Offshore-Windkraftanlagen sind ein Puzzlestück auf dem Weg hin zu einer regenerativen Energieerzeugung. Wissenschaftler untersuchten, wie die Anlagen angeordnet sein sollten, um möglichst viel Leistung zu produzieren.
Für den optimalen Ertrag in Offshore-Windparks kommt es vor allem auch auf die richtige Anordnung der einzelnen Anlagen sowie die Lage der Parks zueinander an.
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Seit der von zahlreichen Ländern in die Wege geleiteten Umorientierung in Richtung regenerativer Energiequellen wurde auch der Bau von Windkraftanlagen erheblich vorangetrieben, schreibt Cornel Stan im Kapitel "Die Hoffnungsträger zuerst: Photovoltaik, Wind, Wasser" im Springer-Fachbuch "Energie versus Kohlendioxid". Allein in Deutschland hätten Ende 2019 laut Statista rund 30.000 Onshore-Windanlagen existiert, auf dem Wasser, also offshore, seien es weltweit und zum gleichen Zeitpunkt mehr als 5.500 Windräder gewesen. Eine ganze Reihe dieser Offshore-Windparks werden im Kapitel "Offshore" des Springer-Fachbuchs "Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer" vorgestellt.
Die Vorteile der Offshore-Windparks nennen die Autoren des Springer-Kapitels "Stromerzeugung aus Windenergie" im Springer-Fachbuch "Erneuerbare Energien": Demnach sind zum einen die Standorte an Land knapp und damit teuer geworden, zum anderen seien die mittleren Windgeschwindigkeiten bei einer Aufstellung auf See im Allgemeinen deutlich höher als an Land. Sprich: "Eine offshore installierte Anlage ist durch merklich höhere Volllaststunden gekennzeichnet."
Wie sollten Offshore-Windparks angeordnet werden?
Wie sehr sich der Markt in diesem Segment entwickelt, zeigt sich unter anderem am Bau des Windparks Hollandse Kust Zuid durch Vattenfall und BASF. Der Windpark wird sich etwa 18 Kilometer vor den Küsten von Den Haag und Zandvoort befinden, wobei die am weitesten entfernten Windkraftanlagen 36 Kilometer vor der Küste liegen werden. Die 140 Windkraftanlagen sollen zusammen eine installierte Leistung von 1,5 Gigawatt haben, Hollandse Kust Zuid wird damit der größte Offshore-Windpark der Welt sein, heißt es in einer zum Bau veröffentlichten Mitteilung.
Wie wichtig bei derartigen Dimensionen die Anordnung und Aufstellung der einzelnen Anlagen sind, haben aktuell Wissenschaftler des Carnegie Institution for Science in Washington, D.C., USA, untersucht. Ihre Ergebnisse stellen sie unter dem Titel "Spatial constraints in large-scale expansion of wind power plants" in der PNAS-Ausgabe vom 28. Juni 2021 vor. Laut ihren Ausführungen betrug der Windenergieanteil 6,1 Prozent an der weltweiten Stromerzeugung im Jahr 2020. Wenn dieser Anteil im Hinblick auf die Dekarbonisierung der Elektrizitätssysteme erheblich wachsen soll, könne die Größe künftiger Windparks weit über die der heutigen Anlagen hinausgehen, so die Ausgangslage.
Stromertrag und Nachlaufschatten
Weiterhin beschreiben sie, dass sich die räumliche Ausdehnung eines Windparks sowohl auf seine durchschnittliche Erzeugung pro Flächeneinheit als auch auf die Ausdehnung des Nachlaufschattens auf benachbarte Anlagen auswirke. So nehme mit zunehmender räumlicher Ausdehnung die mittlere Erzeugung ab, die Ausdehnung des Nachstroms zu. Die Forscher gingen daher zwei Fragen nach: "Wie groß kann ein Windpark sein, bevor seine Erzeugung die Grenzen der Energieauffüllung erreicht?" und "Wie weit müssen große Windparks voneinander entfernt sein, um Interferenzen zwischen Windparks zu vermeiden?", Stichwort "Wirbelschleppen". Dies untersuchten sie mit Hilfe eines 3D-Modells und Simulationen sowie unter Annahme idealisierter Daten.
Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich in Clustern angeordnete Windturbinen gegenseitig in ihrer Leistung beeinflussen und ihre Energieerzeugung geringer ist, als wenn sie weit voneinander entfernt wären. Oder: Kleinere Windparks führen zu größeren Leistungsdichten und kürzeren Wirbelschleppen, größere Windparks zu Leistungsdichten, die asymptotisch ihr Minimum erreichen, und zu Wirbelschleppen, die ihre maximale Ausdehnung erreichen.
Abwägung zwischen Ertragsverlust und Fläche
Prof. Dr. Stefan Emeis, Leiter der Arbeitsgruppe Regionale Kopplung von Ökosystem-Atmosphäre-Prozessen in der Abteilung Regionale Klima-SystemeInstitut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), sagt zu den Ergebnissen: "Windparks entziehen bei der Stromerzeugung der Luftströmung Energie. Das heißt, direkt im Lee liegende nachfolgende Windparks werden dann schwächer angeströmt und können daher weniger Energie erzeugen. Diese Zonen verringerter Windgeschwindigkeiten in der Luft hinter den Windparks werden Nachläufe (englisch: Wakes) genannt. Allerdings gleicht die Atmosphäre das Energiemanko hinter den Windparks mit der Zeit durch Durchmischung mit ungestörten Luftströmungen neben und über den Windkraftanlagen wieder aus." Das Neue an der PNAS-Studie sei, dass die Längen- und Zeitskalen, nach denen die Nachläufe wieder verschwunden sind, explizit aus theoretischen Überlegungen hergeleitet würden. Die Überlegungen würden dann mit numerischen Strömungssimulationen, die alle erforderlichen Parameter berücksichtigen, überprüft und belegt.
Das Ergebnis der Studienautoren fasst Emeis noch einmal folgendermaßen zusammen: "Wenn genügend Platz vorhanden ist, sollten große Windparks in mehrere kleinere Windparks (mit in der Summe gleich viel Turbinen wie beim großen Windpark) aufgespalten werden, da dies den Ertrag pro Windturbine erhöht. Allerdings wird hierfür mehr Fläche benötigt, da die Abstände zwischen den Teilwindparks dazu kommen. Es bleibt somit die Abwägung übrig, was wirtschaftlich teurer ist: der größere Ertragsverlust oder die größere Fläche? Größere Fläche bedeutet nämlich auch aufwändigere Wege bei der Wartung der Anlagen und längere Stromkabel zu den Turbinen."
Länderübergreifende Abstimmung der Windparks
Dass Wirbelschleppen in Windparks eine der Hauptursachen für Verluste bei der Stromerzeugung und Ermüdungserscheinungen an den Rotoren sind, schreiben auch die Autoren des Kapitels "Enhanced Kinetic Energy Entrainment in Wind Farm Wakes: Large Eddy Simulation Study of a Wind Turbine Array with Kites" im Springer-Fachbuch "Airborne Wind Energy". Im Kapitel "Geh mir aus dem Wind" des Springer-Fachbuchs "Meer – Wind – Strom" geht es ausdrücklich um Windpark-Abschattungen, Nachläufe und Turbulenzen. Und die Autoren des Kapitels "Positioning of Wind Turbine in a Wind Farm for Optimum Generation of Power Using Genetic Algorithm for Multiple Direction" im Springer-Fachbuch "Intelligent Manufacturing and Energy Sustainability" beschreiben eine Möglichkeit der optimalen Standortfindung für Windkraftanlagen.
Den Studienergebnissen entsprechend fordert auch die Denkfabrik Agora Energiewende: Damit Windenergieanlagen auf dem Meer möglichst viel Strom liefern, sollten die Standorte der Parks gut aufeinander abgestimmt werden und möglichst weit auseinander liegen. Dazu ei eine länderübergreifende Planung über die Offshore-Windenergienutzung insbesondere auf der Nordsee nötig. Denn bei einer zu engen und unabgestimmten Nutzung der Windkraft auf See könnten sich Offshore-Windparks großräumig gegenseitig den Wind wegnehmen. Der Ertrag der Windkraftanlagen würde dadurch im Extremfall um ein Viertel und mehr sinken. Zu diesen Schlüssen sei die eigene in Zusammenarbeit mit Agora Verkehrswende beauftragte Studie "Making the Most of Offshore Wind" gekommen.