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08.09.2021 | Wasserstoff | Schwerpunkt | Online-Artikel

H2-Motor und Brennstoffzellenantrieb im Systemvergleich

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

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Wasserstoffantriebe haben das Potenzial, Emissionen im Schwerlastverkehr zu reduzieren. Ist dazu aber der H2-Motor oder die Brennstoffzelle besser geeignet? Ein Technologievergleich.
 

Nutzfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von über 3,5 t sind laut Statistischem Bundesamt für 26 % der CO2-Emissionen im Straßenverkehr verantwortlich. Obwohl in den vergangenen Jahren die Effizienz der Antriebe erhöht wurde, seien die Gesamt-CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen zwischen 1990 und 2018 um 24 % gestiegen, so die Behörde. Daher stehen auch alternative Antriebssysteme als Energieträger im Fokus, um die Klimaziele auch im Nutzfahrzeugbereich zu erreichen. 

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Systemvergleich CO2-freier Nutzfahrzeugantriebe

Wasserstoff gewinnt in der derzeitigen Diskussion um neue Energieträger für den Nutzfahrzeugbereich an Bedeutung. Meist wird hierbei die Nutzung einer Brennstoffzelle impliziert, wobei auch die Möglichkeit der Nutzung eines Wasserstoff-Verbrennungsmotors besteht. Eine CO2-Emissionsreduzierung ist mit beiden Antriebskonzepten möglich. Im vorliegenden Beitrag werden verschiedene Alternativen zum konventionellen, mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Verbrennungsmotor verglichen: BEV, PEM-BZ und HICE. 

H2-Motor und H2-BZ: Potenzial im Fernverkehr

Vor allem Wasserstoff ist eine mögliche Option, wenn für eine CO2-Minderung regenerative Energieträger als Primärenergiequelle genutzt werden. Komprimierter Wasserstoff liefert im Vergleich zur Batterietechnologie dieselbe Menge Energie bei geringerem Gewicht und Volumen. Zwei wasserstoffbasierte Antriebe stehen zur Wahl: Zum einen der Brennstoffzellenantrieb in Kombination mit einem Elektromotor (H2-BZ). Zum anderen die Möglichkeit, den Wasserstoff in einem Wasserstoffhubkolbenmotor zu verbrennen (H2-Motor). Beide Wasserstoffantriebe – Brennstoffzelle mit E-Motor und H2-Verbrennungsmotor – sind Optionen für Fahrzeuge, die höhere Anforderungen an Nutzlast, Reichweite und Flexibilität haben. Für beide Varianten werden ein Tanksystem im Fahrzeug und eine Wasserstoffinfrastruktur benötigt.

Die Studie "Systemvergleich Wasserstoffverbrennungsmotor und Brennstoffzelle im schweren Nutzfahrzeug" hat jetzt die Pro und Contra des Wasserstoffverbrennungsmotors und der Brennstoffzelle im Schwerlastverkehr analysiert. Der Vergleich zeigt: Beide Technologien haben Potenzial im Fernverkehr. Mittelfristig zeige sich eine Tendenz für den Einsatz der H2-Brennstoffzelle, wie die von e-mobil BW herausgegebene Analyse verdeutlicht. Untersuchungsgegenstand der Arbeit sind 40-t-Lkw, die den Großteil der Emissionen bei den Nutzfahrzeugen erzeugen. Studienautoren sind AVL List sowie das Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).

e-mobil-BW-Studie: H2-BZ hat leicht die Nase vorn

Für die H2-BZ konnten im Vergleich geringere Wartungskosten, höhere Effizienz und besseres Kostensenkungspotenzial als klare Vorteile gegenüber dem H2-Motor identifiziert werden, so die Studie. Sofern die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, verfüge die Brennstoffzelle langfristig über mehr Potenzial, um zur führenden Wasserstofftechnologie in schweren Lkw zu werden. Sie weise allerdings noch Entwicklungsrisiken auf, betonen die Studienautoren. 

Der H2-Motor hat große Analogien zum konventionellen Verbrennungsmotor. Das verspreche daher geringere Unsicherheiten und eine schnellere Umsetzbarkeit, wie die Studie darlegt. Sein Kostensenkungspotenzial erscheine begrenzt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der H2-Motor kurz- bis mittelfristig eine sinnvolle Ergänzung zum Brennstoffzellenantrieb im schweren Nutzfahrzeug darstellen kann. So hat sich zum Beispiel das Wasserstoff-Start-up Keyou zum Ziel gesetzt, konventionelle Nfz-Dieselmotoren zu H2-Motoren umzurüsten. 

Beim CO2-Reduktionspotenzial nur geringe Unterschiede

Im direkten Vergleich werden beim CO2-Reduktionspotenzial der jeweiligen Antriebssysteme nur geringe Unterschiede deutlich: "Während die H2-BZ in Bezug auf aktuell definierte Schadstoffe in der Automobilindustrie vollständig emissionsfrei ist, erreicht der H2-Verbrennungsmotor eine CO2-Emissionsminderung von 98 %", heißt es. Ähnliche Ergebnisse zeige ein Vergleich der weiteren Emissionen. Während die H2-BZ lokal vollständig emissionsfrei sei, werden beim Betrieb des H2-Motors durch den Verbrennungsprozess weiterhin Luftschadstoffe wie beispielsweise Stickoxide freigesetzt.

Technische Realisierung beider Systeme bis 2025 möglich

Beide Antriebstechnologien können laut Studienautoren im Zeitraum bis 2025 technisch realisiert werden. "Während beim H2-Motor derzeit die Zahl an Zulieferern für Kernkomponenten noch limitiert ist, liegen die größten Herausforderungen der H2-BZ in einer adäquaten Kühlarchitektur sowie den aktuell hohen Kosten für die Brennstoffzellensysteme", so die Analyse. Den Studienergebnissen zufolge könnten die Kosten der H2-BZ durch Skalierung, Industrialisierung der Fertigung und damit Generierung entsprechender Stückzahlen reduziert werden.

Nach Angabe von Pierburg sind heute die größten Kostenfaktoren neben der aufwendigen Konfektionierung des Brennstoffzellenstapels das Tanksystem und die Nebenaggregate, wie das Rheinmetall-Tochterunternehmen im Artikel Brennstoffzellenantrieb für Nutzfahrzeuge aus der MTZ 5-2020 erklärt. Größere Stückzahlen würden hier zu erheblichen Kostenvorteilen führen.

Magdeburger Forschende: H2-Motor ist sinnvollste Lösung

Während die Studienautoren von AVL und vom ZSW leicht die H2-BZ favorisieren, sehen Forschende der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg im H2-Motor die sinnvollste Lösung für einen CO2-freien Nutzfahrzeugantrieb, und zwar vor allem aufgrund des bereits erwähnten Kostenvorteils: "Bei der TCO-Analyse ist ersichtlich, dass die Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle nachteilig im Vergleich zum H2-Verbrennungsmotor ist", schreiben sie im Kapitel Systemvergleich CO2-freier Nutzfahrzeugantriebe des Buchs Commercial Vehicle Technology 2020/2021

Der Wirkungsgradvorteil der PEM-Brennstoffzelle könne, so die Magdeburger Forschende, die zurzeit noch hohen Anschaffungskosten und die verhältnismäßig geringe Lebensdauer nicht kompensieren. Daraus resultierten höhere Gesamtkosten als beim Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Ihr Gesamtfazit lautet: Der H2-Motor bietet "hinsichtlich Effizienz, CO2-Emissionen und entstehende Kosten während des Lebenszyklus eines Nutzfahrzeugs eine sinnvolle Alternative zum konventionellen Nutzfahrzeugantrieb und zukünftig ein CO2-freien Nutzfahrzeugverkehr."

Beide Antriebsformen noch nicht marktreif

Wie sich in beiden Analysen herausgestellt hat, ist eine CO2-Emissionsreduzierung sowohl mit H2-Motor als auch H2-BZ möglich. Allerdings hat keines der beiden Antriebskonzepte bislang Marktreife erreicht. So zeigten die Untersuchungen der Gesamtnutzungskosten der e-mobil-BW-Studie, dass Wasserstoff-Konzepte mit konventionellen Dieselfahrzeugen nur unter entsprechend günstigen Rahmenbedingungen konkurrenzfähig sein werden. Hierfür sei eine flächendeckende Tankstelleninfrastruktur für Wasserstoff und die Verfügbarkeit von klimaneutralem Wasserstoff zu günstigen Kosten entscheidend. Weitere Förderinstrumente zur Unterstützung des Markthochlaufs der Technologien sowie Forschungs- und Entwicklungsförderungen seien notwendig.

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