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21.08.2014 | Werkstofftechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wann sind Nanoteilchen gefährlich?

verfasst von: Dieter Beste

4:30 Min. Lesedauer

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Seit einigen Jahren entwickeln Forscher Nanopartikel mit teils verblüffenden technischen Eigenschaften. Wie diese winzigen Teilchen allerdings auf Körperzellen einwirken, ist bislang nicht hinreichend verstanden.

Unter nanostrukturierten und nanokristallinen Materialien versteht man Substanzen aus Partikeln oder mit Strukturmerkmalen (wie Poren), die 2 bis 1000 Nanometer groß sind, fasst Springer-Autor Ulrich Müller in seinem Lehrbuch „Anorganische Strukturchemie“ auf Seite 349 zusammen und präzisiert: „Da der Durchmesser eines Atoms in der Größenordnung von 0,25 nm liegt, geht es also um Längen, die 8 bis 4000 Atomlagen entsprechen. Substanzen aus Teilchen in dieser Größe verhalten sich anders als dieselben Substanzen in größeren Aggregaten.“ Im Prinzip handelt es sich um ein Oberflächenphänomen, denn bei einem Kristall der Größe 1×1×1 mm3 befindet sich ein Anteil von rund 10−6 der Atome an der Oberfläche; ist der Kristall jedoch nur 100×100×100 nm3 groß, sind es etwa 1 Prozent der Atome.

Die Oberfläche ist die massivste aller Störungen im periodischen Aufbau eines Kristalls. Oberflächenatome sind anders gebunden und unterscheiden sich elektronisch von inneren Atomen. Die Materialeigenschaften einer nanostrukturierten Probe werden also, so Müller, in starkem Maße von den Oberflächenatomen mitbestimmt. Es kommt zu geänderten mechanischen, elektrischen, magnetischen, optischen und chemischen Eigenschaften, die von der Teilchengröße und -form abhängen. Bei noch kleineren Maßen kommen außerdem noch quantenmechanische Effekte hinzu.

Einstellbare Eigenschaften von Nanoteilchen

Wesentliche physikochemische und biologische Eigenschaften von Nanomaterialien haben die Autoren des „Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik“ auf Seite 1104 in einer Tabelle zusammengefasst. So zeigen Strukturen auf der Nanoebene beispielsweise eine

  • erhöhte katalytische Wirkung,
  • erhöhte elektrische Leitfähigkeit,
  • erhöhte magnetische Koerzitivität,
  • erhöhte Härte und Festigkeit bei Metallen und Keramiken,
  • veränderte optische Eigenschaften und etwa auch eine
  • erhöhte Biokompatibilität sowie
  • erhöhte Durchlässigkeit für physiologische Barrieren (Membrane, Blut-Hirn-Schranke).

Gewünschten technischen Effekten stehen also auch mögliche gesundheitliche Gefahren gegenüber. Wie künstlich hergestellte Nanoteilchen im Körper wirken, ist bislang jedoch nicht hinreichend verstanden. Ein interdisziplinäres Forscherteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beschäftigt sich seit Kurzem mit genau diesen Fragen.

Unter dem Titel „EAM Nanosafe“ nehmen sich die Arbeitsgruppen von Christoph Alexiou, Sektion für Experimentelle Onkologie und Nanomedizin (SEON) in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Erlangen, und Simone Schmitz-Spanke, Professur für Biomarker in der Arbeitsmedizin, in den nächsten vier Jahren Nanoteilchen vor, die am Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) der FAU entwickelt wurden. Das Besondere an dem FAU-Projekt: Partikel-Designer des Exzellenzclusters und Forscher, die die Wirkung auf Mensch und Umwelt untersuchen, kooperieren eng.

Entwicklung von Untersuchungsmethoden

Zuerst werden die Wissenschaftler Methoden weiterentwickeln, mit denen Nanopartikel auf ihre Wirkung hin untersucht werden können. Denn bisher existieren keine Standardverfahren, um die winzigen Teilchen zu analysieren. Dabei arbeiten die Forscher mit standardisierten Partikeln wie Zinkoxid, Titandioxid oder Eisenoxid, die heute bereits in Produkten wie Farben und Lacken, Kosmetika oder Medikamenten im Einsatz sind. Die Partikel sollen vorrangig aus dem Exzellenzcluster an die beiden Arbeitsgruppen geliefert werden, steril als Pulver oder gelöst in speziellen Flüssigkeiten.

Untersuchung der Wirkung von Nanoteilchen

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Die zweite Phase des Projekts verlässt die Ebene des reinen Screenings und widmet sich der grundlegenden Frage, wie Nanopartikel wirken. Dafür synthetisieren die EAM-Forscher aus den Arbeitsgruppen von Wolfgang Peukert, Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik, eine Vielzahl von Partikelproben. Mit modernsten Verfahren stellen sie diese in der flüssigen oder Gas-Phase sowie mit Methoden der Synthese, des Zerkleinerns, des Versprühens und des Emulgierens maßgeschneidert her. Die Proben unterscheiden sich jeweils in nur einem Parameter. Auf diese Weise können die Wissenschaftler testen, ob es beispielsweise die Größe, die Oberflächenladung oder die Dotierung, das heißt eine künstlich eingebaute Störung, ist, die die Toxizität und die zellulären Effekte entscheidend beeinflussen. Damit sich ein Nanoteilchen toxikologisch bewerten lässt, müssen die Wissenschaftler zudem herausfinden, welche Konzentration welche Reaktion in den Zellen hervorruft.

Eisenoxidnanopartikel als Transporter für pharmazeutische Wirkstoffe

Das Projekt zeichnet eine weitere Besonderheit aus: Die FAU-Forscher wollen neben den standardisierten Partikeln vor allem Nanoteilchen analysieren, die am Exzellenzcluster für konkrete Anwendungen entwickelt wurden. Zum Beispiel Eisenoxidnanopartikel, die in ein paar Jahren als Transporter für pharmazeutische Wirkstoffe dienen könnten. Die Forscher feilen damit in einem sehr frühen Stadium daran, die Nanopartikel biologisch verträglicher zu machen.

Die Arbeitsgruppe um Christoph Alexiou hat eine neue Methode entwickelt, mit der untersucht werden kann, welche Eigenschaften von Nanoteilchen dazu führen, dass Zellen absterben – und das für mehrere Parameter gleichzeitig. Arbeitsmedizinerin Simone Schmitz-Spanke und ihr Team hingegen beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie die winzigen Teilchen in Lungenzellen sowie in Zellen, die die Gefäße auskleiden, wirken. Lungenzellen deswegen, weil die Lunge die Haupteintrittspforte für Nanopartikel in der Umwelt und am Arbeitsplatz ist. Das Gefäßsystem, weil epidemiologische Daten auf eine Zunahme von Herz-Kreislauf-Krankheiten infolge der Exposition gegen Nanopartikel – wie etwa Dieselrußpartikel – hinweisen. Mit der Kombination verschiedener Analysemethoden sowie der Zusammenarbeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Bereiche wollen die Forscher tragfähigere Aussagen darüber treffen, wie Nanopartikel auf Mensch und Umwelt wirken.

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