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Open Access 2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Wer trägt die Unternehmenssteuern?

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Zusammenfassung

Die Schlauheit der Steuerzahler kennt keine Grenzen, wenn die Belastung allzu groß wird. Sie wollen die Rechnung am liebsten anderen überlassen und weichen den Steuern aus. Je höher die Gewinnsteuern sind, desto weniger investieren die Unternehmen, und desto öfter verlagern sie den Standort.
Relevanz
Die Schlauheit der Steuerzahler kennt keine Grenzen, wenn die Belastung allzu groß wird. Sie wollen die Rechnung am liebsten anderen überlassen und weichen den Steuern aus. Je höher die Gewinnsteuern sind, desto weniger investieren die Unternehmen, und desto öfter verlagern sie den Standort. Weniger Investitionen in der Heimat mindern die Löhne der Arbeitenden und die Erträge der Immobilienbesitzer, die nicht ausweichen können. So müssen auch sie einen Teil der Rechnung zahlen. Das schafft zwei Probleme. Hohe Steuern bremsen das Wachstum und mindern die Einkommen aller, der Arbeitenden und der Eigentümer. Wenn die Besteuerten ausweichen und die Steuer auf andere überwälzen, sind die Verteilungsabsichten gefährdet. Es bleiben zwei Einsichten: Die Besteuerung hat im wachsenden Steuerwiderstand ihre Grenzen, und die Verteilungspolitik muss das Endergebnis nach allen Anpassungsvorgängen im Blick haben.
Christian Keuschnigg und Michael Kogler
Quelle
Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung von: Suárez Serrato, Juan Carlos und Owen Zidar (2016), Who Benefits from State Corporate Tax Cuts? A Local Labor Markets Approach with Heterogeneous Firms, American Economic Review 106(9), 2582–2624.
Viele Länder haben die Steuern auf Unternehmensgewinne teilweise sehr deutlich abgesenkt. Wer profitiert davon? Wer trägt tatsächlich die Gewinnsteuern? Für einen Ökonomen ist die Antwort bei weitem nicht eindeutig. So viel ist sicher: Wenn der Staat stärker zulangt, bleibt weniger für die anderen übrig. Zwar können die Unternehmen die Dividenden kürzen. Dann tragen die Eigentümer die Steuerbelastung. Genauso gut können die Firmen die Rechnung an die Kunden weiterreichen, indem sie höhere Absatzpreise verlangen, oder an die Lieferanten, indem sie die Einkaufspreise drücken. Wenn es weniger zu verteilen gibt, werden schlussendlich auch die Löhne knapper ausfallen müssen. Die Unternehmen und ihre Eigentümer können die Steuerbelastung auf vielen Wegen überwälzen. Wer in diesem Spiel gute Alternativen hat und am ehesten ausweichen kann, ist am wenigsten betroffen. Wer keine Alternativen hat und nicht ausweichen kann, bei dem bleibt die Rechnung liegen.
Die empirische Forschung zeigt, dass Unternehmenssteuern Investitionen hemmen und eine Abwanderung der Firmen in steuerlich attraktivere Regionen auslöst. Wird weniger investiert, dann sinken die Arbeitsproduktivität und in der Folge die Löhne. Gewinnsteuern werden auf die Arbeitenden überwälzt. Es gibt bisher aber nur wenig empirische Evidenz, wie viel von den Gewinnsteuern tatsächlich bei den Arbeitenden liegen bleibt. Dieser Frage gehen Suárez Serrato und Zidar in einer Analyse zur Unternehmensbesteuerung in den USA nach (Corporate State Tax), deren Höhe in den einzelnen Bundesstaaten erheblich schwankt. Sie schätzen, welche Auswirkungen Steuersenkungen auf die lokale Wirtschaft haben und wer tatsächlich davon profitiert.
Die Forscher konzentrieren sich in ihrer Analyse auf die drei wichtigsten Anspruchsgruppen, nämlich Eigentümer, Arbeitnehmer, und Immobilienbesitzer. Eine Steuersenkung kann diesen Gruppen auf verschiedenen Wegen nützen. Sie verringert zunächst die Steuerbelastung lokaler Unternehmen, fördert Investitionen und begünstigt die Eigentümer. Eine attraktive Besteuerung lockt weitere Firmen von außerhalb an. Die zusätzlichen Investitionen vor Ort steigern auch die Arbeitsnachfrage und führen zu höheren Löhnen. So profitieren die Arbeitnehmer. Höhere Löhne und bessere Beschäftigungschancen ziehen Zuwanderung von anderen Regionen an. Die Verknappung des Wohnraums in einer dynamischen wachsenden Region lässt die Mieten und Immobilienpreise steigen. So profitieren die Grund- und Immobilienbesitzer. Eine Senkung der Gewinnsteuern begünstigt daher nicht nur die Unternehmer und Eigentümer, sondern auch die Arbeitnehmer und Immobilienbesitzer. Allein die Frage ist: wie viel?
Neben Steuern berücksichtigen die Forscher auch eine Reihe von anderen Standortfaktoren wie z. B. Unterschiede in der lokalen Infrastruktur oder die Vorteile von Zentrumsregionen. Das führt dazu, dass die Produktivität von Unternehmen in manchen Regionen trotz Steuernachteile höher sein kann als in anderen, und reduziert den Einfluss der Besteuerung auf die Standortwahl. Die Unternehmen können der Steuer weniger ausweichen, wenn sie aus anderen Gründen an den Standort gebunden sind. Rund 11 % aller U.S. Unternehmen befinden sich in Kalifornien mit wichtigen Zentren wie das Silicon Valley, wo der Steuersatz mit 10 % überdurchschnittlich hoch ist, während der benachbarte Bundesstaat Nevada überhaupt keine Unternehmenssteuern erhebt und dennoch nur wenige Firmen anzuziehen vermag im Vergleich zu Kalifornien. Umso stärker die anderen Faktoren für einen Standort sprechen, umso weniger können und wollen die Unternehmen der Steuer ausweichen, und umso eher bleibt sie auf ihren Eigentümern liegen. Die Überwälzung auf Arbeitnehmer und Immobilienbesitzer wird damit etwas geringer.
Eine Senkung der lokalen Gewinnsteuerbelastung um 1 % erhöht die Zahl von lokalen Unternehmen während 10 Jahren um rund 3 bis 4 %.
Die Forscher analysieren Daten von 1980 bis 2012 zu Steuern und wirtschaftlichen Aktivitäten in 490 U.S. Bezirken (Counties), um den Effekt von Änderungen der Gewinnsteuerbelastung auf das Wachstum von Betrieben, Löhnen, und Mietkosten zu schätzen. Dazu berechnen sie einen durchschnittlichen Steuersatz für jeden Staat und berücksichtigen lokale Steuerregelungen. Ihre Schätzungen zeigen, dass eine dauerhafte Senkung der lokalen Gewinnsteuerbelastung um 1 % nach 10 Jahren zu einer statistisch signifikanten Steigerung von 3 bis 4 % in der Zahl der lokalen Betriebe führt. Abb. 1 veranschaulicht den langsamen Zuwachs der Unternehmen. Um den Effekt einer Steueränderung zu isolieren, rechnen sie den Einfluss konjunktureller Schwankungen heraus. Zudem schätzen sie, wie sich Steueränderungen in anderen Bundesstaaten und Bezirken auf das lokale Unternehmenswachstum auswirken. Sie stellen einen symmetrischen Effekt fest, sodass eine Steuersenkung von 1 % in einem benachbarten Bezirk das lokale Unternehmenswachstum über die nächsten 10 Jahre um ca. 3 bis 4 % fallen lässt.
Je mehr die Unternehmen auf andere Regionen ausweichen können, desto eher bleibt die Steuerbelastung auf den Arbeitenden und Immobilienbesitzern liegen. Mit ihren Schätzungen zur Standortwahl können die Forscher berechnen, welche der drei Anspruchsgruppen die Steuerlast tatsächlich trägt und wer daher von Steuersenkungen profitiert. Das Ergebnis ist, dass die Unternehmenssteuer zu rund 40 % von den Eigentümern, zu 30–35 % von den Arbeitenden und zu 25–30 % von den Immobilienbesitzern getragen wird. Nach traditionellem ökonomischem Verständnis hätte man erwartet, dass aufgrund hoher Mobilität der Firmen die Steuer wesentlich stärker auf die Arbeitnehmer überwälzt wird. Es gibt aber andere Standortvorteile, mit denen eine Region den Unternehmen eine höhere Produktivität und Rentabilität ermöglichen und diese an sich binden kann. Deshalb ist der Unternehmenssteuersatz bei der Standortwahl nicht allein ausschlaggebend. Wenn die Produktivität besser ist, halten Unternehmen an solchen Standorten trotz höherer Steuerbelastung fest, wie auch das Beispiel Kalifornien zeigt. Dies führt dazu, dass die Firmen die Unternehmenssteuer nicht vollständig auf die Arbeitenden und auf die Immobilienbesitzer überwälzen können, sondern einen erheblichen Teil selbst tragen müssen.
Die Last der Unternehmenssteuer wird zu 40 % von den Eigentümern, zu 30–35 % von Immobilienbesitzern und zu 25–30 % von Arbeitnehmern getragen.
Zum Schluss untersuchen die Forscher, was ihre Ergebnisse für die Steuereinnahmen bedeuten. Je mehr die Unternehmen bei einer höheren Steuerbelastung in andere Regionen ausweichen oder ihre Investitionen zurückschrauben, desto weniger ergiebig ist die Gewinnsteuer. Berücksichtigt man nur das Aufkommen der Gewinnsteuer, sind die Einnahmen bei einem Steuersatz von 32 % am höchsten. Dies ist deutlich höher als der durchschnittliche Steuersatz der Bundesstaaten, welcher 2010 bei 7 % lag. Wenn aber die Steuer auf andere Gruppen wie Arbeitnehmer oder Immobilienbesitzer überwälzt wird, sinken deren Einkommen und Steuerleistungen, die man nicht im Gewinnsteueraufkommen sieht. Deshalb ist die Auswirkung einer Steuer auf das gesamte Budget zu betrachten. Höhere Gewinnsteuern führen auch zu Abwanderung von Arbeitnehmern, wenn die Unternehmen ihre Investitionen zurückschrauben und weniger Jobs bieten, was die Einnahmen aus Einkommens- und Umsatzsteuer verringert. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren berechnen die Forscher den Gewinnsteuersatz, bei dem der lokale Steuerertrag am größten ist, mit rund 7 %. Das entspricht in etwa dem beobachteten durchschnittlichen Steuersatz in den U.S. Bundesstaaten.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Buch enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
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Metadaten
Titel
Wer trägt die Unternehmenssteuern?
verfasst von
Simon Helmig
Copyright-Jahr
2018
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-21344-2_4