Jan Rispens, Geschäftsführer des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH-Cluster), erklärt: "Der Energieertrag einer Offshore-Anlage ist umso höher, je weiter sie sich auf dem offenen Meer befindet, da hier der Wind noch stärker weht als in Küstennähe. Aus technischen Gründen können ab einer Wassertiefe von ungefähr 50 Metern aber keine fest im Meeresboden verankerten Fundamente für Offshore-Windenergieanlagen gebaut werden." Experten entwickeln deshalb weltweit Techniken für schwimmende Konstruktionen, Floating Wind Farms, kurz Floatings genannt.
Springer-Autor Erich Hau beschreibt die Situation schwimmender Windkraftanlagen im Buchkapitel "Windenergienutzung im Küstenvorfeld der Meere" treffend, er schreibt auf Seite 736: "Ob die Windenergie in ferner Zukunft auch in großer Entfernung von der Küste und damit in Wassertiefen, die nur mit schwimmenden Plattformen erreicht werden, wirtschaftlich genutzt werden kann, bleibt abzuwarten. Wenn die Entwicklung erfolgreich verläuft, würde der Anwendungsbereich für die Offshore-Aufstellung von Windkraftanlagen nahezu unbegrenzt."
Erst wenige Floatings im Einsatz
Die Vorteile der Floatings sind eindeutig: Sie haben dank ihres Standorts einen hohen Energieertrag. Zudem sind für den Bau der Anlagen keine teuren Errichterschiffe nötig. Die Anlagen lassen sich an Land montieren und mit einfachen Schlepperschiffen auf das offene Meer bringen. Trotz der Vorteile befindet sich die Entwicklung von schwimmenden Windenergieanlagen noch in der Anfangsphase, wie Jan Rispens sagt. "Die meisten bisher gebauten Floating-Anlagen sind Prototypen und werden überwiegend zu Erprobungszwecken genutzt."
Besonders aktiv in dem Bereich ist ein norwegischer Erdölkonzern. Seit 2009 betreiben die Norweger im Åmøy-Fjord in der Nähe von Stavanger eine schwimmende Windenergieanlage. Vor Schottland will der Konzern bis 2017 eine 215 Millionen teure schwimmende Windfarm mit sechs Windenergieanlagen bauen.
In Portugal errichtet ein Konsortium bis 2018 das Floating-Testfeld "WindFloat Atlantic Project" mit vier Anlagen. Weitere Testanlagen unterschiedlicher Größe befinden sich ebenfalls an den Küsten von Japan. Die bisher gebauten Floating-Modelle unterscheiden sich in drei wesentlichen Punkten. Zum ersten darin, ob die Schwimmkonstruktion eine einzelne oder mehrere Windkraftanlagen auf dem Wasser trägt, zum zweiten in der Auftriebstechnik – zum Beispiel schwimmende Bojen – und in der Methode, wie das Floating auf dem Meer verankert und befestigt wird.
Industriekonsortium soll Technik voranbringen
Floatings sind komplexe technische Konstruktionen, bei deren Bau und Betrieb viele verschiedene technische Disziplinen aufeinandertreffen. "Um die Technik des Floatings weiter voranzubringen, müssen Experten aus den verschiedensten Bereichen ihre Köpfe zusammenstecken und ihr Know-how teilen", sagt Rispens. Derzeit seien Floatings noch sehr kostenintensiv – überwiegend müsse teurer Stahl für die Konstruktion verwendet werden. "Ideal wären technische Lösungen aus Beton, da dieses Material kostengünstiger ist – so könnten Floatings bei gleichbleibender Effizienz wirtschaftlicher gemacht werden", erklärt der EEHH-Geschäftsführer.
Derzeit gibt es viele verschiedene technische Ansätze zur Realisierung der Anlagen. Erstmals hat sich jetzt ein Konsortium aus 13 internationalen Unternehmen der Wind, Öl- und Gasindustrie sowie dem maritimen Sektor zu einem "Joint Industry Project" gebildet, um die Floating-Technik zu vereinheitlichen und gemeinsam voranzubringen. Geleitet wird das Projekt vom DNV GL, einem Beratungs- und Zertifizierungsdienstleister im Energiesektor. Ziel ist es, einen neuen technischen Standard für schwimmende Windkraftwerke zu entwickeln, um so allgemeingültige Vorgaben für die Produktion sowie die technische Überprüfung und Analyse zu generieren.
Einen technischen Überblick gibt Springer-Autor Madjid Karimirad im Buchkapitel "Floating Offshore Wind Turbines". Er nennt wichtige Kennzahlen der Projekte und veranschaulicht die Konzepte, die dahinter stehen.