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30.11.2020 | Werkstoffprüfung + Materialanalyse | Schwerpunkt | Online-Artikel

Forschung für ein neues Qualitätsniveau

verfasst von: Dieter Beste

4 Min. Lesedauer

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Der Frage, wie sich Zuverlässigkeit von elektronischen Komponenten und Systemen im Nano-Zeitalter weiter verbessern lässt, wollen 79 Partner aus 14 europäischen Ländern in einem aufwendigen Forschungsprojekt auf den Grund gehen.

Industrie 4.0, Internet der Dinge, automatisiertes Fahren, Smart City – all das und noch viel mehr ist davon abhängig, dass im "Maschinenraum" dieser Hightech-Welten die elektronischen Komponenten und Systeme (ECS) reibungslos funktionieren. Und da die Halbleiterindustrie sich von der Mikro- hin zur Nano-Technologie bewege, müsse die "Fehleranalysegemeinschaft" neue Wege suchen und erschließen, um auch künftig in der Lage zu sein, die Grundursache von neu auftretenden Problemen zu überprüfen, zu isolieren, zu identifizieren und aufzudecken, fordert Titu-Marius I. Băjenescu im Vorwort zu "Zuverlässige Bauelemente für elektronische Systeme"

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Zuverlässigkeit von Mikro- und Nanosystemen

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Der Begriff Zuverlässigkeit sei zugleich mehrdeutig – im allgemeinen Sinne – aber sehr anspruchsvoll und sinnvoll in der praktischen Anwendung, wenn es um die Gewährleistung von Techniken und Methoden in der Herstellung von zuverlässigen Produkten gehe, hebt Springer-Autor Băjenescu einleitend hervor. Zuverlässigkeit – Reliability – sei ein relativ neuer Begriff in der Qualitätslehre, und bezeichne ein Fachgebiet, das die Qualitätskontrolle ergänze: "Einfach ausgedrückt ist die Zuverlässigkeit eines Materials seine Fähigkeit, während der Verwendung nicht auszufallen." 

Die Entwicklung von zuverlässigen Komponenten und der Betrieb von hoch verfügbaren Systemen ist nach Băjenescu eine "umfassende Engineering-Aufgabe", gewürzt mit den Zutaten "Wahrscheinlichkeitstheorie, Materialwissenschaften und Erfahrung." Das von der EU finanzierte Projekt "Intelligent Reliability 4.0" (iRel40) bringt nun seit Mai dieses Jahres 79 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus 14 Ländern für drei Jahre mit dem Ziel zusammen, die Ausfallraten von ECS entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren. Ein Schlüsselbereich, den die Partner angehen, ist die Verbesserung der Zuverlässigkeit von immer komplexeren Chips und Systemen, die für die Verarbeitung riesiger Datenmengen ausgelegt sind und gleichzeitig eine höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit und -genauigkeit sowie einen geringeren Energieverbrauch bieten.

Miniaturisierung erschwert klassische Fehlersuche

"Der Trend zur Miniaturisierung sorgt dafür, dass immer mehr Funktionalität in ein immer kleineres Volumen gepackt wird. Dort noch einzelne Komponenten untersuchen oder kleinste Fehler aufspüren zu können, ist nur mit einer Weiterentwicklung der entsprechenden Verfahren möglich", sagt Frank Altmann, der das Teilprojekt des Partners Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) leitet. "Für die künftigen, noch komplexeren Anforderungen reichen kleine Verbesserungen dieser Technologien nicht mehr aus. Wir brauchen große Fortschritte und neue Ansätze, beispielsweise durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen."

Neue Fehlermodi und Degradationsmechanismen

Die Forscher des Instituts in Halle wollen Versagensmodelle für spezifische Zuverlässigkeitsrisiken und innovative Methoden für die Materialcharakterisierung und physikalische Analyse entwickeln, stets bezogen auf die Anforderungen neuer Fehlermodi und Degradationsmechanismen. Dabei können sie sich auf ihre Expertise und methodischen Kompetenzen in der Materialcharakterisierung, Modellierung, der hochauflösenden Mikrostrukturanalyse und der physikalischen Fehlerdiagnostik stützen. "Dieses tiefgehende Verständnis durch ‚Physics of Failure‘ ist unabdingbar, wenn man dem Ideal von vollkommen fehlerfreien Anwendungen möglichst nahekommen will. Dass gar keine Defekte mehr auftauchen, ist leider eher unrealistisch. Aber wir halten es für ein machbares Ziel, im Rahmen dieses Großprojekts beispielsweise die operative Lebensdauer von Elektronik in Automobilen um den Faktor 10 zu erhöhen", sagt Altmann.

Galliumnitrid birgt neuartige Fehlerrisiken

Mit seinem Team beschäftigt sich Altmann besonders mit Halbleitertechnologien etwa für Leistungsverstärker auf Basis von Galliumnitrid (GaN). Diese ermöglichen höhere Schaltfrequenzen als Silizium-basierte Lösungen, zusammen mit höchsten Energieumwandlungswirkungsgraden und einer hohen Miniaturisierung auf Systemebene. Beim Einsatz dieses neuen Materials gelte es aber auch, mögliche neue Degradationsprozesse und Fehlerrisiken zu untersuchen und schließlich zu beherrschen. Im Projekt iRel40 wollen die Wissenschaftler Degradationsmodelle für GaN-Bauelemente erarbeitet, mit denen sich die Ursachen und der zeitliche Verlauf für elektrische, thermische und mechanisch spannungsinduzierte Defekte beziehungsweise solche, die im Herstellungsprozess entstehen können, bewerten lassen.

Smart Maintenance und Digitaler Zwilling

Intelligent Reliability 4.0, das ein Gesamtvolumen von rund 100 Millionen Euro ausweist (ca. 25 Millionen Euro EU-Förderung) wird von der deutschen Infineon Technologies AG koordiniert. In weiteren Arbeitspaketen des Projekts, das zum europäischen Entwicklungsvorhaben ECSEL (Electronic Components and Systems for European Leadership) gehört, sollen unter anderem neue Sensoren untersucht werden, um zukünftige Fehler von Systemen vorherzusagen (Smart Maintenance) oder die Echtzeit-Kontrolle von Prozessschritten zu ermöglichen. Zugleich hoffen die Konsortialpartner, dass mit diesen zusätzlichen Sensordaten ein digitales Abbild der Materialien, Komponenten und Systeme (Digitaler Zwilling) entsteht, das weitere Optimierungen erlaubt und dazu beitragen kann, zugrundeliegende Effekte schneller zu verstehen, zielgerichtet zu beeinflussen und somit Zuverlässigkeit und Lebensdauer zu steigern.
 

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