Auf nahezu keinem anderen Arbeitsmarkt liegen Erfolg und Misserfolg so nahe beieinander wie auf den Künstlerarbeitsmärkten. Während einige Künstler regelmäßig Spitzeneinkünfte erzielen, ist die wirtschaftliche Absicherung für einen Großteil der Künstler immer wieder von Unsicherheiten geprägt. Trotz dieser Risiken verlieren diese Arbeitsmärkte nicht an Attraktivität, sondern ziehen weitere Arbeitskräfte an.1
Bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Arbeitsmärkte von Künstlern handelt es sich um ein sehr junges Forschungsgebiet. Seine Ursprünge können auf Baumol und Bowen (1966) zurückgeführt werden. Baumol und Bowen haben in den sechziger Jahren die in ihrem Klassiker ‚Performing Arts — The Economic Dilemma‘ als Erste eine zentrale Sparte der Kultur systematisch theoretisch und empirisch mit ökonomischen Methoden analysiert. Ihre umfassenden Untersuchungen behandeln die verbreiteten Schwierigkeiten, Produktivitätssteigerungen am Theater, an der Oper, im Musik- und Tanztheater zu erzielen.
Ziel dieses Kapitels ist die Darstellung der Datengrundlage, die Abgrenzung der Untersuchungseinheit und die dieser Arbeit zugrunde gelegten Methoden. Zunächst werden aber generelle Vor- und Nachteile quantitativer Ansätze für die Bearbeitung struktureller Merkmale auf den Künstlerarbeitsmärkten diskutiert, bevor in einem weiteren Schritt die eigene Herangehensweise vorgestellt wird.
Typische Charakteristiken von Künstlerarbeit können wie folgt skizziert werden: Künstler verfügen über ein hohes Ausbildungsniveau, sie konzentrieren sich in Großstädten und Ballungszentren, die Anteile der Selbständigen, der Arbeitslosen und der Unterbeschäftigten (unfreiwillige Teilzeitarbeit und diskontinuierliche Arbeit) sind deutlich höher als bei den Erwerbstätigen insgesamt, sie verfügen über ein geringeres Einkommen als Berufsgruppen mit ähnlichem Qualifikationsniveau und sie sind häufig mehrfachbeschäftigt (Wassall und Alper 1992: 187, Throsby 1996b: 227, Towse 1996a, Menger 1999: 545). Auch wenn sich die institutionellen, sozialen und kulturellen Umgebungen zwischen den Ländern maßgeblich voneinander unterscheiden, so haben Beobachtungen über das Verhalten und die Verhältnisse von Künstlern zumindest in Teilen ihre Gültigkeit, insbesondere in einer internationalen Perspektive (Throsby 1996b: 226).
Nach dem Entstehen eines kollektiven Sicherungssystems durch die bismarckschen Sozialversicherungsgesetze 1883–1889 wurden unterschiedliche Versuche unternommen, diese Instrumente auch in einer überregionalen Organisationsform für die bildenden Künstler zu nutzen. So gründeten 1893 Weimarer Künstler eine Renten- und Pensionsanstalt für ihre Berufsgruppe, einen Versicherungsverein für Alters- und Erwerbsunfähigkeit. Diesem wurde im Jahr 1900 eine Witwen- und Waisenkasse angegliedert.
Der weitgehend auf abhängig Beschäftigte ausgerichtete Sozialschutz in Deutschland verstärkt die Bedeutung von Netzwerken und kooperativen Elementen. In dieser Untersuchungsebene wird die Bedeutung der kollektiven Akteure wie gewerkschaftlichen Organisationen, Berufsorganisationen und — verbänden für das soziale Risikomanagement von Künstlern betrachtet. Nach einem kurzen theoretischen Vorspann, in dem die Bedeutung und Aufgaben der Akteure skizziert wird, wird das Spannungsfeld zwischen Individualität und Kollektiv dargelegt. In dem sich daran anschließenden qualitativ empirischen Teil der Arbeit werden ausgewählte Künstlerverbände sowie alle Künstlergewerkschaften vorgestellt und hinsichtlich ihrer Relevanz für die wirtschaftliche und soziale Sicherung von Künstlern überprüft. Zum einen basieren die Ausführungen auf der Analyse von Dokumenten und Veröffentlichungen der Verbände und Gewerkschaften sowie Sekundärliteratur. Zum anderen werden die ermittelten Fakten durch Ergebnisse der Interviews mit den Spitzenfunktionären ergänzt.114
Künstlerarbeitsmärkte zeichnen sich durch eine große Variation bezüglich ihrer Arbeitsmarktbedingungen, Karrieren und Akteure aus. Die soziale Lage der Künstler sowie die Instrumente für ihre soziale Sicherung sind vielfältig. Während beispielsweise die überwiegende Mehrheit der Orchestermusiker noch im klassischen Normalarbeitsverhältnis mit hohen Standards sozialer Sicherung arbeitet, bewegen sich Musiker anderer Genres in Selbständigkeit von Engagement zu Engagement ohne Gewissheit über ihre zukünftige Auftragslage. Bei vielen darstellenden Künstlern wechseln sich Phasen von Erwerbs- und Nichterwerbszeiten ab. Das Gros der bildenden Künstler arbeitet in Selbständigkeit, meist am Rande des Existenzminimums. Diese Unterschiedlichkeit zwischen und innerhalb der Berufsgruppen erforderte eine differenzierte berufsgruppenspezifische Analyse, die die Arbeitsmärkte in ihren jeweiligen Besonderheiten und Erwerbsstrukturen berücksichtigt. Im Fokus der Analyse stand die Rolle der Akteure auf der institutionellen, der kollektiven und der individuellen Ebene für die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Künstler. Diese auf mehreren Ebenen gelagerte Aufgabe wurde im Rahmen eines Methoden-Mix mit quantitativen statistischen Verfahren und qualitativen Methoden bearbeitet. Auf die Schwierigkeiten, diese Arbeitsmärkte mit den Daten der amtlichen Statistik zu bearbeiten, wurde in der vorliegenden Arbeit hingewiesen.
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Titel
Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern