken virtuellen Charakter besitzt, d. h. die Form weit über den wahrnehmbaren Bereich hinausreicht, sowohl in der Art wie Film bearbeitet und produziert, als auch in der Art wie er rezipiert wird. Die betreffenden Quellen werden zu einem passenden Zeitpunkt erwähnt. Der Film besteht aus grenzenlosen Bildern. Jedes Bild besitzt eine endliche, empirische Form, als Ansammlung audiovisueller und narrativer Impulse. Doch darüber hinaus grundsätzlich auch eine virtuelle Reichweite, welche sich über Assoziationen, den Kontext von Impulsen und Affekten und einer unterbewussten Wirkung beim Rezipienten bestimmen lässt. All diese Versatzstücke markieren den virtuellen Charakter des Films, des filmischen Bildes, der filmischen Ästhetik und dem performativen Potenzial des Films und sollen in dieser Arbeit im Detail besprochen und analysiert werden. Wir bezeichnen dieses fortan als Form, weil es formal zu beschreiben ist.
 
2
Bela Balasz: Schriften zum Film. Erster Band. >Der sichtbare Mensch< Kritiken und Aufsätze 1922-1926. Hrg. von Helmut H. Diederichs, Wolfgang Gersch und Magda Nagy. München: Carl Hanser Verlag, 1982, S. 64.
 
3
Offensichtlich: Marcus Stiglegger: Ritual und Verführung. Schaulust, Spektakel & Sinnlichkeit im Film. Berlin: Bertz+Fischer, 2006.
 
4
Stiglegger selbst zieht ganz zu Beginn seiner Theorie den Vergleich zur psychoanalytischen Filmtheorie á la „Begehren“ nach Lacan und sexuelle Transgression nach Batailles. Über letzteren wird der Kontext zur carnal theory und synästhetischen affect theory offensichtlich, die in dieser Arbeit größtenteils in diesem Kontext besprochen werden wird: Steven Shaviro: The Cinematic Body. Minneapolis: The University of Minnesota Press, 1993; Linda William: Film Bodies. Gender, Genre, and Excess. In: Film Theory and Criticism. Hrg. Von Leo Braudy und Marshall Cohen. Oxford: Oxford University Press, 2004; Vivian Sobchak: What my Fingers knew: The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh. In: Carnal Thoughts. Embodiment and Moving Image Culture. London: The University of California Press, 2004. Mehr vergleiche und Arbeit dazu später.
 
5
Verstärkt wird dieser Effekt im übrigen auch noch beim Videospiel, in welchem Entscheidungen und Handlungen des Steuerns den Tunnelblick mit einer Konsequenz für den Rezipienten verbinden. Genauso freiere Tätigkeiten einen konzentrierten Blick auf einen Bildschirm verlangen. Der Tunnelblick beim Programmieren bspw. oder beim Steuern einer POV Kamera Drohne. Der körperliche Gefühl ist identisch zu der ästhetischen Rezeption von Film und Videospiel, allerdings jeweils mit anderer Konsequenz (und Intensität) verbunden.
 
6
Alles wäre so viel einfacher, wenn man einfach die mathematischen Metaphern fortsetzen und Definition so klar bestimmen könnte, bspw.: Die ästhetische Definition. Ähnlich wie Deleuze, der in „Kino 1“ (1989) Bergsons dritte These zur Bewegung und Veränderung des Ganzen in „Schöpferische Entwicklung“ (1912) als mathematische Gleichung mit philosophischen Worten und uneindeutiger Bedeutung darstellt. Die ästhetische Definition könnte in dieser Tradition also folgendermaßen darzustellen sein:
$$\begin{gathered} {\text{\"A}}\,{\text{s}}\,{\text{t}}\,{\text{h}}\,{\text{e}}\,{\text{t}}\,{\text{i}}\,{\text{k}} = ({\text{Medium}}/{\text{Inhalt}} - {\text{Rest}})^{*} /{\text{Rezeption}}^{**} \\ = {\text{K}}\,{\text{o}}\,{\text{n}}\,{\text{t}}\,{\text{u}}\,{\text{r}}/{\text{R}}\,{\text{e}}\,{\text{z}}\,{\text{e}}\,{\text{p}}\,{\text{t}}\,{\text{i}}\,{\text{o}}\,{\text{n}} \\ \end{gathered}$$
  • (ausgeschrieben): „Ästhetik ist gleich der Kontur – der Inhalt, welcher einer Statue gleich aus dem Medium geschlagen wird – geteilt durch die Rezeption – wie viel subjektive Rezeption passt in die Kontur?“
  • Ästhetik / Kontur / Rezeption, als gleichmäßige Definitionsteile der Gleichung sind ersetzbar durch verschiedene Variablen. Inhalt als Subtrahend der Kontur besteht aus neuen Variablen basierend auf der Annahme einer gleichmäßigen Rezeption. Meta-Wissen über multilayer Genese kann allerdings nicht vernachlässigt werden.
  • *
  • Medium = Inhalt + Rest (des ungenutzten Mediums).
  • Inhalt = Medium – Rest (des ungenutzten Mediums).
  • Rest (des ungenutzten Mediums) = Medium – Inhalt.
  • **
  • Rezeption = individuelle Person * Ästhetik.
  • individuelle Person = Rezeption / Ästhetik.
  • alternative ästhetische Definition (unmöglich).
  • Ästhetik = Rezeption / individuelle Person.
Leider funktioniert Ästhetik nicht so. Eine Metapher ist immer nur der Erkenntnis zugewandt und hat keinen Mehrwert. Denn es gilt eine individuelle Vermutung für Wahrnehmung und Bewusstsein. Subjektive Perspektiven können nicht als holistisches Ganzes dargestellt werden. Die Alternative ist also eine klare Methode schrittweise zu erörtern. Mithilfe von Unterscheidungen und Begrifflichkeiten, die als Werkzeuge dienen.
 
7
Gilles Deleuze: Das Zeitbild. Kino 2. Übers. von Klaus Englert. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997, S. 47.
 
8
Gilles Deleuze: Das Bewegungs-Bild. Kino 1. Übers. von Ulrich Christians u. Ulrike Bokelmann, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1989.
 
9
Und er wird an dieser Stelle nicht zuerst genannt: Nikolaus Müller-Schöll sprach von einer „post-performativen Wende“ im Zusammenhang mit den „Arbeiten des Live-Art-Künstlers Tino Sehgal und der Einzug der Performance-Kunst ins Museum“ (in: „Die post-performative Wende. Die Arbeiten des Live-Art-Künstlers Tino Sehgal und der Einzug der Performance-Kunst ins Museum läuten das Ende einer Epoche ein. In: Theater heute 12 (2012), S. 42 f). Müller-Schöll fährt fort und beschreibt ein interaktives Erlebnis mit einer Zuschauerkomponente als postperformativ. Das hat weniger mit dem Konzept ‘Postperformativität’ in dieser Arbeit zu tun. Tatsächlich beschreibt ‘Post-Performativität’ in dieser Arbeit das genaue Gegenteil. Einen sich erweiternden Erkenntniszustand innerhalb der Konfrontation mit geschlossenen Formen. Sei es Theater, Film, darstellende Kunst wie auch immer. Dieser erweiterte Zustand ist niemals (!) mit einer interaktiven Komponente zu erreichen. Sondern basiert auf den Begriffen und dem Kontext Deleuzes und seiner hervorragenden holistischen Filmtheorie. Und die Reproduzierbarkeit hat im Verständnis des Materiestroms keine Konsequenz, keine Relevanz. Müller-Schöll bespricht an den Live Art Arbeiten des Künstlers Tino Sehgal die Unmittelbarkeit im Verständnis von theatraler Performativität. Insbesondere die „lange Zeit unangefochtenen behaupteten Ansprüche auf Präsenz, Flüchtigkeit und Immaterialität“ (2012, S. 43). Sowie die zentrale These, dass die Performance-Kunst auf einer methodischen Unmöglichkeit von Reproduzierbarkeit basiert. Diese These wird mit den jüngeren Arbeiten von Marina Abramovic, bzw. der Retrospektive ihrer Arbeit und der Veränderung von kleinen Details ihrer Aktionen während der Wiederholung. Müller-Schöll sieht in diesen Veränderungen eklatante Abweichungen der performativen Idee an sich und der jeweiligen Bedeutungskraft und Wirkung der jeweiligen Aktion im besonderen. So konstatiert Müller-Schöll, anstatt einer Veränderung, Erweiterung und Fortsetzung von Abramovics Methodik in einem neuen Akt und der daraus resultierenden Wirkungskraft, „wird nur noch dessen schauspielerische theatrale Wiederholung vorgeführt“ (2012, S. 44). Einer so resultierenden Panik, dass die Performance-Kunst nun eine Form von Partitur, Treatment, Aufzeichnungsart etc. einführen muss, stellt sie der Idealismus von etwa Tino Sehgal entgegen, welcher sich weigert die Methode seiner künstlerischen Arbeit zu dokumentieren. In dieser Spannung offenbart sich der zentrale Konflikt: Wenn die Performance als Ereignis begriffen wird, muss eine Form von Unvorhersehbarkeit konzeptuell eingebettet werden. Aber stattdessen würde „geprobt, wiederholt, und das Ende sei klar bestimmt“ (2012, S. 45). Müller-Schöll formuliert nun den Begriff des Ereignisses als „eine alle Begriffe, Traditionen und Kategorien sprengende Kategorie der Unterbrechung oder Eröffnung: Den Moment, in dem sich alle institutionalisierten, konventionalisierten, beherrschten, im eigenen Vermögen stehenden Äußerungsformen auf eine unabsehbare Weise überschritten, ja überrumpelt werden.“ (2012, S. 45). Des Weiteren bezieht sich Müller-Schöll auf Derridas „Iterabilität“: „Der vermeintlich einmalige Akt muss, so er denn als solcher wahrgenommen werden soll, von Beginn an in eine symbolische Ordnung eingeschrieben werden und damit auch in eine Logik der Wiederholung.“ (2012, S. 45). So definiert Müller-Schöll final eine post-performative Wende in der Kunst. Also einem Wechsel „der Subjekt- und Bewusstseinsphilosophie dominierten“ (2012, S. 45) Wahrnehmung zu einer iterablen Wahrnehmung. Die Unvorhersehbarkeit soll nur in der Verhandlung zwischen Performance-Kunst und Betrieb möglich sein. Dieser Idealismus dekonstruiert sich selbst, bereits auf der „Iterabilität-Ebene“ als auch den apotheotischen Tendenzen von Präsenz und Ereignis.
 
10
Ferdinand de Saussure: Course in General Linguistics. Hrg. von Charles Bally, Albert Sechehaye. Übers. von Roy Harris. La Salle: Open Court. 1983.
 
11
Sprachliche Performativität bezieht nicht unbedingt die Wirkung in die Sprachhandlung mit ein. Die Handlung hat meistens ein Ende. In der rituellen Performanz ist die Wirkung frei und subjektiv. Niemand kann sagen, ob einen Rezipienten eine Performance bewegt und wie lange, oder eben nicht. Damit ein Start- und Endpunkt für eine Analyse besprochen werden kann, muss auf Ästhetik fokussiert werden.
 
12
Man kann an dieser Stelle – als Analogie – die Lücke der Wahrnehmung in filmischer Rezeption mit der Deleuze eigenen Lücke seiner virtuell-aktuell Beziehung beschreiben. Als Badiou nach Deleuzes Tod versuchte den Begriff des Virtuellen in „Deleuze: The Clamor of Being“ zu beschreiben, blieb er selbst homogenisierend in all den verschiedenen Nuancen des Virtuellen, die Deleuze in „Das Zeitbild“, „Difference and Repetition“ oder „What is philosophy?“ nutzte. Badiou fasste alle Begriffe zusammen und besprach das Virtuelle an sich, von Natur aus Uneindeutigkeit und monoton, wie Deleuzes (nach Ansicht Badious) Metaphysikbegriff. Nach Badiou ist die Beschreibung des Seins vom Virtuellen, wenngleich ein heroischer Versuch, zum Scheitern verurteilt, denn je mehr Deleuze versuchte, das Virtuelle zu beschreiben und begrenzen, desto weniger eindeutig hätte das Aktuelle in seinen Grenzen beschrieben werden können (S. 53). Zusammenfassend schreibt Badiou: „In this trajectory of thought, the Two is established in the place of the One. And when the only way of saving – despite everything – the One, is by resorting to an unthinkable Two, the indiscernibility is beyond remedy, and the reconciling and obscure metaphor of the „mutual image“, one says to oneself that, most decidedly, the virtual is no better than the finality of which it is a version.“ („Deleuze: The Clamor of Being“, S. 53). Dieselbe Form von Argumentation kann nun an einen Begriff der Lücke herangeführt werden, welche gleichzeitig ununterscheidbar mit dem Begriff des Virtuellen verbunden ist, weil dieselbe Methodik genutzt wird um beide zu beschreiben. Doch darüber hinaus bietet diese Arbeit eine Möglichkeit diese, kleine doch unumstößliche, unveränderbare Problematik des Virtuellen quasi zu überspringen. Der ‘ästhetische Vektor’ schließt die Lücke, denn es wird nur über ästhetische Anwendung gesprochen.
 
13
Allerdings auch nur in einem kulturellen Verständnis, d. h. einem Verständnis welches sich bspw. dem post-performativen Potenzial der Filmbilder im kontemporären Kino und damit auch allen vorangehenden Filmen widmet. Man schaut Filme und lernt aus diesen Seherfahrungen und vergleicht die Filme. Und lernt von den Filmbildern und ihren verschiedenen Arten. Und vergleicht diese mit den Seherfahrungen. Und immer so weiter. Man erlernt etwas neues und vergleicht es mit allem bisher Erlerntem.
 
14
Die Triade nach Peirce wird in diesem Kontext anhand einer Metapher erläutert und wie in einer vergleichenden Erklärung genutzt.
 
15
Gilles Deleuze: Das Bewegungs-Bild. Kino 1. Übers. von Ulrich Christians u. Ulrike Bokelmann, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1989, S. 323.
 
16
Die Räume unterliegen einer mathematischen Herleitung, um Grundbereiche zu beschreiben, in welchen die „faktische Verschiedenheit als auch sämtliche potentiellen Transformationen der kleinen und der großen Form“ zu verdeutlichen (Deleuze, 1989, S. 251). Außerdem bestehen sie aus mehreren Konzeptionen: „Es handelt sich dabei um zwei Räume, die in ihrem Wesen verschieden sind und nicht dieselbe Begrenzung haben. Die Grenze des ersten wäre der leere Raum, die des zweiten aber der zerlegte Raum, dessen Teile in unendlich vielen Weisen aneinander anschließen können. Gleichwohl können beide Räume unter bestimmten Bedingungen ineinander übergehen, und die beiden Begrenzungen fallen im Begriff des beliebigen Raums wieder zusammen. Aber es sind von Konzeption und Ursprung her ganz verschiedenartige Räume.“ (1989, S. 252). Um nun einzelne Stücke innerhalb dieser Raumfragmente aneinander anzuschließen kann von einem Tangentialvektoren eine Verbindungslinie festgelegt werden. Deleuze nennt diese Linie Weltlinie Dazu heißt es bei Deleuze weiter: „Eine solche Linie vereinigt kein ganzes, sondern verbindet das Heterogene und schließt es zusammen, ohne ihm seine Heterogenität zu nehmen Die Weltenlinie schließt die hinteren Zimmer an die Straße, die Straße an den See, an das Gebirge, an den Wald an. Sie schließt den Mann und die Frau und den Kosmos zusammen; sie verknüpft die Wünsche und Sehnsüchte, Verirrungen, Prüfungen, Siege und Befriedungen. Sie macht aus den Punkten, die sie durchläuft, Momente von Intensität. Sie verbindet die Lebenden und die Toten: so die – visuelle und akustische – Weltenlinie [...]“ (1989, S. 262).
 
17
Deleuze, 1989, S. 262.
 
18
Wobei diese Begriffe natürlich nicht in ihrem sprachwissenschaftlichen Kontext benutzt werden, sondern ihre Form als axiomatisches Muster dienen soll.
 
19
Natürlich besonders ersichtlich in seinen beiden Abhandlungen zum Film: Gilles Deleuze: Das Bewegungs-Bild. Kino 1. Übers. von Ulrich Christians u. Ulrike Bokelmann, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1989. Und : Gilles Deleuze: Das Zeitbild. Kino 2. Übers. von Klaus Englert. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997.
 
20
Sehr schön im Zwiespalt des Unsagbaren / Undarstellbaren von Mirjam Schaub zusammengefasst und erklärt: Mirjam Schaub: Gilles Deleuze im Wunderland. Zeit- als Ereignisphilosophie. München: Wilhelm Fink Verlag, 2003.
 
21
Schaub, 2003, S. 11.
 
22
Ersichtlich wird dieser eindeutige Verweis im Bergson-Buch, in welchem sich die grundlegenden Verweise und Gedankenformen für spätere Arbeiten wiederfinden: Gilles Deleuze: Henri Bergson zur Einführung [Le bergsonisme]. Übers. von Martin Weinmann, Hamburg: Junius, 2007.
 
23
Dahingehend, dass der Film nicht nur Träger einer philosophischen Idee oder das Spiel einer Philosophie darstellt, sondern vielmehr Film als Medium selbst zum Zentrum einer Medienphilosophie wird.
 
24
Henri Bergson: Materie und Gedächtnis. Versuch über die Beziehung zwischen Körper und Geist. Hrg. von Margarethe Drewsen, Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2015, S. 15.
 
25
Als Beispiel ein kurzes Zitat von Mirjam Schaub: „Die Sonderstellung des Wahrnehmungsbildes als Wahrnehmung einer Wahrnehmung wird spätestens bei der Feinunterteilung in die von Peirce inspirierten Unterkategorien der Firstness, Secondness und Thirdness augenfällig. Sowohl Affekt- und Aktionsbilder, als auch die Relationsbilder, als wollten sie die Lücke füllen, die das Wahrnehmungsbild in diese Reihe reißt, partizipieren auf der Ebene ihres Interpretanten (welcher die besondere Beziehung zwischen ‘sign’ und ‘object’ beschreibt) am Wahrnehmungsbild. Um einen performativen Selbstwiderspruch zu vermeiden kann man es nicht horizontal nach den Richtungen ‘sign’ und ‘object’ einteilen. Es kennt nur die vertikale Verteilung, welche seine Rolle als Interpretant aller anderen Bilder auf den Ebenen der Möglichkeit (Erstheit), Wirklichkeit (Zweitheit) und Notwendigkeit (Drittheit) durchspielt.“ (Schaub, 2003, S. 107 f) Auf die eigentlich simple Definition der Natur des Wahrnehmungsbildes folgt ein ausschweifender semiotischer Diskurs, gerade so, als müsste man die konkrete Natur eines Objektes im Zusammenhang zum Subjekt rechtfertigen. Doch Mirjam Schaub spricht mit jedem Wort eine bedrückende Wahrheit aus: das Virtuelle, und für nichts anderes ist das Wahrnehmungsbild ein Agent, wird sich niemals außerhalb von semiotischen Eigenheiten der Bedeutung selbst zeigen.
 
26
Deamer, David: Deleuze's Cinema Book. Three Introductions to the Taxonomy of Images. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2016, S. 81.
 
27
Es geht um die Redewendung... Natürlich gibt es mehr körperliche Sinne bspw. das Gleichgewicht.
 
28
Das Glossar der von Ulrich Christians und Ulrike Bokelmann übersetzten und herausgegebenen Ausgabe besitzt folgende Definitionen: „WAHRNEHMUNGSBILD: Ensemble aus Elementen, die auf ein Zentrum einwirken und sich im Verhältnis zu ihm verändern.“ Des Weiteren wird unter dem Punkt „Wahrnehmungsbild (das Ding)“ zwischen den Aggregatszuständen unterschieden: „Dicizeichen: ein von Peirce geschaffener Terminus, vor allem zur Bezeichnung der Proposition im allgemeinen. Hier für den Sonderfall der »freien indirekten Proposition« (Pasolini) verwendet. Es handelt sich um eine Wahrnehmung im Rahmen (cadre) einer anderen Wahrnehmung, um einen festen, geometrischen und physikalischen Aggregatszustand der Wahrnehmung.“, „Reuma: nicht zu verwechseln mit dem Peirceschen »Rhema« (Wort). Es ist die Wahrnehmung von dem, was ein Bildfeld passiert oder durchströmt. Flüssiger Aggregatszustand der Wahrnehmung.“ und zuletzt „Gramma (Engramm oder Photogramm): nicht mit einem Photo zu verwechseln. Ist das Entstehungselement des Wahrnehmungsbildes, als solches untrennbar von bestimmten dynamischen Strukturen (Immobilisierung, Schwingung, Flickern, Schleife, Wiederholung, Beschleunigung, Verlangsamung usw.). Gasförmiger Aggregatszustand einer molekularen Wahrnehmung.“ Mit dieser konkreten Definition scheint die Existenz des Wahrnehmungsbildes anhand seiner spezifizierenden Nützlichkeit bewiesen. Problematisch wird hierbei der betwixt-and-between Zustand von Ästhetik und Inhalt. Bedeutung kann beides sein. Dementsprechend ist die Funktion des Wahrnehmungsbildes immer vergleichbar mit einer Konjunktion.
 
29
Hierfür nimmt Deleuze Stellung zu Pasolinis Versuch eine Allgemeinsprache zu formulieren und bezieht sich hierbei auf Pasolinis „Ketzerfahrungen“ (deutsch, München/Wien 1979): „Pasolini will anscheinend noch weiter gehen als die Semiologen: seiner Meinung nach sollte das Kino eine Sprache [langue] mit doppelter Artikulation sein (die Einstellung als Äquivalete der Phoneme). Wollte er damit zum Thema der Universalsprache zurückkehren? Dazu sagte er nur: das ist die Sprache [langue] … der Realität. »Beschreibende Wissenschaft der Realität« zu sein, das ist das verkannte Wesen der Semiotik jenseits der »lebenden Sprachen« [langages], seien sie nun verbal oder nicht-verbal. Ist damit nicht gemeint, daß das Bewegungs-Bild (die Einstellung) in Bezug auf eine Veränderung oder ein Werden, das die Bewegung ausdrückt, eine erste Artikulation beinhaltet, aber auch eine zweite Artikulation in bezug auf die Gegenstände, zwischen denen es sich herstellt, Gegenstände, die gleichzeitig zu integralen Bestandteilen des Bildes geworden sind (Kineme)? Vergeblich würde man Pasolini entgegenhalten, der Gegenstand sei doch nur ein Referent und das Bild ein Teil des Signifikats: die Gegenstände der Realität sind Bildeinheiten geworden, während das Bewegungs-Bild zu einer Realität wurde, die durch ihre Gegenstände hindurch »spricht«“ (Deleuze, 1997, S. 45).
 
30
Nach Bergson, der in „Materie und Gedächtnis“ den Geist als Empfänger der Wahrnehmung nutzt. Der Geist nimmt die Funktion einer Konvergenz aus Bewusstsein, Gedächtnis, Emotion (im Kern alle menschlichen Eigenschaften) ein. Der Geist ist derjenige, der wahrnimmt, erlebt, getäuscht wird. Ein Subjekt ohne Individualität. „Das Geistige“ bezieht sich also auf dessen Natur. (vgl. MG, S. 171 ff). Postperformativität als Geistiges der Performativität ist also eine erzwungene Definition eines vormals Undefinierbaren.
 
31
Bergson, MG, S. 271.
 
32
Beschrieben in: Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Übers. von Ulrich Köppen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973. Und weitergehend definiert bzw. eingeordnet von Deleuze in: Gilles Deleuze: Was ist ein Dispositiv? In: Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken. Hrg. von François Ewald und Bernhard Waldenfels. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1991.
 
33
Dabei sind v.a. auch Begriffe wie Baudrys Basisapparat zu beachten (Ideologische Effekte erzeugt vom Basisapparat). Der Film kann als Medium vorhanden sein und im Vordergrund stehen. Doch die virtuelle Präsenz des Films würde auch dann verborgen bleiben. Baudry dachte nie an eine nicht-lineare Wahrnehmung des Spiegelstadiums. Wie entwickelt sich diese Form weiter? Wenn nicht das virtuelle Spiegelbild, sondern lediglich dessen Präsenz wahrgenommen werden kann? Wenn Ideologie dargestellt wird ändert sie sich nicht. Aber das Bewusstsein über diesen Zustand verändert die Form, die der Zusammenhalt einzelner Prozesse und Bestandteile (bspw. in einem Basisapparat) annimmt. Nur die Form der Ideologie ändert sich dementsprechend in ihr virtuelles Gegenstück: Eine menschenzentrische Wahrnehmung wird zu Metahumanismus.
 
34
Als würde man eine Sprache lernen, die nicht von menschlichen Stimmbändern ausgesprochen, aber trotzdem gehört, gelesen und verstanden werden kann. Weil die nötigen Laute bspw. von eine Computer erzeugt werden können. Und alle Sprecher dieser virtuellen Sprache nur per Sprachcomputer direkt miteinander kommunizieren können. Die Sprache (‘langue’) als Sprachsystem ist auf einen Basisapparat, den Computer, angewiesen, damit das Sprachvermögen (‘langage’) überhaupt ausgeschöpft werden kann.
 
35
Im Sinne der geometrischen Metapher: Eindimensional, zweidimensional, dreidimensional. Die Dritte Ebene besteht aus drei Dimensionen des Denkens.
 
36
Bergson, Henri: Denken und schöpferisches Werden. Aufsätze und Vorträge. Frankfurt am Main: Syndikat, 1985.
 
37
Deleuze, 2007, S. 29.
 
38
Vielleicht stellen genau deswegen alle Formen von Exzess in der Ästhetik eine Mikrotransgression dar. Der Schwerpunkt von vielen Ästhetiktheoretikern liegt zumeist in Gewalt, Sex, Tabubrüchen. Weil diese als ästhetische Mittel Affekte provozieren. Körperlichen Exzess in der Rezeption. Als Beispiele seien die Arbeiten von Vivian Sobchak („What my Fingers knew.“), Linda William („Gender, Genre and Excess“) sowie Markus Stiglegger („Ritual und Verführung“) genannt. Im Fokus steht nicht-inhaltlicher und dadurch nicht-linearer, unwirklicher, unmenschlicher Exzess. Exzess, welcher nicht durch Logik erklärt werden kann – sondern nur gefühlt, nur „erkannt“ wird. Diese Mikrotransgressionen, so unterschiedlich sie individuell und in ihrer Formvielfalt ausfallen, verweisen in ihrer Gesamtheit auf eine einzige Sache: Das bereits genannte Grundkonzept von Performativität. Ein Konzept, dass als universell menschlich beschrieben werden kann. Kultur- und konventionsübergreifend. Wessen wird sich also der Rezipient in solch delikat, exzessiven Momenten gewahr? Wohl nichts weiter als der Erkenntnis von Existenz minus der Tücke des Lebens. Die Angst vor dem Ungewissen in der letzten Transgression. Ein Blick hinter den unausweichlich menschlichen Prozess des Sterbens. Wenn man einmal polemisch/melancholisch formulieren darf, stellt sich relativ schnell heraus, wie weit doch die Kultur der antiken Griechen den heutigen Maßstäben voraus gewesen sein muss. Den antiken Griechen schien dieser Zusammenhang vollends logisch. Sie fassten ihn in einem schlichten, eleganten Wort zusammen und hatten gleich eine Erklärung parat: μίμησις, mímēsis. Der Zwang zur Nachahmung. Einem Kind gleich, dass seine Eltern nachahmt um zu lernen.
 
39
Hierzu bitte v.a. die ästhetische Perspektive betrachten: Roland Barthes: Diderot, Brecht, Eisenstein. In: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Übers. von Dieter Hornig, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1992.
 
40
Richard Schechner: Performance Studies: An Introduction, New York: Routledge, 3. Aufl, 2013.
 
41
Erika Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung. Bielefeld: transcript, 2. unveränderte Auflage, 2013.
 
42
Nikolai Evreinov: Theater für sich selbst, 3 Bde., St. Petersburg 1915–1917, In: Demon teatral’nosti, Moskau 2002, S. 115–408, S. 118.
 
43
Siehe hierzu: Brian Massumi: Autonomy of Affect. 1995. Sowie: Steven Shaviro: The Cinematic Body.
 
44
Besonders die Begriffe ‘o.K.’, ‘die weiße Wand mit schwarzem Loch’ oder ‘Tier-Werden’ sind hierbei relevant: Gilles Deleuze; Feliz Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Hg. von Günther Rösch, Berlin: Merve Verlag, 1992.
 
45
In: Helmut Pape (Hrsg.): Charles S. Peirce. Phänomen und Logik der Zeichen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993. UND: Klaus Oehler (Hrsg.): Charles S. Peirce. Über die Klarheit der Gedanken. Frankfurt am Main: Klostermann, 3. Auflage, 1985.
 
46
Humberto R. Maturana; Francisco J.Varela: Der Baum der Erkenntnis: die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. Übers. von Kurt Ludewig, Frankfurt am Main: Fischer, 2009.
 
47
Man erinnert sich: Erika Fischer-Lichte unterscheidet beim Rhythmus lediglich zwischen Gleichförmigkeit und Regelmaß.
 
48
Siehe dazu: Andreas Mavromantis: Hypnagogia: the unique state of consciousness between wakefulness and sleep. London: Routledge & Keegan Paul, 1987.
 
49
Siehe hierzu vitalistische Diskurse von und über Henri Bergson.
 
50
Vgl. dazu das unvollendete Passagenwerk: Walter Benjamin: Das Passagenwerk. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983.
 
51
Dieses Phänomen kann, als eindimensionale Analogie mit dem Beispiel von sog. Ghost Notes im Spiel von Percussion und Rhythmusinstrumenten verglichen werden. Bei diesen handelt es sich um sanfte, leise Zwischenschläge. Die einzelnen Schläge bzw. Noten im Rhythmus des Taktes sind als Archetypen eines akkustischen Impulses zu verstehen und bilden eine semiotische Beziehung zueinander, welche als Rhythmus innerhalb der Auralität eines Sticks, der auf eine Drum trifft, bezeichnet werden kann. Semiotisch betrachtet ist die Musikalität des Rhythmus nicht wesentlich mehr als eine wahrnehmbare Stimmung der Performativität der einzelnen Impulse, welche als Geisternoten den Rhythmuskörper einer Taktstruktur andicken und somit den Groove des Rhythmus erweitern sollen. Oder als Stütze und Orientierung für den Spieler dienen und damit das Spielen des Instruments mit dem Klangbild (der Ästhetik) fusionieren. Der Groove kann als musikalische, also semiotisch-dimensional reduzierte Form (weil es sich ausschließlich um einen auralen Rhythmus handelt, im Gegensatz zum Theater etc.) der Performativität bezeichnet werden. Bei jenem und insbesondere bei Ghost Notes handelt es sich um eine Vorgehensweise, welche im Idealfall weniger gesehen oder aktiv gehört, sondern primär gefühlt werden soll.
 
52
In Folge wird immer von einem globalistischen Kulturverständnis bzw. einer universalen Anwendungsmöglichkeit der hier zu nennenden Begriffe ausgegangen. Kulturgrenzen spielen keine Rolle. Alle Menschen unabhängig von Kultur verstehen ein Lächeln oder ein Lachen. Im Gegensatz dazu wird Weinen oder Schreien ebenfalls verstanden. In diesem Maßstab muss die Semiotik der Postperformativität erörtert werden.
 
53
Die Relevanz der Burlesquen Ästhetik, nicht nur für den Film, sondern für den gesamten Kulturapparat der Gegenwart wurde hervorragend von Christopher Balme in einem Vortrag zum 200 jährigen Jubiläum von Mary Shelleys „Frankenstein“ erläutert: Christopher Balme [Vortr.]: „Frankenstein and the Burlesque: From The Vampire’s Victim to The Rocky Horror Picture Show“. In: „Lecture Series: Frankensteins Erbe - Künstlerische Produktion und künstliche Reproduktion“. München: Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), 25.01.2018.
 
54
Georges Méliès [Reg.]: Le Voyage dans la Lune. Ebd. [Prod.], FR: Georges Méliès, Star-Film, 24 min. insg., 1902.
 
55
Jacques Rancière: Aisthesis. Vierzehn Szenen. Übers. von Richard Steurer-Boulard. Wien: Passagen Verlag, 2013, S. 245.
 
56
Rancière bezieht sich in der Betrachtung von Chaplin in diesem speziellen Kontext auf ein Zitat von Viktor Schklowskij. Einem zeitgenössischen bzw. an der künstlerischen Avantgarde der 1920er Jahre interessierten Kunst- u. Literaturkritiker.
 
57
David Lynch [Reg.]: Eraserhead. David Lynch [Prod.], US: American Film Institute (AFI), Libra Films, 89 min. insg., 1977.
 
58
Der scholastische Begriff sui generis ist praktisch für eine analysierende Anwendung einer, sich der grundsätzlichsten Anständigkeit der Logik entziehenden, Ästhetik. Schwierige Themen bzw. fremde / nicht-euklidische / tabuisierte / extreme oder perverse Gegenstände können so klassifiziert werden, ohne das der Klassifizierende sein Subjekt in den Kontext des Gegenstandes einarbeiten muss (und Gefahr läuft wahnsinnig zu werden, oder seelische Verletzungen davon zu tragen). Ist der Gebrauch dieses Begriffes im wissenschaftlichen Sinn faul, weil sich der Anwender weniger Arbeit machen muss? Nicht wenn ein unmenschlicher Gegenstand betrachtet wird. „Eraserhead“ (1977) ist genau das: Unmenschlich. Was hat David Lynch zu solchen Abgründen bewogen? Der einzige Trost während der Rezeption scheint die Metabene: Es ist ja nur ein Film.
 
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David Lynch [Reg.]: Blue Velvet. Fred C. Caruso [Prod.], US: De Laurentiis Entertainment Group (DEG), 120 min. insg., 1986.
 
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David Lynch [Reg.]: Lost Highway. Deepak Nayar, Tom Sternberg, Mary Sweeney [Prod.], US: October Films, CiBy 2000, Asymmetrical Productions, 134 min. insg., 1997.
 
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David Lynch [Reg.]: Mullholland Drive. Neal Edelstein, Tony Krantz, Michael Polaire, Alain Sarde, Mary Sweeney [Prod.], US: Les Films Alain Sarde, Asymmetrical Productions, Babbo Inc., 147 min. insg., 2001.
 
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David Lynch [Reg.]: Inland Empire. David Lynch, Mary Sweeney [Prod.], US: StudioCanal, Fundacja Kultury, Camerimage Festival, 180 min. insg., 2006.
 
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Darren Aronofsky [Reg.]: Pi. Eric Watson [Prod.], US: Harvest Filmworks, Truth and Soul Pictures, Plantain Films, 84 min. ings., 1998.
 
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Gerade „Pi“ (1998) ist ein Film der von transgressiver Ästhetik definiert wird: Das Erkennen spielt thematisch eine Rolle und verweist dadurch auf eine verbissene Weltsicht des Protagonisten Max (Sean Gullette). Schwarzweiße Bilder sind da nur der Anfang einer ästhetischen Visualisierung des Charakter-Inneren.
 
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Bspw. beim deutschen Independent-Film „Der Nachtmahr“ (GER: AKIZ, 2016), welcher sich ebenfalls einer „Lynch-esquen“ Ästhetik bedient, sicherlich auch aufgrund einer absoluten Low-Budget-Philosophie in der Entstehung. Der Film beginnt mit einem Zeichen; Drone-Geräusche füllen ein schwarzes Bild auf. Dann eine Warnung, wobei das Wort „Warnung“ rot und großgeschrieben über der Mitteilung platziert ist: „Der folgende Film enthält blinkende Lichter und Muster die in Einzelfällen epileptische Reaktionen hervorrufen können!“; eine Schwarzblende; erneut eine „Warnung“: „Dieser Film enthält isochronische Töne und binaurale Frequenzen!“ – Schwarzblende – die Drone-Geräusche nehmen zu und bilden nun eine isochronische Basslinie, in Verwendung bspw. in der Trance Musik“ – „Wie auch immer...“ es folgt eine weitere Schwarzblende in einem eigenen Climax – „... dieser Film sollte laut abgespielt werden!“. Diese doppelte Warnung zu Beginn ist ein stilistischer Verweis: Nun öffnet sich das Tor zu einer alternativen Weltsicht. Ähnlich wie in „Pi“ (1998). Das die Partyszene Berlin hierbei das gewählte Thema ist kann als nebensächlich betrachtet werden, als Verweis auf die ästhetischen Stilmittel bspw. die Musik Remixes von Atari Teenage Riot oder Boys Noize. Markus Stiglegger schreibt in einem Kommentar zur DVD: „AKIZ behandelt die Musik geradezu wie einen gleichwertigen Protagonisten. Und mit ihr kommt der DJ als eklektizistischer Zitatkünstler ins Spiel. Im Film ist er Tinas Objekt der jugendlichen Begierde. Doch letztlich reflektiert er den hypermodernen Filmemacher als synkretistischen Remixer“ („Nachtmahr“ DVD Booklet, 2016). Diese Metamorphose der Ästhetik bis hin zur Narrative kann auch in „Pi“ (1998) beobachtet werden: Das Chaos der Zahlen hat einen eigenen Willen. Doch ist diese Methode zunächst nur bei einem zu sehen gewesen: David Lynch.
 
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Georg Seeßlen: David Lynch und seine Filme. Marburg: Schüren Verlag, 6. Aufl., 2006.
 
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Oliver Schmidt: Leben in gestörten Welten. Der filmische Raum in David Lynchs Eraserhead, Blue Velvet, Lost Highway und Inland Empire. Stuttgart: Ibidem Verlag, 2008.
 
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Im Gegensatz zum produktionstechnischen / werbungsrelevanten Sinn.
 
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Man kann für jenes Sinnbild durchaus die Ansichten und Katalogisierung von Erika Fischer-Lichte mit anderen bildtheoretischen, bspw. affektzentrierten Methoden verbinden. Schließlich ist Film als Medium durchaus in der Lage zu adaptieren.
 
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Wobei der Kartograph immer nur die Umstände aufzeigen und festhalten kann. Es obliegt dem Leser, „eine geistige Route aus der Karte zu berechnen“, also die angebotene Methode zu nutzen.
 
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Gilles Deleuze: Das Zeitbild. Kino 2. Übers. von Klaus Englert. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997, S. 175.
 
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Der infame sog. „Deleuzianer“.
 
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Um es einmal klar auszuschreiben: Die Deleuze'schen Bildtypen sind als absolutes Grundwissen dieser Arbeit vorauszusetzen. Doch eine kurze Zusammenfassung kann nicht schaden. Allen Bildertypen geht das Wahrnehmungsbild voraus. Es ist kein echter, sondern ein virtueller Bildtyp, eine Annahme auf dessen Basis das Naturell der Bilderinstanz an sich fußt. In „Kino 2. Das Zeitbild“ überarbeitet Deleuze seine Bewegungs-Bild-Begriff und formt eine klare Abstufung der Bilder anhand ihrer Zeichen. Er unterscheidet so grob zwischen vier Typen. 1) Wahrnehmungsbild; Basis und „Nullheit“ vor der Peirce'schen „Erstheit“. Es ist der Moment der Realisation, dass ein filmisches Bild passieren könnte, passiert, passiert ist und passieren wird. Es ist zeitlich ungelöst und lediglich die Annahme der filmischen Bildlichkeit. Er schreibt dazu: „Wenn das Bewegungs-Bild bereits Wahrnehmung ist, dann ist das Wahrnehmungsbild Wahrnehmung der Wahrnehmung, und die Wahrnehmung hat zwei Pole, je nachdem, ob sie sich mit der Bewegung oder mit dem Bewegungsintervall identifiziert (Variation aller Bilder in ihrem Verhältnis zueinander oder Variation aller Bilder im Verhältnis zu einem von ihnen). Und die Wahrnehmung wird im Bewegungs-Bild nicht einen ersten Bildtypus konstituieren, ohne sich in den anderen Bildtypen – falls sie vorhanden sind – fortzusetzen: Aktionswahrnehmung, Affektwahrnehmung, Relationswahrnehmung, etc.“ (Kino 2, S. 49). 2) Das Aktionsbild. Der Großteil der filmischen Bilder, besteht aus dieser Sorte. Es ist die Wahrnehmung einer filmischen Aktion und die Reaktion darauf. Es existiert in diversen Formen. Bspw. das Bewegungs-Bild; empfängt einen Impuls, stellt diese mit Zeichen (Sono- bzw. Optozeichen) aus. 3) Das Affektbild. Oftmals als Verbindung einer Wahrnehmung zwischen Körper – also Filmkörper, Figurenkörper und Rezipientenkörper – bezeichnet, was nur eine grobe Zusammenfassug darstellt. Tatsächlich ist das Affektbild unmittelbarer Impuls. Reiner Affekt. Wenn Schrecken so dargestellt wird, ist das Bild selbst schrecklich und Schrecken zugleich. Wichtig hierbei die Gleichzeitigkeit. Multiple Bedeutungen existieren in einer Transgression der filmischen Sprache. Ein Urzustand der Wahrnehmung. 4) Zuletzt das Zeitbild, in welchen Deleuze seine virtuelle Kristalle wiederfindet. Er beschäftigt sich in dieser Kategorie mit ununterscheidbaren Bedeutungen, Gleichzeitigkeit und „Irreduzibilität“, die aus der „unteilbare Einheit eines aktuellen und »seines« virtuellen Bildes“ besteht (Kino 2, S. 108). Es ist die komplexeste Bilderform, da sie virtuelle und aktuelle Impulse miteinander vermischt. Überdies unterscheidet Deleuze noch zwischen Vermittlungsinstanzen (Triebbild und Reflektionsbild) und kommt so auf sechs sichtbare, sensuelle Bildertypen (zusätzlich zu dem Wahrnehmungsbild, Affektbild, Aktionsbild, Relationsbild). Das Reflektionsbild wird auch in dieser Arbeit besprochen werden. Allerdings in einer anderen Form.
 
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Bezogen wird sich hierbei auf: „The Unanswered Question 1973 1 Musical Phonology Bernstein Norton“, https://​www.​youtube.​com/​watch?​v=​8fHi36dvTdE, 09.09.2014, letzter Zugriff 16.01.2021)
 
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Sogar während der erstmaligen Aufnahme soll der Pianist Tommy Flanagan mit dem Tempo und den ungewohnten Harmonien zu kämpfen gehabt haben.
 
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Nicht-ästhetische Effekte, hauptsächlich inszenatorische oder narrative sind altbekannt und allgegenwärtig. Bspw. der Twist oder der Schock als narrativer Effekt. Und inszenatorische Effekte wie der Jump Scare. Diese Beispiele verdeutlichen schon die ganzen Anwendungsmöglichkeit, wenn doch nur ästhetische Effekte weiterentwickelt werden könnten, und bspw. über eine allein visuelle Ebene hinausreichen könnten. Den funktionieren und sind im Mainstream durch und durch etabliert. Die Serie „Game of Thrones“ (US: D.B. Weiss; Dan Benioff, 2011−2019) hat sich bspw. u.a. wegen ihrer Schockeffekte im Materiestrom etabliert. Sodass alleine die infamen Spezial-Begriffe wie „Red Wedding“, „Mountain vs. Viper“ etc. ausreichen um eine klare Repräsentation ihrer Effekte und der Rezeption dieser abzuzeichnen.
 
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Ein Beispiel dafür ist die These von Lindsay Ellis in ihrem Youtube Videoessay „How Aladdin Changed Animation (by Screwing Over Robin Williams)“ (https://​www.​youtube.​com/​watch?​v=​nyiBdccfNkg, 20.05.2019, letzter Zugriff 16.01.2021). Sie beschreibt dort die Entwicklung, namenhafte Schauspieler bzw. Stars aus Marketinggründen für Synchronisationsrollen in Animationsfilmen zu besetzen, anstatt spezialisierter Synchronsprecher. Als Beispiel und Ursprung dieser Entwicklung sieht sie Robin Williams Karriere im Animationsfilm und seine ursprüngliche Bitte an Disney seine Sprechrolle in „Aladdin“ (US: Ron Clements; John Musker, 1992) nicht für Marketingzwecke zu missbrauchen.
 
Metadaten
Titel
Was ist der Rausch der Bilder?
verfasst von
Jonathan Partecke
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33841-1_1