Miriam Neubauer ist Geschäftsführerin der Catena Capital GmbH, einem Investor in Kryptofirmen und Company Builder für Blockchain-Projekte und ICOs mit Hauptsitz in Berlin. Daneben berät sie unter anderem Herdius, ein Unternehmen, das ein Blockchain-übergreifendes Protokoll entwickelt, um Identitäten auf der Ebene des Private Keys zu handhaben, auf das ein dezentralisierter Marktplatz aufbaut.
Nils Lucas Mund
Wirtschaftsinformatik und Management: Frau Neubauer, wo steht Blockchain heute?
Miriam Neubauer: Aus historischer Sicht gibt es Bitcoin und die darunterliegende Blockchain-Technologie schon lange. Viele Leute vergessen, dass das System „Bitcoin Blockchain“ bereits seit über neun Jahren stabil 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche ohne Pause online gewesen ist und nicht gehackt wurde. Das ist erstmal einzigartig. Der Ausbruch in Richtung breiteres Interesse in der Bevölkerung geschah jedoch erst vor gut eineinhalb Jahren mit dem ersten großen Kursausbruch von Ethereum, und dem Erkennen, dass die Technologie und nicht Bitcoin der Kern ist, auf dem viele andere Anwendungen gebaut werden können. Damit steckt die Blockchain eigentlich noch in den Kinderschuhen, steht aber unter viel Druck und muss schnell erwachsen werden, damit der Glaube an den systemischen Wandel erhalten bleibt. Kritikpunkte müssen rasch behoben werden, wie etwa die hohen Stromkosten, die fehlende Skalierbarkeit oder die langsame Transaktionsgeschwindigkeit bei den bekanntesten Blockchains Bitcoin und Ethereum.
Welche Infrastruktur ist erforderlich?
Infrastruktur lässt sich einmal in das Was, also welche Teile nötig sind, und das Wie, im Sinne von was dabei wichtig ist, unterteilen. Blockchain erfordert erst einmal verschiedene eigene dezentrale Komponenten: Speicherplatz, Rechenpower und Kommunikation also Protokolle. Zum Speichern gehören die Tokenspeicher wie Bitcoin selbst, eigene dezentralisierte Datenbanken wie IOTA oder Bigchain-Db, Dateisysteme wie Filecoin oder Storj und eben auch Datenmarktplätze wie Enigma oder Ocean. Auf der Verarbeitungs- oder Rechenseite braucht es eigene dezentrale Hochleistungsrechenprojekte wie Golem oder TrueBit sowie Projekte, die sich um Zustände und Geschäftslogiken kümmern wie Lisk, Ethereum, EOS oder Rchain. Bekannte Protokolle sind PolkaDot oder Aeternity sowie auch Interledger oder Cosmos.
Man kann die Infrastruktur, die für Blockchain erforderlich ist, auch in vier Punkten zusammenfassen:
- Wichtig bei der Blockchain sind Skalierbarkeit wegen der rechenintensiven kryptografischen Algorithmen und Elastizität wegen unvorhersehbarer Hochzeiten an Transaktionen, ohne eben Verzögerungen direkt auszulösen, denn die Benutzer von Blockchain erwarten sofortigen Austausch, ohne Verzögerung.
- Mittlerweile reifen Blockchain-Anwendungen auf Produktionsstatus heran. Deshalb werden operative Themen wie etwa die Interoperabilität mit anderen Blockchains, die Blockchain-interne Versionskompatibilität und die mit bestehenden Kernsystemen immer wichtiger.
- Je mehr Anwendungen gebaut und vor allem tatsächlich benutzt werden, desto wichtiger wird auch die Vertraulichkeit oder Geheimhaltung der Parteien, zwischen denen Transaktionen stattfinden. Das heißt, Verschlüsselungstechnologien, die sicher sind und idealerweise trotzdem weniger rechenintensiv, werden wir auf der Infrastrukturebene immer mehr brauchen.
- Zuletzt, oder als oberste Schicht der Infrastruktur, wird es irgendwann auch Echtzeit-Analysen brauchen, damit die Blockchains sich selbst warten können oder betrügerische Transaktionen entdecken können.
Wie entwickelt sich die deutsche Blockchain- und Kryptowirtschaft?
Die deutsche Blockchain- und Krypto-Wirtschaft, die übrigens zu 90 Prozent in Berlin angesiedelt ist, wächst stark. Viele Entwickler dort haben sich früh der Dezentralisierung und den Kryptowährungen zugewandt, sodass es jetzt eine ausgereifte Szene an erfahrenen Entwicklern gibt. Das macht die Stadt sehr attraktiv, vor allem auch global gesehen. Neue Ideen werden hier nicht als „Blödsinn“ abgetan, sondern oft finden sich weitere begeisterte Querdenker, die mit unterstützen wollen. Daneben fallen drei Dinge besonders auf: ein freundlicher Regulator, internationale Kooperationen und Attraktivität deutscher Konzerne. Deutschland ist regulatorisch gar nicht mal so schlecht aufgestellt. Es gibt noch keine 100-prozentig saubere und klare Regulierung, aber zumindest ist man dem Thema, im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, positiv gegenüber eingestellt. Auch agieren hier mehrere Verbände aktiv daran, die Regulierung aktiv mitzugestalten. Der offene Regulator ist mit ein Grund dafür, dass sich, so wie es aussieht, die Attraktivität der deutschen Kryptowirtschaft sogar noch weiter ausbauen wird.
Das vollständige Interview finden Sie in der Wirtschaftsinformatik und Management (3/2018) hier in der digitalen Fachbibliothek von Springer Professional.