Jährlich fallen allein in Deutschland Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an, die größtenteils verbrannt werden. Forscher wollen nun Bakterien dazu bringen, diese Abfälle in Biopolymere umzuwandeln.
„Bis auf wenige Ausnahmen sind Polymere erdölbasiert. Vor dem Hintergrund der Frage nach der Ressourcenschonung gibt es jedoch inzwischen verstärkt Forschungsaktivitäten, um sogenannte Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen“, beschreibt Springer-Autor Werner Skolaut in „Maschinenbau“ (Seite 345) den Entwicklungstrend. Aber auch umgekehrt, vom Endprodukt zurück zu den Rohstoffen, versuchen Forscher Entwicklungswege zu öffnen: Unter der Koordination von Aachener Biologen verfolgen Wissenschaftler in dem europäischen Verbundforschungsprojekt P4SB – die Kurzform für From Plastic waste to Plastic value using Pseudomonas putida Synthetic Biology – das Ziel, Mikroben dazu zu bringen Bausteine erdölbasierter Kunststoffe in Bioplastik umzuwandeln.
„Die EU macht strenge Vorgaben für das Recycling von Kunststoffabfällen“, erklärt Lars Blank vom Lehrstuhl für Angewandte Mikrobiologie der RWTH Aachen. „Bis 2020 sollen 50 Prozent der PET-Kunststoffe, die man etwa als Getränkeflaschen kennt, recycelt werden. Aktuell sind es 30 Prozent. Und PU-Schäume, die für Matratzen, Autositze oder als Dämmmaterialien verwendet werden, sollen sogar zu 70 Prozent wiederverwertet werden. Im Moment werden unter fünf Prozent recycelt.“ Die meisten dieser Abfälle wandern hierzulande in Müllverbrennungsanlagen, obwohl sie eigentlich ein Wertstoff sind – wenn auch ein problematischer. Manche Kunststoffe brauchen etwa 500 Jahre, bis sie vollständig zersetzt sind. In vielen Ländern ohne funktionierende Entsorgung landen die Plastikabfälle in der Landschaft oder im Meer, wo sie große Schäden anrichten.
Kunststofffressende Organismen
Die Forscher wollen mit ihrem Projekt dazu beitragen, die Recyclingquoten zu verbessern, indem sie aus Bakterien plastikfressende Organismen machen. Allerdings: „Wir stehen vor großen Herausforderungen, weil einige Prozesse bisher nur in Einzelschritten bekannt sind, manche sogar nur in der Theorie“, sagt Blank. In dem Konsortium bündeln deshalb Experten aus den Bereichen Synthetische Biologie, Metabolic Engineering, Enzymologie, Prozesstechnik, Polymerwissenschaft und Umweltforschung ihr Know-how.
Die Forschergruppe plant folgende Schritte: Zuerst setzen sie den zerkleinerten Kunststoffabfällen Enzyme zu, damit diese die Bindungen der Polymere in Monomere als Einzelbausteine aufspalten. Im zweiten Schritt fressen Bakterien die Monomere, um sie in einem dritten in Biokunststoff umzuwandeln – wobei sie das Material sogar mit bestimmten Eigenschaften ausstatten sollen. Abschließend sollen die Bakterien dann Bioplastik-Bausteine ausscheiden.
Verknüpfung der einzelnen Schritte
Der letzte Schritt ist derzeit noch ein theoretischer: Sollte das Prinzip im Labor funktionieren, müssten die Bakterien nach dem dritten Schritt nicht wie bislang „sterben“, damit die Forscher an das Bioplastik gelangen, sondern die winzigen einzelligen Lebewesen könnten überleben und die Schritte zwei und drei ständig wiederholen. Blank: „Es geht aber nicht nur darum, die einzelnen Schritte umzusetzen. Wir müssen sie miteinander verknüpfen und die entsprechenden Werkzeuge dafür entwickeln.“ In vier Jahren soll der gesamte Prozess im Labormaßstab funktionieren.