Dr. Michael Klimke ist Geschäftsführer der Bayerischen KI-Agentur, die das Thema „Künstliche Intelligenz“ im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung unter dem Markennamen „Baiosphere“ voranbringt. Im Interview erklärt er, warum Deutschland in die Technologie investieren sollte.
Herr Dr. Klimke, wo steht Deutschland Ihrer Meinung nach aktuell im internationalen Wettbewerb um Künstliche Intelligenz (KI)?
Anzeige
Deutschland verfügt insbesondere im Bereich der industriellen und angewandten KI über beachtliche Stärken. Die hervorragende Forschungslandschaft mit vielfach ausgezeichneten Universitäten und Hochschulen und die breite Basis an MINT- Studierenden, die aus aller Welt nach Deutschland kommen, bilden eine hervorragende Basis. Auf diese setzen außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie Max Planck, Fraunhofer, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Helmholtz auf, ebenso Transferprogramme und Gründerzentren von Bund und Ländern sowie von privaten Investoren. Davon profitiert unsere starke industrielle Basis, vor allem im Maschinenbau, in der Fertigungstechnik und in der Automobil- und Umweltbranche. Dies gilt für das ganze Land, insbesondere aber für die Tech-Hotspots in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Als Bayerische KI-Agentur freuen wir uns natürlich sehr über die Stärke Münchens und seine internationale Ausstrahlung als lebendiger Innovationsstandort für KI, der weit über reine Technologieentwicklung hinausgeht: Microsoft, Google, Apple, IBM und Amazon haben bereits starke Präsenzen in der Stadt, in Kürze will auch Open-AI ein Büro eröffnen. Dennoch steht Deutschland vor bedeutenden Herausforderungen. Im Vergleich zu den führenden KI-Nationen USA und China investiert Deutschland deutlich weniger in KI-Forschung und -Entwicklung. Es fehlt bei uns an großen Tech-Unternehmen, die mit den amerikanischen oder chinesischen Giganten konkurrieren können. Klar ist, dass staatliche Stellen allein nicht das in der Tech-Branche benötigte Kapital aufbringen werden. Wir brauchen viel mehr privates Risikokapital, um KI-Gründungen zu fördern und Start-ups zu großen Unternehmen zu machen. Auch allgemein haben wir bei der digitalen Infrastruktur und der Ausbildung von KI-Fachkräften deutlichen Nachholbedarf.
> München: Die Entscheidung des KI-Vorreiters OpenAI, sich in der bayerischen Landes-hauptstadt niederzulassen, unterstreicht die Bedeutung Deutschlands als Schlüsselmarkt für Künstliche Intelligenz.
Welchen Stellenwert hat Künstliche Intelligenz für deutsche Unternehmen?
Künstliche Intelligenz ist heute ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen. Mit KI lassen sich Produkte und Prozesse optimieren, Ressourcen besser nutzen und innovative, datengestützte Geschäftsmodelle aufbauen. Viele mittelständische Betriebe zögern jedoch noch beim KI-Einsatz, weil ihnen das praktische Anwendungswissen fehlt. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) setzten 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland in 2024 noch keine KI-Technologien ein. Immerhin steigt die Anzahl der Nutzer jedes Jahr, insbesondere in Großunternehmen. Die Bayerische KI-Agentur unterstützt daher insbesondere kleine und mittlere Unternehmen mit dem Baiosphere KI-Kompass - einem Werkzeug, das verständliches Grundlagenwissen und konkrete Praxisbeispiele für den KI-Einstieg bietet und die Potenziale sowie konkrete Lösungen aufzeigt.
Wie lässt sich der Zugang der Unternehmen zu innovativen KI-Technologien erleichtern?
Anzeige
Der Weg zum Einsatz innovativer KI-Technologien, wie wir ihn mit dem KI-Kompass aufzeigen, führt über drei Bausteine: praktische Beispiele aus dem Unternehmens-alltag, sogenannte Use Cases, dann passgenaue Fördermöglichkeiten von staatlicher und privater Seite und schließlich der fachspezifische und oftmals niedrigschwellig Hands-on-Austausch von Wissen und Erfahrungen in den entsprechenden Netzwerken. Wir übernehmen hier die Schlüsselrolle als Netzwerker - als Enabler, der Unternehmen mit KI-Experten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammenbringt und so den wertschöpfenden Wissenstransfer ermöglicht.
Was sind die häufigsten Probleme, die die Anwender beim praktischen Einsatz von KI bewältigen müssen?
Bei der praktischen Umsetzung von KI-Projekten stoßen Unternehmen auf mehrere Hürden. Ein Kernproblem liegt in der Datenbasis. Oft fehlt es an hochwertigen oder ausreichend aufbereiteten Daten oder die vorhandenen Informationen sind über verschiedene, nicht miteinander vernetzte Systeme verstreut. Dies erschwert die KI-Nutzung erheblich. Eine weitere Hürde stellt der Mangel an KI-Fachleuten dar. Ohne qualifiziertes Personal können Unternehmen KI-Technologien weder sinnvoll entwickeln noch erfolgreich in ihre bestehenden Prozesse integrieren. Auch rechtliche Aspekte bereiten vielen Unternehmen Kopfzerbrechen. Weitere Problemfelder sind Unsicherheiten beim Datenschutz oder komplexe regulatorische Anforderungen, die oft zur Zurückhaltung bei der Einführung von KI-Lösungen führen oder diese verhindern. Auch hier zeigt unser KI-Kompass Lösungen auf.
Wie schätzen Sie den Stand der Entwicklung des KI-Einsatzes im B2B-Vertrieb deutscher Unternehmen ein?
Während KI im internationalen Vertrieb längst zum Standardwerkzeug gehört, zeigt sich der deutsche Mittelstand noch zurückhaltend. Viele Unternehmen betrachten die Technologie zu eng aus der IT-Perspektive und übersehen dabei ihr enormes Potenzial für moderne Vertriebsstrategien. Die Vorreiter, die KI bereits als strategischen Hebel im Vertrieb einsetzen, profitieren schon heute von optimierten Verkaufsprozessen und verschaffen sich dadurch deutliche Marktvorteile. Diese Erfolge zeigen: Wer den Schritt über klassische IT-Anwendungen hinaus wagt, kann seine Vertriebsleistung durch KI-Unterstützung nachhaltig steigern.
Wie gehen Sie mit Sorgen und Bedenken der Unternehmen gegenüber KI um, etwa wenn es um Ethikfragen, die Verdrängung von Arbeitsplätzen oder um den Datenschutz geht?
Im Dialog mit Unternehmen begegnen wir dem mit einem ganzheitlichen Ansatz. Dieser umfasst nicht nur technische und rechtliche Aspekte, sondern widmet sich auch intensiv den ethischen Dimensionen. Die häufig geäußerten Befürchtungen um einen möglichen Arbeitsplatzverlust und das Thema „Datenschutz“ nehmen wir dabei besonders aufmerksam wahr. Unser Ziel ist es, eine neue Perspektive auf die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu vermitteln: Statt als Bedrohung kann sie als Werkzeug und Chance zur positiven Transformation dienen - dem Unternehmen, aber auch jedem Einzelnen. Sie entlastet Mitarbeiter von Routineaufgaben und eröffnet ihnen Raum für Weiterqualifizierung und die Wahrnehmung von anspruchsvolleren, strategisch bedeutsamen Tätigkeiten. Diese ausgewogene Sichtweise hilft Unternehmen und ihren Mitarbeitern, die Chancen der KI-Integration besser zu erkennen und zu nutzen.
Interview: Alexander Lorber
In eigener Sache: Zukunftswerkstatt Sales Excellence findet wieder live statt
Die 6. Zukunftswerkstatt Sales Excellence zum Thema „KI als Booster im Vertrieb - Strategien und digitale Werkzeuge für intelligentes Verkaufen“ findet am 8. Mai 2025 erstmals wieder live vor Ort statt - in der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Main. Bei dem Event lernen die Teilnehmer Konzepte, erprobte digitale Tools und Anwendungs-beispiele aus Unternehmen verschiedener Branchen für erfolgreiches und effizientes Verkaufen kennen, die ihre Kundenbeziehungen in neue Bahnen lenken. Darüber hinaus erleben sie zahlreiche hochkarätige Referenten im Live-Austausch. Die Veranstaltung schlägt einen thematischen Bogen mit Blick auf Künstliche Intelligenz aus verschiedenen vertriebsrelevanten Perspektiven: von Führung und IT-Integration im Vertrieb bis hin zum praktischen Einsatz von KI-Unterstützung in den Vertriebsteams bei unterschiedlichen Prozessen und Aufgabenbereichen. Die Veranstaltungsreihe „Zukunftswerkstatt Sales Excellence“ findet unter der Dachmarke „Sales Excellence live“ bereits zum sechsten Mal statt, zum zweiten Mal wieder live vor Ort in Frankfurt am Main.
Unsere Schwesterzeitschrift Sales Excellence stellt im Interview mit der Bayerischen KI-Agentur noch weitere Fragen an Dr. Michael Klimke - mit Fokus auf den KI-Einsatz im Vertrieb. Lesen Sie mehr darüber in der Ausgabe 4/2025, die am 16. April 2025 erscheint.