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06.02.2025 | Wasserstoff | Im Fokus | Online-Artikel

Wie erhält Deutschland grünen Wasserstoff?

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

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Der globale H2-Potenzialatlas hat Wasserstoff-Exportländer identifiziert, mit denen Deutschland kooperieren könnte. Das würde den Zugang zu grünem Wasserstoff sichern. Kostengünstig wird der H2-Import allerdings nicht. 

Deutschland wird wohl einen Großteil des grünen Wasserstoffs und der wasserstoffbasierten Syntheseprodukte importieren müssen. Das geht aus dem globalen Wasserstoff-Potenzialatlas hervor, der im Projekt "Hypat" entwickelt wurde. Der Bedarf sei gerade in Deutschland hoch, da hierzulande erneuerbare Energiequellen nur bedingt zur Verfügung stünden, aber die Nachfrage nach Wasserstoff und Syntheseprodukten hoch sein werde. Im Projekt seien daher nachhaltige Standorte für die grüne Wasserstoffwirtschaft identifiziert und analysiert worden.

Der Atlas zeigt mögliche Partnerländer Deutschlands auf, inklusive der potenziellen Handelsvolumina, Produktions- und Transportkosten jeweils für 2030 und 2050. Detailliert analysiert wurden die Exportländer Brasilien, Marokko, Kanada, die Ukraine und die Vereinigten Arabischen Emirate. Am gerade abgeschlossenen Projekt waren neun Forschungseinrichtungen unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) beteiligt.

Ein zentrales Ergebnis des Endberichts sei, dass die globale Nachfrage nach grünem Wasserstoff und seinen Syntheseprodukten deutlich steigen werde. Die Bandbreite des weltweiten Wasserstoffbedarfs im Jahr 2050 liege dabei zwischen 4 und 11 % des globalen Endenergiebedarfs. Für Deutschland liege sie unter anderem aufgrund der Industriestruktur und der großen Bedeutung des Stahl- und Chemiesektors als potenzielle Nachfrager bei circa 20 % des Endenergiebedarfs.

Deutschland muss mit höchsten Wasserstoffpreisen rechnen

Konkret habe das Projekt mithilfe des Simulationstools "H2ProSim" den Import von fünf Power-to-X-Produkten (Flüssigwasserstoff, Ammoniak, flüssige organische Wasserstoffträger, Methanol, Fischer-Tropsch-Produkte) per Schiff betrachtet. Während die Wasserstoff-Produktion als solche den höchsten Anteil an den Kosten habe (zwei Drittel bis drei Viertel), würden je nach Produkt und Produktionsvolumen die Kosten für Synthese, Speicherung und Transport unterschiedlich stark ins Gewicht fallen.

In Abhängigkeit vom gewählten Entwicklungsszenario seien laut der Studie künftig Importkosten von circa 3,50 bis 6,50 Euro pro kg Wasserstoff in 2030 und 2 bis 4,50 Euro in 2050 möglich. Prinzipiell könnten die meisten der im Projekt analysierten Länder Kosten in vergleichbarer Höhe realisieren. Die Großhandelspreise für Deutschland sollen, so die Forscher, mit mehr als 4 Euro pro kg im Jahr 2050 langfristig vergleichsweise hoch sein. Innerhalb der EU und weltweit müsse Deutschland mit den höchsten Wasserstoffpreisen rechnen. Diese hohen Preise könnten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie beeinträchtigen, insbesondere im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Kanada, die günstigeren Zugang zu Wasserstoff hätten.

In Anbetracht der Kosten und begrenzten Verfügbarkeit sollte sich der Wasserstoffeinsatz auf Sektoren fokussieren, in denen es kaum andere Optionen gebe wie etwa die Stahl- und Grundstoffchemie oder der Flug- und Schiffstransport. Um Wasserstoff und die Syntheseprodukte in Bereichen wie Gebäudewärme oder im straßengebundenen Verkehr einzusetzen, müssten die Preise hierfür sehr niedrig sein, was sich derzeit nicht abzeichne. 

Ausbau internationaler Transportinfrastrukturen

Ob der Transport per Schiff oder Pipeline günstiger sei, müsse für jedes Land individuell beantwortet werden, so die Studie. Während der Import per Schiff eine größere Flexibilität für Marktteilnehmer erlaube, bringe der Pipeline-Transport einerseits strategische Partnerschaften und andererseits Abhängigkeiten mit sich.

Für den Import von reinem Wasserstoff per Schiff zeichne sich Flüssigwasserstoff langfristig als kostengünstigste Option ab, so die Forscher, allerdings sei diese Technologie noch nicht marktverfügbar. Unter den Power-to-X-Produkten sei Ammoniak der vielversprechendste Kandidat, gefolgt von Methanol und Fischer-Tropsch-Syntheseprodukten. Die Studienautoren empfehlen daher die Förderung von Ammoniak als kurz- und mittelfristig am einfachsten realisierbares und günstigstes Produkt. Zudem sollte die Entwicklung von Flüssigwasserstoff-Technologien als potenziell wirtschaftlich attraktivste Option für Wasserstoffimporte beschleunigt werden.

Bedürfnisse der Partnerländer beachten

Die Projektpartner haben auch Umweltaspekte, Nachhaltigkeitskriterien und soziale sowie wirtschaftliche Entwicklungschancen für die Exportländer, wie die erwartete Wertschöpfung vor Ort, Arbeitsplätze und weitere Co-Benefits betrachtet.

Die Wasserstoff-exportierenden Länder könnten demnach durch den Handel profitieren. So könne der Ausbau der für die Produktion nötigen erneuerbaren Energien zu einer schnelleren Energiewende und geringen Stromkosten führen. Dieser Synergieeffekt könne sich jedoch bei steigenden Exportvolumina wieder abschwächen. Wenn das erneuerbare-Energien-Potenzial ausgeschöpft sei, könne es zu Strompreissteigerungen im Exportland kommen. Länder, die ihre Industrie und Energiewirtschaft schneller defossilisieren könnten, sollten zudem den Vorzug erhalten.

Nachhaltige Wasserversorgung für Wasserstoffproduktion

Daneben gelte es auch laut Bericht die Wasserverfügbarkeit zu berücksichtigen. Um ein Kilogramm Wasserstoff zu produzieren, benötigen Elektrolyseure aktuell 15 bis 20 kg Frischwasser (einschließlich Verlusten und Kühlung). Zudem werde in deutlich geringerem Maße Wasser für die Stromerzeugung benötigt – als Kühlmittel oder zur Reinigung von Photovoltaikanlagen, sowie je nach Produkt für die Synthese. In Regionen mit geringen Süßwasserreserven müssten daher Alternativen (Meerwasserentsalzung, Transport durch Pipelines) in die Planung von nachhaltigen Wasserstoff-Projekten eingehen. 

Fazit am Projektende mit Blick auf Deutschland

Prof. Dr. Martin Wietschel, der am Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet und das Hypat-Projekt koordinierte, zieht am Projektende folgendes Fazit: "Im Projekt HYPAT wurde klar, dass sich Deutschland als großer künftiger Nachfrager um eine stabile und nachhaltige Versorgung mit dem zukunftsträchtigen Energieträger Wasserstoff kümmern muss – gerade auch mit Blick auf seine künftige Wettbewerbsfähigkeit, da der Wasserstoffeinsatz zur Dekarbonisierung in wichtigen Industriebereichen alternativlos ist. Daher gilt es, sich um internationale Kooperationen sowohl mit anderen importierenden Ländern als auch mit Exportländern zu bemühen. Fehler aus der Vergangenheit wie einseitige Abhängigkeiten sollten vermieden werden und bei der Auswahl künftiger Partner neben ökonomischen auch soziale und politische Faktoren eine zentrale Rolle spielen."

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