Windkraft ist für die Energiewende unverzichtbar. Die Effizienz der Technologie leidet jedoch noch an Kleinigkeiten, so der Trägheit beim Start. Diese könnte mittels eines Impulses überwunden werden.
Windkraft ist für die Energiewende eine Notwendigkeit. Inzwischen ist sie, bezogen auf alle zu berücksichtigenden Kosten, eine der günstigsten Energiequellen geworden. "Demnach stellen Onshore-Windkraftanlagen den volkswirtschaftlich günstigsten Stromerzeuger für Deutschland dar. An Umweltauswirkungen sind nur CO2-äquivalente Emissionen integriert, die mit einem Preis von 32 €/t CO2 gewertet wurden", erklärt das Springer-Vieweg-Autor Martin Zapf im Buchkapitel Das deutsche Stromsystem vor dem Hintergrund der Energiewende auf Seite 82 in Bezug auf eine Studie von Siemens Wind Power zu den Systemkosten für Deutschland 2025.
Die Kosten eines technischen Verfahrens sind immer mit dessen Wirksamkeit verbunden. Diese kann auch bei Windkraftanlagen erhöht werden, wenn die Startträgheit des Rotors und damit des Generators unter bestimmten Umständen vorzeitig überwunden wird. Wie dies durch eine elektrische Steuerung der benötigten Windgeschwindigkeiten möglich ist, hat der Mannheimer Physiker Joachim Jacobitz in einem DPMA-Gebrauchsmuster dargelegt, das er im September 2022 einreichte. "Die Idee dazu hatte ich schon vor vielen Jahren, nachdem ich ein Wasserrad angestoßen hatte, das danach weiterlief", erklärt Jacobitz.
Start benötigt mehr Energie
Denn bedingt durch ihre Trägheit benötigen auch Windkraftanlagen beim Start des Rotors eine höhere Zufuhr an Energie als im Laufbetrieb. Die dafür erforderliche Kraft hängt maßgeblich von der Geschwindigkeit der Luft und deren Dichte ab. Die Arbeitszeit einer Anlage könnte also erhöht werden, wenn die Bewegungsenergie der Luft durch eine Antriebshilfe verstärkt wird. Sie muss nur das anfangs größere Trägheitsmoment vorzeitig überwinden. Eine derartige Antriebshilfe ist nach Ansicht von Jacobitz insbesondere bei Windgeschwindigkeiten interessant, die zwar nicht für den Start, sehr wohl aber für den laufenden Betrieb einer Windkraftanlage ausreichen.
Als Starthilfen sind verschiedene Techniken denkbar, so das Anheben eines Körpers, der mit der Rotorachse verbunden ist. Aber auch die Verdichtung von Luft oder das Spannen einer Metallfeder können Stillstände der Anlage durch einen Abruf gespeicherter Energie beenden. Wegen der einfacheren Umsetzung sieht der Physiker aber eine Zufuhr elektrischer Energie, die im Ruhezustand des Rotors als zeitlich beschränkter Spannungsstoß wirkt, als besonders geeignet an.
Windgeschwindigkeit als Auslöser
Die Anlage wird durch einen kurzen Spannungsstoß gestartet, weshalb der Rotor mit einem Elektromotor verbunden wird, den eine logische Steuerung ein- oder ausschaltet. Alternativ kann auch der Generator der Turbine als Motor genutzt werden, ähnlich der Rekuperation bei elektrischen Schienenfahrzeugen oder Personenkraftwagen. Der Spannungsstoß erfolgt, sobald eine mittlere Windgeschwindigkeit in einem festgelegten Zeitraum gemessen wird, die mindestens so groß wie die kleinstmögliche Laufgeschwindigkeit der Rotorblätter ist.
Um jedoch einen theoretisch denkbaren Start der Windkraftanlage durch kurzfristige Windböen oder Luftwirbel zu verhindern, ist ein Messgerät erforderlich, das nicht nur die aktuelle Windgeschwindigkeit anzeigt, sondern gleichzeitig die mittlere Geschwindigkeit während eines statistisch ermittelten Zeitraums berechnet. Die Funktionsweise hat Jacobitz schon mit einer Modellanordnung nachgestellt, bei der ein Föhn die Luftbewegung simuliert.
Auch für Bestandsanlagen denkbar
Der Einbau eines Motors und der Steuerung könnte zusammen mit der Montage des Generators erfolgen. Auch bestehende Anlagen könnten mit dem Impulsgeber nachgerüstet werden, wenn in der Gondel genügend Platz für den Einbau eines Elektromotors samt Getriebe vorhanden ist. Die Mehrkosten erstrecken sich auf den Elektromotormotor, das Getriebe, die Steuerung und die Montage. Erhöhte Wartungskosten würden nicht anfallen.
Der Vorteil liegt in der verlängerten Arbeitszeit der Windräder. "Die Antriebshilfe ermöglicht eine zusätzliche Gewinnung elektrischer Energie, die von der Struktur des Windangebotes abhängt", so Jacobitz.
Neben der Trägheit gibt es noch einige andere Komponenten, die an Windkraftanlagen optimiert werden könnten. "Die Regelung einer Windkraftanlage stellt das Bindeglied zwischen der Betriebsführung und der eigentlichen Windturbine oder deren Komponenten dar. [...] Dabei sind insbesondere anlagenspezifische Verhaltensweisen von Teilsystemen zu berücksichtigen (zum Beispiel Naben- und Generatorträgheit oder Blattverstellmomente)", fasst diese Springer-Vieweg-Autor Siegfried Heier in seinem Buchkapitel Regelung und Führung von Windkraftanlagen auf Seite 430 zusammen.