Die Umsetzung der Potentiale innovativer Informations- und Kommunikationstechnik stellt die größte Herausforderung an Unternehmen seit der industriellen Revolution im neunzehnten Jahrhundert dar. 1 Dabei entwickelt sich insbesondere das Internet seit dessen Transformation vom wissenschaftlichen zum privaten Kommunikationsmedium und dem Börsengang der Firma Netscape, der das öffentliche Interesse erstmalig auf das World Wide Web und die Potentiale der digitalen Ökonomie lenkte, zunehmend zu einem bedeutenden Träger kommerzieller Aktivitäten.2 Seither wird die Wirtschaftlichkeit dieser Systeme —i.S. der Gegenüberstellung von monetären Kosten und Erlösen—kontrovers diskutiert. Dabei fällt es sowohl im ökonomischen als auch organisatorischen Kontext schwer, eindeutige Aussagen bzgl. der Korrelation von Investitionen und Produktivität von Informationstechnologien zu treffen.
Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen gehören zu den wichtigsten Instrumenten der Unternehmensführung. Detaillierte Analysen bzgl. der Wirtschaftlichkeit von Investitionen liefern Antworten auf die stets in der Betriebswirtschaftslehre wiederkehrende Frage, ob sich die bei einem Investitionsvorhaben eingesetzten Mittel mit mindest ebenso hohen Erträgen auszahlen und somit die existenzielle Grundlage eines Unternehmens erhalten bzw. ausbauen.38 Insbesondere werden im Folgenden zunächst die Grundlagen der ökonomischen Beurteilung von unternehmerischen Entscheidungen dargelegt.
Seit den letzen Jahren unterliegen unternehmerische Wertschöpfungsaktivitäten bedingt durch verschiedene (informations-) technische Innovationen einem starken Wandel. Der Begriff „Internetökonomie“ steht dabei als (Leit-)Bild einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Verarbeitung und Nutzung von Informationen eine zentrale Rolle spielen und bekannte Prämissen wirtschaftlichen Erfolgs komplementieren oder gar substituieren.294
Analog zu den allgemeinen Schwierigkeiten zur Erfassung detaillierter Informationen zum Produktivitätsparadoxon der Informationstechnologie stößt auch die ganzheitliche ökonomische Beurteilung von Interaktionsplattformen in der Unternehmenspraxis auf Schwierigkeiten, die im Rahmen von explorativen Interviews eruiert wurden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Expertenbefragung bei Betreibern von Interaktionsplattformen durchgeführt. Der folgende Teil dieses Kapitels enthält eine Darstellung der Zielsetzungen und der Untersuchungsmethode sowie eine Erläuterung des Aufbaus des halbstandardisierten Fragebogens. Im anschließenden Teil erfolgt die Auswertung der Angaben sowie eine Zusammenfassung und Interpretation der Befragungsergebnisse.
Grundsätzlich erfordert eine Analyse zur Wirtschaftlichkeit von Interaktionsplattformen eine detaillierte und genaue Erfassung und Bewertung sämtlicher zu erwartender (bzw. bereits realisierter) positiver und negativer Effekte dieser Investition für das Unternehmen. Verschiedene wirtschaftswissenschaftliche Publikationen verweisen in dem Zusammenhang auf die komplexen Auswirkungen einer Interaktionsplattform, die in der Regel unternehmensspezifisch und interdependent zu diversen Bereichen innerhalb und außerhalb des Unternehmens sind.624 Die Erfassung dieser Effekte auf Basis einer Nutzwertanalyse führt—neben der ganzheitlichen Betrachtung einer ökonomischen Handlung—zu einer Verschiebung der Diskussion über Kriterienbildung und -messung hin in die Bereiche Effizienz und Effektivität, bei der Nutzwert bzw. der Nutzengedanke gleichberechtigt in eine Bewertung mit einfließen.625
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, ein Rahmenmodell zur Systematisierung und Erfassung sämtlicher relevanter Kosten- und Nutzeneffekte von Interaktionsplattformen in Form einer ganzheitlichen und kundenintegrierten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu konzipieren. Den Ausgangspunkt und die grundlegende Forschungsmotivation bildete hierbei das große Interesse an interaktionsorientierten Erlösmodellen im Internet, die in der Vergangenheit sowohl im Bereich der Managementliteratur als auch in wirtschaftswissenschaftlichen Publikationen zunehmend Gegenstand der Betrachtung geworden sind. Dieses Interesse basiert dabei weitgehend auf den Potentialen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, die es für Anwender ermöglichen, räumliche (und zeitliche) Restriktionen zu überwinden. Das Internet verbindet weltweit Menschen miteinander. Analog zur realen Welt organisieren sich Menschen mit Gemeinsamkeiten auf Interaktionsplattformen zu global vernetzten Gemeinschaften. Ein gemeinsamer realer Ort ist dafür nicht mehr notwendig. Dieser wird durch eine Interaktionsplattform substituiert, die verschiedene synchrone und asynchrone Kommunikationsdienste zur Verfügung stellt.979