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25.03.2025 | Windenergie | Interview | Online-Artikel

"Offshore-Windkraftanlagen beeinflussen Meeresströmungen und Atmosphäre"

verfasst von: Frank Urbansky

3:30 Min. Lesedauer

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Windparks auf See produzieren nicht nur kontinuierlich grünen Strom. Sie beeinflussen auch ihre Umgebung, insbesondere, wenn sie mit einer Wasserstoffproduktion vor Ort gekoppelt würden. Wie diese Einflüsse aussehen und wie sie in Zukunft minimiert werden können, erklärt Nils Christiansen, Küstenforscher am Helmholtz-Zentrum Hereon.

springerprofessional.de: Können Sie Ihre aktuellen Forschungsergebnisse zur Offshore-Windenergie und Wasserstoffproduktion in der Nordsee kurz erklären?

Nils Christiansen: Wir untersuchen die lokalen und regionalen Einflüsse von Offshore-Windparks auf die Meeresströmungen und die Atmosphäre. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Anlagen nicht nur lokal, sondern über Distanzen von mehreren hundert Kilometern messbare Auswirkungen auf die Meeresdynamik haben. Besonders hervorzuheben ist die Veränderung der Strömungsgeschwindigkeiten und die damit verbundenen Turbulenzen, die sich auf das Ökosystem auswirken können.

Gibt es auch positive Effekte durch die Veränderungen von Strömungen und Turbulenzen?

Ja, Veränderungen sind nicht per se negativ. Zum Beispiel können die Turbulenzen an den Fundamenten der Windturbinen die Durchmischung der Wasserschichten fördern. In Regionen mit starker Sommerschichtung könnte dies den Nährstoffaustausch erhöhen und die Produktivität des Ökosystems steigern. Ob eine Veränderung als positiv oder negativ bewertet wird, hängt jedoch stark vom Kontext und den jeweiligen Interessensgruppen ab.

Geplant ist ja auch eine Integration von grüner Wasserstoffproduktion in Offshore-Windparks …

Eine Herausforderung ist sicher der große Wasserbedarf, insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Grundwassermängel an Land. Offshore-Standorte könnten hier Vorteile bieten, da Sole und Abwärme direkt ins offene Meer zurückgeführt werden können, anstatt empfindliche Küstenökosysteme wie das Wattenmeer zu belasten.
Dazu müsste ja das Wasser entsalzen werden.

Welche konkreten Auswirkungen hätte denn Sole aus der Entsalzung auf das marine Ökosystem?

Das hängt stark von den eingesetzten Technologien ab. Bei thermischen Verfahren zur Meerwasserentsalzung entstehen beispielsweise lokale Temperaturerhöhungen von bis zu 2 Grad Celsius in einem Umkreis von 10 bis 50 Metern. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Arten abwandern, während andere, die wärmere Temperaturen bevorzugen, zuwandern. In der Nordsee sorgen jedoch starke Gezeitenströmungen dafür, dass solche Anomalien relativ schnell verdünnt werden. Abseits der Einleitungsstellen sehen wir daher meist nur geringe Veränderungen.

Gibt es technologische Anpassungen, um den ökologischen Fußabdruck dieser Windkraftanlagen zur H2-Gewinnung zu verringern?

Es gibt mehrere Ansätze. Zum einen könnte man die Abwärme sinnvoll nutzen, etwa für Prozesse auf der Plattform. Zum anderen könnten Einleitungsmengen räumlich verteilt oder vorher verdünnt werden, um die Belastung an einzelnen Punkten zu minimieren. Die Einleitungstiefe spielt ebenfalls eine Rolle: Bei thermischen Verfahren könnte die Abwärme oberflächennah eingeleitet werden, um Auftriebseffekte zu vermeiden.

Für die Windkraftanlagen zeichnet sich ab, das größere Turbinenabstände zu einer Minderung der akkumulierten Effekte auf Strömungsgeschwindigkeiten und Turbulenzen führen können. Das wäre beispielsweise der Fall beim Einsatz von moderneren, leistungsstärkeren Turbinen, die aufgrund ihrer Größe einen größeren Turbinenabstand benötigen, und durch die bei gleicher Gesamtleistung weniger Turbinen in einem Park verbaut werden können.

Können Ihre Simulationen für die Planung zukünftiger Offshore-Projekte genutzt werden?

Unsere Modelle liefern eine wissenschaftliche Grundlage, um die potenziellen Auswirkungen von Offshore-Projekten abzuschätzen. Sobald unsere Studien veröffentlicht sind, werden wir sie auf Konferenzen präsentieren und hoffen, dass sie sowohl in der Industrie als auch in politischen und naturschutzfachlichen Kreisen Berücksichtigung finden. Am Ende liegt es jedoch bei den Entscheidungsträgern, die Ergebnisse umzusetzen.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei einer Umsetzung?

Die größte Hürde ist oft finanzieller Natur. Nachhaltige Lösungen, die ökologische Auswirkungen minimieren, können höhere Kosten verursachen. Zudem konkurrieren in der Nordsee verschiedene Nutzungsgruppen wie Schifffahrt, Fischerei und erneuerbare Energien um denselben Raum. Unsere Forschung kann helfen, diese Konflikte besser zu verstehen und Lösungen zu entwickeln.

Gibt es bereits Pilotprojekte, die Ihre Erkenntnisse berücksichtigen?

Wir sind aktuell nicht direkt in Pilotprojekte involviert. Allerdings haben wir in Zusammenarbeit mit Industrieberatern wie cruh21 an der Studie gearbeitet. Diese Partner könnten dazu beitragen, unsere Ergebnisse in die Praxis umzusetzen. Ob und wie dies geschieht, bleibt abzuwarten.

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