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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Was kann gegen Inflation schützen?

verfasst von : Horst Gischer, Bernhard Herz, Lukas Menkhoff

Erschienen in: Inflation in Deutschland und dem Euroraum – ein Überblick

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Inflation kann erhebliche wirtschaftliche Folgen haben, insbesondere wenn die Inflation unerwartet auftritt. Wie lässt sich die zukünftige Inflationsentwicklung prognostizieren? Und welche Option haben private Haushalte und Unternehmen, sich gegen die schädlichen Folgen der Inflation zu schützen?
Inflation kann erhebliche wirtschaftliche Folgen haben, insbesondere wenn die Inflation unerwartet auftritt. Wie lässt sich die zukünftige Inflationsentwicklung prognostizieren? Und welche Option haben private Haushalte und Unternehmen, sich gegen die schädlichen Folgen der Inflation zu schützen?

6.1 Inflationsprognose

Um sich vor Inflation zu schützen wäre es ideal, die Inflationsentwicklung vorhersagen zu können und auf dieser Basis Finanzierungs- und Kaufentscheidungen zu treffen. Das ist aber für normale Bürger:innen ein aussichtsloses Unterfangen. Schließlich tun sich die Profis schon schwer damit, eine kommende Inflation zu antizipieren. Auch die Notenbanken haben die derzeitige Inflationsentwicklung nicht wirklich kommen sehen. Erst als die Inflationsraten schon ungewöhnlich hoch waren, also deutlich über dem Inflationsziel von 2 %, wurden Stimmen laut, dass die Inflation vielleicht doch nicht rasch wieder zum Zielwert zurückkehren würde, sondern die Anpassung Zeit benötigen könnte.
Kurzum, es bleibt den Bürger:innen wenig anderes übrig, als der wirtschaftspolitischen Diskussion zu folgen, und die dort erstellten und kommunizierten Prognosen ernst zu nehmen. Eine bessere Information gibt es nicht.
Eine erste wichtige Konsequenz aus dieser beschränkten Information ist allerdings, sich für verschiedene (Inflations-) Szenarien zu wappnen und nicht alles auf eine Karte zu setzen.
Bei der Geldanlage bedeutet dies grundsätzlich, über die verschiedenen Anlageklassen und Einzeltitel hinweg zu streuen. Wenn es also zum Beispiel konkret darum geht 50.000 € anzulegen, sollte man dies nicht komplett in einer 10-jährigen Bundesanleihe oder in VW-Aktien investieren. Jeder Titel unterliegt gewissen Risiken, darunter auch dem hier interessierenden Inflationsrisiko. Die Bundesanleihe verliert an Wert, wenn die Zinsen steigen. Die VW-Aktie verliert an Wert, entweder wenn alle Aktien fallen oder wenn alle Automobilaktien fallen (weil die Inflation weniger Autokäufe ermöglicht) oder wenn besondere Umstände das Geschäft von VW erschweren und deshalb nur die VW-Aktie fällt. In jedem Fall zählt (unerwartete) Inflation zu den Risikofaktoren, gegen die man sich bei Geldanlagen am einfachsten durch Streuung der Anlagen schützt. Im konkreten Fall könnte dies bedeuten, das Vermögen auf viele Aktien und verschiedene festverzinsliche Wertpapiere, vor allem mit unterschiedlicher Laufzeit, zu verteilen.

6.2 Absicherung gegen steigende Verbraucherpreise

Gegen steigende Verbraucherpreise lässt sich wenig ausrichten. Am einfachsten ist es noch, sofern möglich, Konsumausgaben für langlebige Konsumgüter zu verschieben, in der Hoffnung eines Tages wieder preiswerter einkaufen zu können. Aber wer weiß schon, wie hoch eines Tages die Preise und die Kaufkraft genau sein werden. Ansonsten lassen sich Preise vergleichen und Sonderangebote nutzen. Dies aber führt zu den typischen sogenannten „Suchkosten“ von Inflation, einer Variante der Schuhsohlenkosten. Das muss dann jeder Haushalt entscheiden, inwieweit diese Suchen notwendig ist und den Aufwand rechtfertigt. Wegen der möglicherweise größeren Beträge und vielfältigeren Optionen lohnen sich häufig Gedanken zu Vermögensanlagen und Schulden.

6.3 Inflation beeinflusst Geldanlagen und Kredite

Während der Einfluss der Inflation auf Verbraucherausgaben ärgerlich ist, kann der Einfluss auf Vermögen existenziell sein. Deutschland hat damit im letzten Jahrhundert zweimal schlechte Erfahrungen gemacht. Zuerst wurden in der Inflation 1923 Geldvermögen praktisch komplett entwertet und nach dem zweiten Weltkrieg wurden Geldvermögen nur zu einem Wert von 10 % in die neue Währung, die D-Mark, umgetauscht.
Inflation entwertet nicht nur das Geldvermögen, sondern auch Schulden, also aufgenommene Kredite. Wenn zum Beispiel die Inflation 10 % in einem Jahr beträgt, dann ist der Kredit in Kaufkraft am Ende des Jahres nur noch 90 % so hoch. Im Extremfall der völligen Geldentwertung wie in den frühen zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich die Schulden also vollkommen entwertet. Man kann drei idealtypische Fälle unterscheiden:
Nur Geldvermögen: Wenn jemand sein Vermögen zum Beispiel nur als Termingeld hält, dann ist dieses Vermögen nach einer Inflation deutlich weniger wert, im Grenzfall kann es auch einmal vollkommen verloren gehen.
Nur Sachvermögen: Wenn jemand zum Beispiel sein Vermögen nur als Immobilienvermögen hält, dann bleibt dieses Haus erhalten, gleichgültig wie hoch die Inflation ist.
Sachwerte auf Kredit gekauft: Wenn jemand zum Beispiel ein Haus nur auf Kredit gekauft hat, dann wird der Kredit entwertet und man besitzt am Ende eines Inflationsprozesses das Haus im Grenzfall ohne Schulden.

6.4 Rentabilität von Vermögensformen in Inflationszeiten

Tendenziell schützt also Sachvermögen besser gegen hohe Inflation als Geldvermögen. Dies gilt insbesondere bei extrem hoher Inflation, wie bei den oben erwähnten Beispielen. Es gilt auch in der Phase unerwartet hoher Inflation, weil sich bis dahin die Zinsen nicht angepasst haben. Sofern es allerdings wieder zu einer Stabilisierung kommt, wie in Deutschland in den 70er und frühen 80er Jahren, können auch Geldanlagen, bspw. in festverzinslichen Wertpapieren attraktiv sein, weil dann hohe Zinsen vielleicht über zehn Jahre ausgezahlt werden, obwohl die Inflation längst wieder zurückgegangen ist. Folglich ist der empirische Zusammenhang zwischen Inflationsphasen und den Renditen verschiedener Anlageformen nicht so einfach.

6.5 Absicherung gegen inflationsbedingte Vermögensverluste

Wegen der Komplexität der Zusammenhänge beschreiben wir im folgenden Wirkungszusammenhänge für vier Anlageformen, die häufig als Inflationsschutz angesehen werden: Immobilien, Aktien, Gold und indexierte Anleihen.
Immobilien
Wohn- oder Gewerbeimmobilien zählen zum Sachvermögen und bleiben auch bei inflationären Prozessen erhalten. Allerdings sind sie deshalb nicht unbedingt wertstabil. Immobilienpreise schwanken in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage, was sowohl für die gesamte Volkswirtschaft gilt, als auch für Regionen oder einzelne Objekte. In Deutschland sind die Immobilienpreise im letzten Jahrzehnt sehr stark gestiegen, insbesondere in Ballungsräumen. Bei höherer Inflation, steigenden Baupreisen und steigenden Zinsen ist der Nettoeffekt verschiedener Einflüsse nicht eindeutig. Setzt sich der Effekt steigender Zinsen durch, dann sinkt die Nachfrage und dies dämpft die Preisentwicklung. Dominiert dagegen die Baupreisentwicklung, dann wird weniger gebaut und die Preise steigen eher weiter. Es ist festzuhalten, dass Immobilien ein Vermögensgegenstand sind, der zwar physisch erhalten bleibt, dessen Wert aber schwanken wird und keinen perfekten Inflationsschutz bieten kann.
Aktien
Was für Immobilien gilt, trifft ähnlich auf Aktien zu. Im Grunde beteiligen sich die Aktionär:innen an einem Unternehmen, oder wenn man viele Aktien hält, an der „Wirtschaft“. Tendenziell sind niedrige Inflationsraten für die wirtschaftliche Entwicklung unschädlich, sodass Unternehmen nicht darunter leiden, und Aktien dagegen gut absichern. Bei höheren Inflationsraten dagegen fällt es nicht allen Unternehmen leicht, höhere Kosten auch über höhere Preise am Markt durchzusetzen. Hinzu kommen dann eventuell gesamtwirtschaftlich störende Einflüsse hoher Inflation, also eine Abschwächung der realen Nachfrage. In der Summe bieten Aktienanlagen einen gewissen Inflationsschutz, aber eben mit Einschränkungen.
Gold
Eine „klassische“ Anlagen zum Schutz vor Inflation ist Gold (oder andere Edelmetalle, Rohstoffe, u. ä.). Tatsächlich ist Gold physisch wertbeständig und langlebiger als Immobilien, die technisch veralten. Ansonsten gilt aber wieder, was auch auf andere Vermögensformen zutrifft: es gibt mehrere Einflussfaktoren für die Wertentwicklung und Inflation ist nur eine davon. Gold bietet insofern eine gewisse Absicherung, aber keinen wirklich direkten Schutz. Empirisch reagiert der Goldpreis stärker auf große Krisen als auf Inflation.
Indexierte Anleihen
Der Kauf von sogenannten inflationsindexierten Anleihen ist der direkteste Weg sich gegen Inflation abzusichern. Solche Inflationslinker, vom englischen „Inflation-Linked Bond“ abgeleitet, werden in der Regel von Staaten ausgegeben. Sie wurden dafür geschaffen, Anleger:innen einen Inflationsausgleich zu bieten. Dazu werden die Tilgungs- und die jährlichen Zinszahlungen an einen Verbraucherpreisindex gekoppelt, und die Investor:innen sind so bei Inflation vor dem Kaufkraftverlust des angelegten Geldes geschützt. Anders als bei konventionellen Anleihen stehen also die jährlichen Zinszahlungen und die Tilgung anfangs nicht fest, sondern werden entsprechend der Inflation angepasst. „Bezahlt“ wird für diesen Schutz der Kaufkraft in Form eines niedrigeren Zinskupons als bei vergleichbaren konventionellen Anleihen. Kaufen sollten solche inflationsindexierten Anleihen aber nur erfahrene Anleger:innen, handelt es sich dabei doch um ein komplexes Finanzprodukt. Der Anlageerfolg hängt nicht von den augenblicklichen Inflationsraten ab, sondern von den Erwartungen zukünftiger Inflationsraten und wie sich diese mit der Zeit verändern. Auch andere Faktoren, wie die allgemeine Entwicklung des Renditeniveaus am Anleihemarkt, spielen eine wichtige Rolle.
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