Skip to main content

05.10.2022 | Wasserstoff | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Wasserstoff den Schwerlastverkehr erobert

verfasst von: Dieter Beste

5 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Neben batterieelektrischen Antrieben suchen Wasserstofftechnologien ihre Chancen im Verkehr der Zukunft. Eine Metaanalyse mehrerer Studien kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass deren Bedarf von schweren Lkw dominiert sein wird.

Wasserstoff gilt weltweit als wichtiger zukünftiger Energieträger, der in vielen Bereichen der Industrie oder auch im Gebäudesektor zur Anwendung kommen kann. Kontrovers diskutiert wird seine künftige Rolle im Verkehrsbereich – wird er in Antrieben von Pkw und Lkw reüssieren können? Während derzeit meist auf Elektromobilität gesetzt werde, erhalte die Wasserstofftechnologie "noch zu wenig Aufmerksamkeit", beklagt sich Siegfried Balleis im Kapitel Wasserstoff – Bindeglied zwischen Energiewende und Verkehrswende (Seite 564) des Buchs Smart City – Made in Germany. Laut Balleis ist der Einsatz von Wasserstoff "ein ideales Bindeglied zwischen der Energiewende einerseits und der Verkehrswende andererseits". 

Empfehlung der Redaktion

2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Der Wasserstoffmotor im Nfz: Brückentechnologie oder langfristige Lösung?

Die Europäische Union schreibt ein verpflichtendes CO2-Reduktionsziel von 30 % am schweren Nutzfahrzeug im Jahr 2030 vor. Auf Basis der Gesetzgebung sind die technischen Wege zur Zielerreichung nicht zwingend vorgeschrieben. 

Um zu mehr Übersicht in der recht komplexen Wasserstoff-Gemengelage zu kommen, führen die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und die Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (Dechema) seit Sommer 2021 das Projekt Wasserstoff-Kompass  durch. Ziel des Projektes ist es, forschungs- und innovationspolitische Handlungsoptionen aufzuzeigen; Ausgangspunkt ist die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung vom Juni 2020. 

In einer Metaanalyse zum Einsatz von Wasserstoff im inländischen Mobilitätssektor haben die Projektpartner jetzt vier einschlägige Studien miteinander verglichen. Demnach werden in den meisten Szenarien im Jahr 2045 zwischen 6 und 33 % des inländischen Endenergiebedarfes des Verkehrssektors durch Wasserstoff gedeckt. In absoluten Zahlen bedeutet das: Im Jahr 2045 wird im Verkehrssektor Wasserstoff in einer Größenordnung von 25 bis 100 TWh verwendet, während der Gesamtenergiebedarf des Verkehrsbereiches 300 bis 400 TWh beträgt. 

60 bis 80 % des im Verkehr eingesetzten Wasserstoffs werden im Schwerlastverkehr benötigt. Auch im Busverkehr und in der Binnenschifffahrt kann der Einsatz von Wasserstoff anteilig sehr hoch sein, allerdings wird der Endenergiebedarf dieser Sektoren insgesamt gering sein, so ein Ergebnis der Metastudie "Wasserstoff im Mobilitätssektor". Im Jahr 2045 werden laut der untersuchten Szenarien 85 bis 150 TWh Wasserstoff darauf verwendet werden, E-Fuels herzustellen. Diese E-Fuels – also unter Einsatz von Wasserstoff erzeugte synthetische Kraftstoffe – werden primär im inländischen Luftverkehr und, in geringerem Maße, in der inländischen Schifffahrt zum Einsatz kommen. Auf deutschen Straßen werden E-Fuels lediglich dazu beitragen, Bestandsflotten sowie den Schwerlastverkehr auf der Langstrecke zu defossilisieren.

Ergebnisse der Meta-Analyse

Die Ergebnisse ihrer Metastudie fassen die Autoren in fünf zentralen Kernaussagen zusammen:

  • Der deutsche Endenergiebedarf im Verkehr beträgt in den Jahren 2045/2050 etwa 300 bis 400 TWh: Aufgrund der Gesamteffizienzen werden alle Bereiche elektrifiziert, wo dies möglich ist. Falls dies technisch nicht möglich oder ökonomisch nicht sinnvoll ist, werden Wasserstoff und als letzte Option E-Fuels genutzt.
  • 25 bis 100 TWh des deutschen Verkehrs-Endenergiebedarfs werden durch Wasserstoff gedeckt: 60 bis 80 % des im Verkehr eingesetzten Wasserstoffs werden im Schwerlastverkehr benötigt. Auch im Busverkehr und in der Binnenschifffahrt ist Wasserstoff signifikant, aber der Endenergiebedarf dieser Sektoren ist recht klein.
  • 85 bis 150 TWh entfallen auf E-Fuels: E-Fuels werden primär in der Luft- und in geringerem Maße in der Schifffahrt benötigt. Auf der Straße werden E-Fuels zur Defossilisierung des Bestands sowie in einigen Szenarien für den Schwerlastverkehr auf der Langstrecke benötigt.
  • Politisches Ziel ist es, dass Wasserstoff vorrangig in nicht elektrifizierbaren Sektoren genutzt wird: In den meisten Szenarien wird das Emissionsziel von 85 Mio. t CO2 im Jahr 2030 verfehlt.
  • Internationale politische Ziele und Pläne ähneln den deutschen in großen Teilen: International verfolgen primär Südkorea und Japan das Ziel, Wasserstoff in der Pkw-Sparte einzusetzen. Deutsche Automobilhersteller sehen den Einsatz der Brennstoffzelle eher im Lkw-Segment.

Mission Klimaneuralität ist in vollem Gange

Tatsächlich hat der Lkw-Verkehr weltweit einen hohen Einfluss auf die Gesamtemissionen des Verkehrssektors. Dessen Schadstoffemissionen konnten durch fortschrittliche Antriebs- und Abgasreinigungstechnik allerdings inzwischen so weit abgesenkt werden, dass neu zugelassene Fahrzeuge in Europa und den USA kaum noch einen Einfluss auf die Luftqualität haben, merkt Andreas Renschler im Kapitel Technologischer Wandel: Das Nutzfahrzeug der Zukunft (Seite 30) des Buchs Die Zukunft des Nutzfahrzeugs in Zeiten der Transformation an. Der Fokus der Regulierungsbehörden habe sich weltweit nun auf die Emission von Treibhausgasen verlagert – "doch auch die Logistikunternehmen und die Nutzfahrzeughersteller suchen nach Wegen, den Klimaschutz zu verbessern. So haben sich die europäischen Nutzfahrzeughersteller im Dezember 2020 darauf verständigt, ab 2040 keine Fahrzeuge mehr zu verkaufen, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden." 

Wie man in der Praxis die mit diesem Plan verbundenen Herausforderungen der Zukunft konkret annimmt, wurde kürzlich auf der IAA-Transportation 2022 in Hannover sichtbar. "Die Branche treibt die größte Transformation ihrer Geschichte entschlossen voran und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen", kommentierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller: "Die Transport- und Logistikbranche bringt die Innovation jetzt auf die Straße – die Mission Klimaneuralität ist in vollem Gange."

Daimler Truck zeigt Praxistauglichkeit von Wasserstoff-Lkw

So sind beispielsweise erste Brennstoffzellen-Prototypen des Mercedes-Benz GenH2 Truck seit vergangenem Jahr im Testeinsatz – sowohl auf der hauseigenen Teststrecke als auch auf öffentlichen Straßen. Mit einem der Fahrzeuge demonstrierte der Lkw-Hersteller auf der IAA-Transportation 2022 die Praxistauglichkeit eines voll beladenen 40-t-Wasserstoff-Lkw auf öffentlichen Straßen inklusive Betankung an einer Shell-Station in Laatzen in der Nähe des Messegeländes, und zwar mit grünem und damit CO2-neutralen Wasserstoff. Der mit einer Straßenzulassung ausgestattete prototypische Mercedes-Benz GenH2 Truck wird mit gasförmigem Wasserstoff betrieben und betankt. 

Bei der Entwicklung wasserstoffbasierter Antriebe bevorzugt Daimler Truck nach Unternehmensangaben auf lange Sicht den flüssigen Wasserstoff. Der Energieträger hat in diesem Aggregatzustand im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff eine deutlich höhere Energiedichte bezogen auf das Volumen. Dadurch kann mehr Wasserstoff transportiert werden, was die Reichweite deutlich erhöht und so eine vergleichbare Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs mit der eines konventionellen Diesel-Lkw ermöglicht. Ziel der Entwicklung seien Reichweiten von bis zu 1.000 km und mehr ohne Tank-Zwischenstopp.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

    Premium Partner