Blockchain, Kryptowährung und nun auch Equity Token: Diese technischen Begriffe werden Prognosen zufolge künftig auch konservativ agierende Anleger zunehmend beschäftigen. Risiken und Vorteile erläutert Jurist Oliver Marc Prager.
Seit Anfang letzten Jahres können in Deutschland tokenbasierte Schuldverschreibungen ausgegeben werden. Obwohl die Blockchain-Technologie schon seit Jahren bekannt ist, findet sie hier neben virtuellen Währungen erstmals eine praktische Anwendung in der traditionellen Finanzwelt. Ob Anleger sich dazu entscheiden, ein tokenbasiertes Wertpapier zu erwerben, wird von mehreren Faktoren abhängen. Es wird sich zeigen, ob Token und Blockchain durch entsprechende Werbemaßnahmen der passgenauen Zielgruppe angeboten werden oder ob sie lediglich ein Hype, eine Modeerscheinung sein werden.
Vielleicht wird sich aber diese neue Form der Dokumentation von vermögenswerten Rechten durchsetzen – im Zuge der zunehmenden Digitalisierung und der Etablierung von Standards, die für Sicherheit und Transparenz sorgen. Denn genau das ist derzeit noch der Hemmschuh: Die Anleger kennen wohlmöglich den Begriff Blockchain größtenteils nur im Zusammenhang mit Kryptowährungen und somit als eine Technologie, die in der Vergangenheit immer wieder auch für fragwürdige Projekte benutzt wurde.
Sicherheitsbedenken bei tokenbasierten Wertpapieren
Eine Menge Fragen sind nun im Kopf, auf die Finanzberater und Anlageberater eine Antwort haben sollten. Aus rechtlicher Sicht gibt es so gut wie nie eindeutige Antworten, die für alle Fallkonstellation gelten, aber doch einige Aspekte, die es wert sind, geteilt zu werden. Grundsätzlich wird die Frage im Raum stehen, ob tokenbasierte Wertpapiere empfehlenswert sind.
Die Antwort: Ob tokenbasiert oder nicht, über die Chancen und Risiken des Angebots an sich sagt das zunächst nichts aus. Denn die Tokenisierung ist in erster Linie eine technische Methode, um mittels Blockchain-Technologie die mit entsprechenden Wertpapieren verbundenen Rechte einem Berechtigten zuzuweisen. Aber es gibt einen grundsätzlichen Unterschied: In der bisherigen Praxis ist es üblich, dass eine Globalurkunde des Wertpapiers bei einem Zentralverwahrer hinterlegt wird. Wer aber den Public Key und den Private Key eines Wallets besitzt, kann die dort gespeicherten Wertpapier-Token auf ein Wallet seiner Wahl übertragen und somit darüber verfügen.
Verlust des Private Key als Risiko
Der Public Key ist dabei die numerische Kennung eines Wallets, vergleichbar mit der Kontonummer eines Bankkontos. Der Private Key ist der als lange Zahlenreihe vorliegende Sicherheitsschlüssel eines Wallets, vergleichbar der PIN einer EC-Karte. Der Verlust der Private Key kommt insofern dem Verlust der im Wallet gespeicherten Tokens gleich. Zwar gibt es mittlerweile Strukturen, durch die Emittenten versuchen, dieses Problem in den Griff zu kriegen. Inwieweit diese Lösungsansätze tragen oder selbst neue Sicherheitsprobleme schaffen, ist gegenwärtig jedoch noch nicht vollkommen klar.
Finanzberater sollten das Risiko nicht verschweigen, denn auch sie können im Falle des Verlusts den Private Key nicht neu beschaffen. Der Zugang zu den tokenbasierten Wertpapieren bleibt dann verwehrt. Eine Lösung könnte die Verwahrung des Private Key bei professionellen Anbietern sein. Allerdings gibt es auch bei diesen keine Sicherheitsgarantien, aber immerhin ein Haftungssubjekt, wenn der Private Key dort abhandenkommt.
Unterschiede zu herkömmlichen Wertpapieren
Unterschiede zeigen sich vor allem in diesen Bereichen:
- Der Anleger kann über die Aufbewahrung der Wertpapiere entscheiden (Wallet auf Papier, Wallet auf Computer oder Smartphone, Hardware-Wallet, Aufbewahrung durch professionellen Anbieter).
- Der Anleger hat drei Optionen, um den Private Key aufzubewahren: auf Papier, digital oder bei professionellem Anbieter (oder eine Kombination dieser Möglichkeiten).
Fazit: Werden tokenisierte Wertpapiere im Wege der Anlageberatung oder -vermittlung vertrieben, ist zu empfehlen, im Rahmen der Kundenexploration auch die Kenntnisse des Kunden über die technischen Grundlagen zu erfragen. Soweit diese nicht oder nicht ausreichend vorhanden sind, sollte der Berater oder Vermittler den Kunden auf die Notwendigkeit der sicheren Verwahrung des Private Key und die damit verbundenen Risiken hinweisen.
Sofern es nicht möglich ist, diese Aspekte so darzustellen, dass der Kunde die damit verbundenen Risiken und die Möglichkeiten der Risikovermeidung verstehen kann, darf das Instrument im Rahmen der Beratung nicht empfohlen werden. Im Rahmen der Vermittlung muss dann ein Warnhinweis gemäß § 63 Abs. 10 S. 3 WpHG erteilt erfolgen.
Abgesehen von diesen Besonderheiten unterscheidet sich die Beratung oder Vermittlung bei tokenisierten Wertpapieren nicht von anderen Produkten. Zur Absicherung von Haftungsrisiken ist eine Dokumentation des Gesprächs einschließlich der Darstellung der Risiken immer empfehlenswert.