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2014 | Buch

Wenn Würde zur Ware verkommt

Soziale Ungleichheit, Teilhabe und Verwirklichung eines Rechts auf Wohnraum

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Über dieses Buch

​In diesem Band werden die Zugangsschwierigkeiten von Menschen zum allgemeinen Wohnungsmarkt aufgezeigt. Dieser hat von sich aus kein Interesse an einer Wohnungsversorgung für alle und gehorcht anderen Gesetzen. Ohne Wohnung leben zu müssen heißt nicht nur, grundlegender Rechte beraubt zu sein, sondern sich vielfältiger Vorurteile erwehren zu müssen. Die Ausgegrenzten haben häufig andere kulturelle Hintergründe oder mit psychischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Unterschiedliche Modelle einer begleitenden Beratung zur Stabilisierung von Wohnverhältnissen werden ebenso dargestellt wie Kooperationsformen zu benachbarten Arbeitsfeldern in der Wohnungslosenhilfe.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Wenn Würde zur Ware verkommt – eine Einleitung
Zusammenfassung
Zahlen sind abstrakt und verschleiern den Blick auf Einzelschicksale, die sich dahinter verbergen. Gleichwohl lohnt sich ein Blick darauf, um die dahinter liegende Dimension zu erfassen.
Erster Befund: Nach einer Studie des Pestel-Instituts fehlen in Deutschland in den Großstädten und Ballungszentren 100.000 Mietwohnungen. Durch Abriss, Umwandlung in Eigentum, Zusammenlegung kleiner Einheiten etc. geht dem Wohnungsmarkt laufend erheblicher Bestand verloren. Die aktuellen Fertigstellungen im Mietwohnungsbereich müssten von derzeit 60.000 bis 70.000 Wohnungen pro Jahr auf 130.000 Wohnungen verdoppelt werden. Geschehe dies nicht, würden bereits im Jahr 2017 rund 400.000 Mietwohnungen fehlen. Benötigt werden dabei – wen wundert es – in erster Linie bezahlbare Wohnungen, zum Beispiel Sozialwohnungen.
Stefan Gillich, Rolf Keicher

Armut

Frontmatter
Sozialstaatsentwicklung, Armut und Wohnungslosigkeit
Zusammenfassung
In den südeuropäischen Ländern, die von der EU, der EZB und dem IWF „kaputtsaniert“ werden, steigt die Zahl der Obdachlosen seit geraumer Zeit stark an. Dort ist es zwar in der Regel wärmer als bei uns, ein Leben auf der Straße aber nicht minder beschämend, besonders für jene „Neuarmen“, die als unmittelbare Opfer der rigiden „Sparauflagen“ des europäischen Finanzimperialismus vom sozialen Absturz betroffen sind. Auch hierzulande waren in den vergangenen Wintern erfrorene und an offenen Feuern verbrannte Obdachlose zu beklagen, ohne dass sich Politik und Öffentlichkeit bisher ernsthaft mit dem Problem beschäftigt hätten. Dabei gehört eine warme Wohnung aufgrund der klimatischen Gegebenheiten bei uns zur verfassungsrechtlich geschützten Menschenwürde. Sie etwa im Falle der Überschuldung durch eine Zwangsräumung zu verlieren, bedeutet einen Schritt in die absolute, extreme oder existenzielle Armut.
Christoph Butterwegge
Und die ohne Obdach führe ins Haus: Theologische Anmerkungen zum Thema Wohnen
Zusammenfassung
zunächst herzlich willkommen in Darmstadt, dem Ort, an dem ich seit 11 Jahren wohne und der mir – dem ursprünglichen Berliner – zur Heimat geworden ist. Ich freue mich von Herzen, dass die beiden anwaltschaftlichen bundesweit tätigen Bewegungen und Verbände, deren Vorsitz ich hatte und denen ich innig verbunden bin, für wenige Tage Wohnung genommen haben in dieser Stadt – die Evangelische Obdachlosenhilfe (EvO) und die Nationale Armutskonferenz (NAK). Kurz – ich bin bewegt und begeistert.
Wolfgang Gern

Recht und Rechtsdurchsetzung

Frontmatter
Rechtliche Möglichkeiten der Teilhabe psychisch kranker und/oder suchtkranker wohnungsloser Menschen
Zusammenfassung
Das Miteinander – oft genug auch Nebeneinander – der Wohnungslosenhilfe und der Eingliederungshilfe, namentlich hier der Suchtkrankenhilfe sowie dem Netz der gemeindepsychiatrischen Versorgung, ist in der Fachdiskussion ein Dauerbrenner. Zuletzt wurde das Thema im November 2009 auf der Bundestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) in seiner ganzen Breite aufgegriffen und dort unter der Überschrift „Psychisch auffällige und kranke Wohnungslose – eine besondere Herausforderung für die Hilfe“ sowohl unter fachlichen als auch rechtlichen Aspekten diskutiert.
Michael Braun
Zur Bedeutung der Diskussion zur Reform der Eingliederungshilfe für die Wohnungslosenhilfe – Verlagerung der Steuerungsverantwortung und verstärkte Wirksamkeitskontrollen
Zusammenfassung
Seit 2003 wird über die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen diskutiert. Der grundlegende Ansatz der unter dem Begriff „Reform der Eingliederungshilfe“ geführten fachpolitischen Diskussion, dass sich das Leistungsrecht an der Leitvorstellung der inklusiven Gesellschaft orientieren und deren Umsetzung unterstützen muss, trifft aber auch für die Leistungen für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten zu. Wie die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist sie auf eine Verbesserung der Möglichkeiten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ausgerichtet. Entwicklungen in der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen wirken sich deshalb, insbesondere wenn sie zu strukturellen Veränderungen führen, auch auf die Hilfe für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten und damit auf die Wohnungslosenhilfe aus.
Johannes Lippert
Hilfe für Wohnungslose nach §§ 67 ff. SGB XII – überflüssig im „aktivierenden“ Sozialstaat?
Zusammenfassung
Wenn man davon ausgeht, dass unverändert eine große Zahl von ambulanten und stationären Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe auf der Basis der §§ 67 ff. SGB XII arbeitet, dann wäre die Antwort auf die im Titel gestellte Frage „ja, diese Hilfe ist überflüssig“ der Todesstoß für die eigenständige Wohnungslosenhilfe.
Falk Roscher
Weiter Wohnen wie gewohnt? Zur Angemessenheit und Pauschalierung der Kosten der Unterkunft durch kommunale Satzungen
Zusammenfassung
Für alle in Deutschland lebenden Menschen gilt das Grundrecht zur Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Höhe entsprechender Leistungen „darf nicht evident unzureichend sein und muss realitätsgerecht bestimmt werden“, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Im Grundgesetz ist das Recht auf ein Mindestmaß an Teilhabe an gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Leben beschrieben. Wohnen gehört zu den Mitteln, die das physische Überleben sichern.
Stefan Gillich, Ulrike Sehring
Der Mietspiegel ein Preistreiber?
Zusammenfassung
Ein Mietspiegel entfaltet seine Wirkung im Bereich der Mietwohnungen. Die Wohneigentumsquote in Deutschland beträgt aktuell ca. 43 % mit großen regionalen Spreizungen und insgesamt einem starken Land – Stadt – Gefälle. In ländlichen Regionen mit vergleichsweise geringeren Bodenpreisen ist sie höher als in Ballungsräumen in denen Bodenknappheit herrscht. Allerdings wird die Eigentumsquote auch noch durch andere Faktoren, hauptsächlich der Beschäftigungssituation beeinflusst. Aus dieser im internationalen Vergleich eher geringen Quote (Schweiz 36 %, Spanien 86 %), nach der deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Mietwohnungen wohnt, ergibt sich eine hohe Bedeutung eines Mieten-Vergleichssystems zur Findung einer angemessenen Miethöhe.
Rolf Keicher

Methoden und besondere Adressatengruppen

Frontmatter
Altern am Rand der Gesellschaft – Forschungsergebnisse empirischer Untersuchungen über die Lebenslagen älterer wohnungsloser Menschen mit möglichen Konsequenzen für die berufliche soziale Arbeit
Zusammenfassung
Auf dem Bundeskongress der Evangelischen Obdachlosenhilfe in Nürnberg 2012 wurden zum ersten Mal einer 20-köpfigen Arbeitsgruppe, bestehend aus sozialpädagogischen Fachkräften sowie Vertretern der Träger, Verbände und öffentlich-rechtlichen Verwaltungen, Ergebnisse über die Lebenslagenforschung an älteren wohnungslosen Menschen vorgestellt (Brem, Seeberger, 2010, 2009). Danach verglichen die professionell Tätigen der Wohnungslosenhilfe die empirisch gewonnenen Erkenntnisse der beiden Studien mit ihren beruflichen Erfahrungen, um daraus mögliche Konsequenzen für die berufliche Soziale Arbeit abzuleiten.
Detlef Brem
Die Wohnungslosenhilfe als Teil des Gemeindepsychiatrischen Verbunds Mainz
Zusammenfassung
Als Konsequenz aus der katastrophalen Situation der Anstaltspsychiatrie wurden seit Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts landes-, bundes- und europaweite Reformen der psychiatrischen Versorgung eingeleitet und umgesetzt. In der Folge werden in den meisten Regionen heute eine Vielzahl unterschiedlicher Hilfs- und Unterstützungsangebote für psychisch erkrankte Menschen vorgehalten. Es gibt Bausteine zur Alltagsgestaltung und Tagesstruktur, es wurden Wohn- und Arbeitsangebote entwickelt und die medizinische Behandlung wurde sowohl ambulant als auch teilstationär und stationär ausgebaut. Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren hat die gemeindenahe Psychiatrie eine beachtliche Entwicklung genommen.
Jessica Odenwald
Wohnen mit Begleitung – ein Beispiel gelungener Wohnungsintegration in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft
Zusammenfassung
Dieses Zitat des Leiters einer Geschäftsstelle des städtischen Wohnungsunternehmens Hamburgs SAGA GWG spiegelt sehr gut wider, mit welchen beiden Problemlagen wir es zu tun haben. Einerseits spricht der Geschäftsstellenleiter von den Problemlagen, die bei den Menschen, für die Wohnen mit Begleitung Wohnungen anmietet, vorliegen, andererseits benennt er auch die Schwierigkeiten des Wohnungsmarktes, nämlich alle Menschen in Hamburg mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Außerdem verdeutlicht er, dass es nicht nur darum geht, die Menschen ausschließlich mit Wohnungen zu versorgen, sondern auch um eine Integration wohnungsloser Menschen in Normalwohnraum und bestehende Nachbarschaften.
Katharina Brüchmann
Beiträge zur Lebensbalance sozial benachteiligter Menschen
Skizzen aus einem Workshop der EvO-Tagung Nürnberg 2012
Zusammenfassung
Mit Mitteln der Europäischen Union hat der in Baden-Württemberg beheimatete Träger Erlacher Höhe nach kreativen Lösungen gesucht, um erheblich benachteiligten Personen jenseits der materiellen Grundversorgung Chancen auf eine verbesserte Teilhabe zu eröffnen. Diese Bemühungen haben auch zur Implementierung eines Projektes „GanzMensch – InBalance“ geführt, mit dem eine ganzheitliche Verbesserung der individuell erfahrbaren Lebensqualität erreicht werden soll (Erlacher Höhe 2011, S. 7).
Titus Simon
Interkulturelle Öffnung in der Praxis: die Kreuzung zwischen Wohnungslosenhilfe und Migrationsarbeit
Zusammenfassung
Zunächst werden einige statistische Zahlen als Hintergrundinformation erläutert.
Bea Schramm

Neue Wege

Frontmatter
Housing First: Die Wohnung als Grundvoraussetzung für weitergehende Hilfen
Zusammenfassung
Im Folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob mit dem auf EU-Ebene und auch in zahlreichen anderen Ländern der entwickelten Welt viel diskutierten Housing-First-Ansatz, bei dem der direkten Wohnungsversorgung mit wohnbegleitenden Hilfen der Vorrang vor einer stufenweisen Reintegration von Wohnungslosen in Einrichtungen und Sonderwohnformen außerhalb des regulären Wohnungsmarktes eingeräumt wird, ein neuer Trend in der Wohnungslosenhilfe zu beobachten ist und ob er für Deutschland von Bedeutung ist. In diesem Kontext wird auf die Kritik der vielerorts noch vorherrschenden Stufensysteme eingegangen und näher analysiert, was „Housing First“ in Abgrenzung zu solchen Stufensystemen bedeutet. In Deutschland wie anderswo wird dem Ansatz immer wieder entgegengehalten, er sei nicht neu und gebe lediglich wieder, was hierzulande bereits seit vielen Jahren gängige Praxis sei. Auch darauf soll etwas ausführlicher eingegangen werden. Schließlich sollen neue Herausforderungen und Risiken im Kontext des Ansatzes thematisiert und ein abschließendes Fazit gezogen werden.
Volker Busch-Geertsema
Ressourcenorientierung in den Hilfen nach § 67 ff. SGB XII
Zusammenfassung
Vorgestellt werden die Ergebnisse und wesentlichen Erkenntnisse der sogenannten „Erfolgsstudie“ (Gerull u. a. 2009; Gerull/Merckens 2012). Im Fokus stehen dabei die Frage nach der Ressourcenorientierung in den Hilfen nach § 67 ff. SGB XII, zu der es interessante empirische Ergebnisse, aber auch spannende und z. T. kontroverse Diskussionen bei allen Vorträgen seit Erscheinen der Studie, gab.
Susanne Gerull
Europäische Fördermittel: Triebfeder für Wissenstransfer und Innovation
Zusammenfassung
Die Servicestelle EU-Förderpolitik und -projekte von EKD und Diakonie Deutschland ist spezialisiert auf die Beratung zur Planung und Durchführung von europäischen Projekten. Die Servicestelle ist in das Brüsseler EKD Büro integriert und hat seine Arbeit im September 2011 aufgenommen. In den ersten eineinhalb Jahren wurden mehr als 300 Beratungen für diakonische und kirchliche Einrichtungen durchgeführt und dabei einzelne Projekte sowie Fördermittelstrategien gemeinsam mit den Einrichtungen und Verbänden erarbeitet.
Christoph Schnabel
Wohnraumakquise durch Neubau und Umbau – Projekte und Erfahrungen der Ambulante Hilfe e.V. in Stuttgart
Zusammenfassung
Der Verein Ambulante Hilfe e.V. mit Sitz in Stuttgart-Bad Cannstatt wurde 1977 gegründet.
Besondere Merkmale des Vereins, der heute 28 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit hat, sind die basisdemokratische Organisationsstruktur und das breite Spektrum an Fachbereichen.
Peter Schumacher
Online-Kampagnen und Sozialpolitik – ein Widerspruch?
Vortrag auf der Konferenz der Evangelischen Obdachlosenhilfe vom 17. - 19. Oktober 2012, Nürnberg
Zusammenfassung
Ein Freitagnachmittag im März 2013: Nachdem Campact im Internet knapp 100.000 Unterschriften gesammelt hat, demonstrieren Bürgerinnen und Bürger vor dem Kanzleramt in Berlin gegen die Pläne der Bundesregierung. Sie will mit einer Strompreisbremse auch gleich die Energiewende ausbremsen. Pressewirksam und genüsslich zerlegen Campact-Aktivisten mit überdimensionalen Köpfen der zuständigen Minister Altmeier und Röttgen mit Kettensägen ein Windrad. Bilder der Aktion finden sich am gleichen Abend in den „Heute-Nachrichten“.
Günter Metzges

Anhang

Frontmatter
Nürnberger Erklärung der Evangelischen Obdachlosenhilfe in Deutschland e.V.
Zerschlagt die Obdächer, wo ihr sie seht!
Zusammenfassung
Mit dieser provokanten Aufforderung macht die Evangelische Obdachlosenhilfe in Deutschland e.V. auf einen zunehmenden Missstand aufmerksam. In Obdachlosenunterkünften herrschen bundesweit oftmals unzumutbare Lebensbedingungen: Zu viele Menschen in einem Raum, keine ausreichenden Sanitäreinrichtungen, erhebliche bauliche und sicherheitstechnische Mängel wie z.B. ekelerregende Schimmelbildung oder massive Verunreinigungen verhindern mancherorts menschenwürdiges Leben.
Rolf Keicher, Stefan Gillich
Darmstädter Erklärung: Wohnungspolitische Forderungen der Evangelischen Obdachlosenhilfe in Deutschland e.V.
Verabschiedet vom Vorstand der Evangelischen Obdachlosenhilfe in Deutschland e.V. in Übereinstimmung mit dem Diakonischen Werk Hessen und Nassau in Darmstadt am 5. Juni 2013 im Rahmen des Fachtags „Recht auf Wohnen – Recht auf Wohnung“
Zusammenfassung
Wir stellen fest, dass die Themen Wohnen und Mietpreisentwicklung zu wichtigen Themen im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes 2013 geworden sind. Ein individueller und geschützter Wohnraum ist ein Grundbedürfnis und sollte jedem Menschen zur Verfügung stehen. Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum findet breite Zustimmung und meint nicht nur einkommensarme Menschen.
Rolf Keicher, Stefan Gillich
Backmatter
Metadaten
Titel
Wenn Würde zur Ware verkommt
herausgegeben von
Rolf Keicher
Stefan Gillich
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-04443-5
Print ISBN
978-3-658-04442-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-04443-5