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2025 | Buch

Werte, Herausforderungen und nachhaltige Resilienz im internationalen Kontext

Ein interkultureller Blickwechsel aus Afrika

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Über dieses Buch

Als Gegenbegriff zur Verletzbarkeit und Vulnerabilität profiliert sich das Resilienz-Ideal in der Forschung über und aus Afrika oft in Form der Problemlösefähigkeit und adaptiven Bewältigungskompetenz traditioneller Volkskulturen in Prozessen der Modernisierung, der Globalisierung und vor allem gegenüber den damit verbundenen sozio-ökonomischen Fehlentwicklungen, Konflikten und Krisen. Aus dem Blickwinkel der nunmehr über 50 Jahre bestehenden interkulturellen Germanistik in Afrika südlich der Sahara versuchen die im vorliegenden Band gesammelten Beiträge, sich von der im Krisen-Fetischismus quasi gefangen gehaltenen Forschungstradition zu entfernen, um sich mit Werten und Wertebildern auseinanderzusetzen, die Gesellschaften und Wissenschaften für ein positives Resilienzverständnis nachhaltig vorbereiten können. Dabei wird im Band folgenden zentralen Fragen nachgegangen: Welche positiven Werte können für vergangene, gegenwartsbezogene und zukünftige Krisensituationen fruchtbar gemacht werden? Nach welchen strategischen Mitteln werden diese Werte ausgearbeitet und übertragen? Welche Rolle spielt dabei eine afrikanische Germanistik, die sich als interkulturell versteht?

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Diskurse – (Un)Wissen – Resilienz. Mediale und diskursive Produktion neuer Normalität
Abstract
When order is disrupted for human or natural reasons, human imagination and cultural resources of all kinds are often used to overcome the crisis-like and unusual and to create new world scenarios and forms of normality. In crisis situations, narratives and discourses are used to come to terms with the disrupted order and invent a more stable future. Media, literature, film production, music and popular culture contribute to the creation of a new normality in the sense of familiarization and acceptance, transformation and adaptation, struggle and resilience. The narrative shaping of existential crises and the associated forms of resilience are connected to the cultural process of production of meaning and shaping the world. In the context of the COVID-19 pandemic, it was possible to observe precisely how a new order of reality was created and orchestrated narratively and discursively. This article explores pandemic-related transformations in narratives and discourses of resilience. The focus is precisely on the investigation of forms and possibilities of the discursive and narrative structuring of reality and the invention of a secure future.
Jean Bertrand Miguoué
Caillié contra Barth in Timbuktu oder Vulnerabilität vs. Resilienz der endogenen Technologie ums Schießpulver. Eine postkoloniale Literaturkritik am Forschungs- und Entdeckungsdiskurs
Zusammenfassung
In der (vor allem afrikanischen) postkolonialen Forschungsliteratur wird zunehmend betont, dass die westlich-europäischen Schriften eine Reihe von eurozentrischen Strategien entwickelt hatten, die auf Datenmanipulation, Verzerrung und Einschüchterung beruhten, und die die bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit der afrikanischen Wissenssysteme untergraben. Die Ausgangsthese dieser Überlegungen ist, dass nur eine dekoloniale Forschungsperspektive, die sich ausschließlich auf Texte aus dem Globalen Süden stützt, den Wert von indigenem und endogenem Wissen würdigen kann (s. Seepe 2000; Ndlovu-Gatshen 2014). Durch eine kontrastive Analyse von zwei Reiseberichten, nämlich René Cailliés Reise nach Timbuktu (1830) und Heinrich Barths Reisen und Entdeckungen (1857) wird in diesem Aufsatz versucht, diese Annahme differenzierter zu begründen. Während beispielsweise Caillié Kind seiner Zeit war und die allgemeine Meinung in Europa über die vermeintliche Rückständigkeit lokaler Technologien verbreitete, bemühte sich Barth als Anhänger des Berliner Geographen Carl Ritter (1779–1859), die Kreativität der Afrikaner in den Vordergrund zu stellen. So findet sich in Barths Entdeckungsdiskurs des Schießpulvers in Afrika kein Misstrauen, sondern Formen der Resilienz traditioneller Volkskultur und der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem kolonialen Projekt und der kolonialen Einverleibung endogenen Wissens in das sogenannte globale Wissen.
Constant Kpao Sare
Rückgabe von Kulturgütern als Auswirkung kulturdiplomatischer Resilienz? Am Beispiel von Benin
Zusammenfassung
Die Begegnung zwischen Europa und Afrika hat dauerhaft Spuren hinterlassen und beeinflusst nach wie vor die Wahrnehmungen zwischen den beiden Kontinenten. In dieser Hinsicht lassen sich auch die Verhältnisse zwischen dem früheren Königsreich Dahomey und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich auffassen. In der Tat endet der im 19. Jahrhundert zwischen Frankreich und Dahomey stattgefundene Kolonialkrieg mit der Ausplünderung der Kulturgüter des Königtums. 129 Jahre nach diesem düsteren Kapitel der französisch-beninischen Beziehungen kommt es nach langen Peripetien zu der Rückgabe von 26 ausgesuchten Kulturgütern am 10. November 2021 an Benin. Ja, Benin hat 26 geraubte Werke von der einstigen Kolonialmacht Frankreich zurückerhalten. Welche Faktoren haben zu diesem kulturhistorischen Geschehen beigetragen? Und inwiefern ermöglicht diese staatspolitische Handlung die Aufbewahrung und die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Gedächtnis? Der vorliegende Aufsatz versucht einerseits, dokumentarisch und exemplarisch die Zeitgeschichte der Kulturgüterrückgabe herauszuarbeiten, andererseits die Rolle der Kulturdiplomatie als Resilienzprozess herauszukristallisieren.
Simplice Agossavi
„Zu Hause aber nicht Daheim“. Von der Situation und den Möglichkeiten afrikanischer Migrant*innen in Deutschland am Beispiel der kamerunischen Diaspora
Zusammenfassung
Die Geschichte der Menschheit ist von Migrationen geprägt. Aus welchen Gründen die Menschen von einem Ort zum anderen, von einem Kontinent zum anderen ziehen, hängt unterschiedlich von ökonomischen, akademischen, sozio-politischen, naturbedingten oder von religiösen und kulturellen Gründen ab. Es liegt auf jeden Fall in der Natur des Menschen, freiwillig oder zwangsweise zu wandern und seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Mobilität der Bürger*innen der Welt durch die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten verbessert, verdichtet aber auch vervielfacht, obwohl in manchen Ländern und Kontinenten die Grenzen immer dichter werden. Die Migration ist zu einem globalen Phänomen geworden, das gesellschaftspolitisch gehandhabt wird, um Integrationsprozesse von Zugewanderten strukturell zu regulieren. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, auf der Basis einer empirischen Studie zum Migrationshintergrund der in Deutschland lebenden Kameruner*innen herauszustellen, vor welchen Herausforderungen Politik, Migrant*innen und Gesellschaften in Ziel- und Heimatland stehen und welche Perspektiven sich in einer mit Resilienz verbundenen Situation anbieten.
Maryse Nsangou
Wege zur nachhaltigen Resilienz der afrikanischen Länder im Kontext der illegalen Migration von Afrikanern nach Europa. Eine Kritik an Asfa-Wossen Asserates Werk Die neue Völkerwanderung
Zusammenfassung
Die Migration von Afrikanern nach Europa wird von mehreren Autoren in ihren Werken behandelt. Von der Kolonialzeit bis heute sind viele Afrikaner aus verschiedenen Gründen freiwillig in die europäischen Länder gewandert. Trotz der Kriminalisierung der illegalen Migration verlassen heutzutage immer mehr Afrikaner ihre Heimat, um bessere Lebensbedingungen in Europa zu suchen. Welche Maßnahmen können aber die Herkunftsländer der illegalen afrikanischen Migranten treffen, damit ihre Jugendliche in der Heimat bleiben und sich dort gut fühlen? Die vorliegende Studie setzt sich zum Ziel, durch das Werk Die neue Völkerwanderung von Asfa-Wossen Asserate, Wege zu einer nachhaltigen Resilienz der afrikanischen Länder im Kontext der illegalen Migration von Afrikanern nach Europa zu untersuchen. Mithilfe des sozialgeschichtlichen Ansatzes gilt es, zuerst die Fluchtursachen junger Afrikaner nach Europa herauszusuchen, dann einen Blick auf die heutigen Beziehungen zwischen europäischen und afrikanischen Ländern zu werfen, und daraus Wege zur nachhaltigen Resilienz der afrikanischen Länder vor der illegalen Migration ihrer Bürger zu erforschen. Diese Studie kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die afrikanischen Regierungen vor sehr vielen Herausforderungen stehen, um menschenwürdige und menschenrechtliche Lebensbedingungen in ihren Ländern zu schaffen.
Désiré Bernard Kolo
Selbstnarration und Krisenbewältigung. Zum resilienzfördernden Potenzial des Ich-Erzählens im Lichte ausgewählter Erzähltexte
Zusammenfassung
Die therapeutische Wirkung des Erzählens bei der Behandlung mentaler Störungen liegt bereits in der klinischen Psychologie, vor allem in der Psychoanalyse, unumstrittener Weise bewiesen. In der Tat zeigt die Lebenswirklichkeit nur zu häufig Beispiele für den Rückgriff auf Erzählen als Bewältigungsmittel etwa in krisenträchtigen Situationen, die einen längerfristigen Lockdown erfordern. Neuerdings haben die Corona-bedingte Quarantäne sowie die soziale Distanzierung weltweit zur Entstehung einer Krisenliteratur geführt, wodurch der Stellenwert des Erzählens bei der Bewältigung von Krisensituationen wieder in den Vordergrund gerückt wird. Seit dem Novellenzyklus Das Dekameron des italienischen Renaissance-Schriftstellers Giovanni Boccaccio wird diese krisenbewältigende Funktion des Erzählens in der Literatur reflektiert. Diese Funktion wird besonders dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in einem Werk dem leidenden Subjekt das Erzählen eigener Krisenerfahrungen in den Mund gelegt wird. Untersucht werden deshalb in diesem Beitrag ausgewählte, in Ich-Form abgefasste Erzähltexte der afrikanischen und der deutschen Literatur, in denen das resilienzstärkende Potenzial des Erzählens von sich selbst in krisenträchtigen Situationen aufgegriffen wird. In einer kontrastiven Analyse von Mariama Bâs Ein so langer Brief, Ahmadou Kouroumas Allah muss nicht gerecht sein, Gottfried Kellers Pankraz, der Schmoller und Anne Franks Das Tagebuch wird auf die Frage eingegangen, inwiefern das Erzählen eigener Erlebnisse in Krisenzeiten zur mentalen Resilienz der erzählenden Figur beiträgt.
Akila Ahouli
Resilienz im Kontext krisenhafter Kulturbegegnung. Kultureller Universalismus als resilientes Verhaltensmuster des Homo adaptabilis vs. kulturellen Partikularismus im Lichte von Iphigenie auf Tauris (1786) und Der Zwiespalt des Samba Diallo (1961)
Zusammenfassung
Große Herausforderungen, die sich der Welt stellen, haben tendenziell das Bewusstsein für eine Schicksalsgemeinschaft der Menschheit weltweit geschärft und nicht zuletzt die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit gesamtweltgemeinschaftlichen Denkens und Handelns gelenkt. Dies gilt umso mehr in daseinsbedrohenden Krisensituationen, wie die jüngste Erfahrung der Covid-19-pandemischen Krise illustrieren mag. In ähnlichem Zusammenhang greifen Goethe und Kane in ihren Werken Iphigenie auf Tauris (1786) und Der Zwiespalt des Samba Diallo (1961) existenzielle Problematiken auf, wobei eine besondere Form von Resilienz im Kontext konfliktträchtigen Kulturtreffens reflektiert wird. In analytischer Auseinandersetzung mit den genannten Werken, und zwar rezeptionsästhetisch verfahrend, versucht die vorliegende Studie, krisenüberwältigungsfähige Verhaltensmuster exemplarisch zu beleuchten und in diesem Zusammenhang interessante Perspektiven für nachhaltige Resilienz (-förderung) aufzuzeigen.
Franck Fassinou Sédécon Dovonou
Zum ästhetischen Lernen von Resilienz. Eine Analyse von Jean Paul Lissocks Werk Mein Freund, der weiße Mann. Von Kamerun nach Deutschland
Zusammenfassung
Die Coronavirus-Pandemie, die noch vor kurzem überwunden zu sein schien, hat nun dem Krieg in der Ukraine Platz gemacht. Viele Länder in der Welt sind davon stark betroffen, mit Folgen wie steigender Inflation, militärischem Wettrüsten und sozio-politischen und wirtschaftlichen Krisen. In einigen Ländern der Sahelzone, wie Mali und Burkina Faso, schwächen Terroranschläge und Staatsstreiche das soziale Gefüge zusätzlich. In diesem schwierigen Kontext wird oft ein Wort verwendet: Resilienz. Der Begriff ist sowohl eine Beschreibung als auch eine Empfehlung: Er beschreibt die (tatsächliche oder wahrgenommene) Haltung von Menschen oder Bevölkerungsgruppen und wird als Aufforderung verstanden, neue Verhaltensweisen anzunehmen, um schwierige Zeiten zu überstehen. Mit anderen Worten: Es bedarf einer Erziehung zur Resilienz. Doch wie kann dies erreicht werden? Die Literatur als eigenständiges ästhetisches Ausdrucksmittel könnte eine Antwort geben. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Essay mithilfe eines literaturpsychologischen Ansatzes gezeigt, dass die Lebensgeschichte Mein Freund, der weiße Mann. Von Kamerun nach Deutschland von Jean Paul Lissock zu einem ästhetischen Lernen von Resilienz beitragen kann.
Mohamed Yaméogo
Plädoyer für eine interkulturelle Didaktik im DaF-Unterricht in Notfallsituationen in Burkina Faso
Zusammenfassung
Burkina Faso ist häufig Opfer von Naturkatastrophen und humanitären Krisen, die sich auch auf die Schulen auswirken. Neben den Folgen der Überschwemmungen, denen die Schüler am stärksten ausgesetzt sind, sind die Auswirkungen der zunehmenden Unsicherheit aufgrund des Terrorismus festzustellen, die zur Schließung von Tausenden von Bildungseinrichtungen führt und somit interne Umsiedlungen von Schülern und ihren Eltern verursacht. Im Hinblick auf die Bildung in Notfallsituationen befasst sich der vorliegende Beitrag mit der interkulturellen Didaktik, einem methodischen Ansatz für das Lehren und Lernen von Schulfächern, der die Zugehörigkeit oder den kulturellen Hintergrund der Lernenden berücksichtigt und ihre sozio-emotionale, soziokulturelle und soziolinguistische Integration in neue Lernumgebungen und neue didaktische Situationen erleichtert. Durch die Entwicklung kultureller, interkultureller, empathischer und soziokultureller Kompetenzen fördert die interkulturelle Didaktik die Resilienz, das Zusammenleben, den sozialen Zusammenhalt und die Friedenserziehung in der Klasse und außerhalb der Schule. Die vorliegende Untersuchung möchte darauf hinweisen, wie wichtig die Entwicklung neuer sozialer Lebenskompetenzen bei Schülerinnen und Schülern im Unterricht DaF ist, damit sie sich an neue dramatische Situationen in Notfällen und vor allem bei Binnenvertreibungen, Migrationen oder im Kontext von gewalttätigem Extremismus anpassen können. Die Umsetzung der interkulturellen Didaktik erfolgt über die Literaturdidaktik und die Didaktikliteratur.
Jean-Claude Bationo
Deutschlehren in Togo: Herausforderungen und Resilienz
Zusammenfassung
Mit der Globalisierung, mit einem unpassenden Arbeitsmarktbedarf und mit der immer spürbarer werdenden Hegemonie des Englischen als Weltsprache in der Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie sowie in der Diplomatie und nicht zuletzt mit seiner Abschaffung Anfang der 1990er Jahre in der Sekundarstufe I (C.E.G: Collège d’Enseignement Général) hat die Attraktivität des Deutschen als Unterrichtsfach in Togo gewissermaßen nachgelassen. Angesichts dieser besorgniserregenden Situation kann man sich mit Recht fragen, ob Deutschunterricht in Togo nicht tendenziell verschwindet? Welche Schwierigkeiten treten beim Lehren und Lernen der deutschen Sprache in Togo auf?
Kokouvi Gnamassou
Metadaten
Titel
Werte, Herausforderungen und nachhaltige Resilienz im internationalen Kontext
herausgegeben von
Akila Ahouli
Copyright-Jahr
2025
Electronic ISBN
978-3-658-47027-2
Print ISBN
978-3-658-47026-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-47027-2