Donald Trump wird wieder ins Weiße Haus einziehen. Damit sind die schlimmsten Befürchtungen der Europäer wahr geworden. Politisch kommt einiges auf die EU zu. Wirtschaftlich trifft es vor allem Deutschland. Erste Stimmen und Reaktionen.
"Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten: Mit der Wahl Donald Trumps steht die deutsche Wirtschaft vor der nächsten Krise in einer an Rückschlägen reichen Zeit. Schon heute können sich Unternehmen auf einen teuren Handelskrieg einstellen, der nach IW-Berechnungen über die kommenden vier Jahre 180 Milliarden Euro kostet. Was noch auf die Wirtschaft zukommt, weiß bei der Wundertüte Trump noch niemand, nur klar ist: Es wird nicht bei der einen Hiobsbotschaft bleiben, mit positiven Überraschungen rechnet niemand", sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) angesichts des Ausgangs der US-Wahlen.
Gleichzeitig hofft der Experte, dass die Bundesregierung sich dieses Mal besser auf einen solchen Ausgang der US-Wahl vorbereitet habe als noch 2016. Denn Deutschland müsse in den kommenden Jahren lernen, mehr auf eigenen Beinen zu stehen - "im Geopolitischen genauso wie in der Wirtschaftspolitik". Doch auch die EU müsse sich mit dem heutigen Tag bewegen. "Es ist schon lange nicht mehr vermittelbar, dass es bei den Handelsabkommen, etwa mit den Mercosur-Staaten, nicht weitergeht. Jetzt ist die Zeit, um alle Befindlichkeiten beiseitezustellen", so Hüther weiter.
Trump gefährdet EU-Wirtschaft und deutschen Mittelstand
Auch Achim Wambach zeigt sich ausgesprochen besorgt angesichts der Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA. Der Präsident des ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung betont, dass Europa von offenen Märkten profitiert. Trump dagegen wolle höhere Zölle einführen und in den USA die Steuern für Unternehmen senken. "Das verschärft Europas Wirtschaftsprobleme, da sich europäische Unternehmen noch stärker genötigt sehen, in den USA zu produzieren, statt fertige Produkte dorthin zu liefern. Deutschland und die EU müssen ihren Wirtschaftsstandort dringend stärken. Nur ein dynamischer Binnenmarkt ist ein Garant dafür, nicht zwischen den Wirtschaftsblöcken USA und China zerrieben zu werden", mahnt Wambach.
Marc S. Tenbieg, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes (DMB), sieht, dass mit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen ganz sicher nicht enger werden, ganz im Gegenteil: Eine zweite Amtszeit Trumps bringe vielfältige Herausforderungen für den deutschen Mittelstand mit sich, etwa auf Grund von höheren Exportzöllen oder einer verminderten Unternehmensbesteuerung in den USA. "Dies könnte dazu führen, dass amerikanische Firmen im internationalen Wettbewerb begünstigt werden, was unseren Mittelstand weiter unter Druck setzen würde", so Tenbieg.
Außenwirtschaftliche Strategie gegen US-Protektionismus
Gero Furchheim, Präsident des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland, fordert von Europa, sich geeint und mit klaren Leitlinien zu positionieren: "Die Bedeutung der globalisierten Handelsordnung, wie wir sie von früher kennen und wie sie Deutschland stark gemacht hat, wird nach dem Wahlausgang weiter an Bedeutung verlieren. Die Frage ist nur, wie radikal und schnell sich der Umbruch fortsetzt. Eine klare außenwirtschaftliche Strategie, wie Deutschland und Europa sich in dieser neuen Ordnung aufstellen wollen, fehlt aber noch immer." Furchheim fordert, geschlossen zu handeln, aber keinesfalls "eine Welt der gegenseitigen Abschottung und Drohung" zu schaffen. Denn "extreme, eindimensionale Erklärungsmuster in der Handelspolitik werden der Komplexität unserer Welt nicht gerecht und scheitern."
In einem ähnlichem Tenor äußert sich Clemens Fuest, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo): "Trump verfolgt eine ausgeprägt protektionistische Agenda, die auf höhere Importzölle und stärkere Beschränkungen des internationalen Handels setzt." Die Wirtschaftsforscher mahnen, Deutschland und die EU müssten ihre eigene Position stärken. "Dazu gehören eine tiefere Integration des EU-Dienstleistungsmarktes und glaubwürdige Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA", sagt die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach.
Europa: Wirtschaftlich und sicherheitspolitisch eigenständiger werden
Ralf Wintergerst, Präsident des Branchenverbands Bitkom, erklärt, dass es nun keine Ausreden mehr für die verpassten Chancen und Möglichkeiten der letzten Dekaden gebe, sich stärker, resilienter und chancenorientiert aufzustellen. "Wir werden technologisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch eine scharfe Transformation durchlaufen müssen, um die USA zwar als Partner zu halten, aber auch, um uns zu emanzipieren. Wer es vor acht Jahren noch nicht verstanden hat, muss jetzt wach werden: Die USA werden sich dauerhaft von Europa ab- und dem asiatisch-pazifischen Raum zuwenden. Herausforderungen wie eine CO2-freie, stabile Energieversorgung, digitale Souveränität, Schutz vor hybriden und militärischen Angriffen müssten nun eigenständig, ohne die Unterstützung der Vereinigten Staaten gelöst werden.
Donald Trump selbst verspricht nach seinem Wahl-Sieg ein "goldenes Zeitalter" für die USA. Was das heißt, ist bekannt: America first und der Rest der Welt "second", lautet Trumps populistische Maxime.
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen EU und USA
Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, auf Importe in die Vereinigten Staaten neue Zölle in Höhe von zehn bis 20 Prozent einführen zu wollen - für Produkte aus China sogar in Höhe von 60 Prozent. Damit will er den Produktionsstandort USA stärken und das aktuelle Handelsdefizit abbauen. Es ist Trump ein Dorn im Auge, dass europäische Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen als amerikanische Unternehmen in der EU. Für Unternehmen aus der EU waren die USA 2023 der wichtigste Waren-Exportmarkt.
Wie könnte die EU reagieren?
In Brüssel werden die Äußerungen des Republikaners zu den Zöllen sehr ernst genommen. Für den Fall seines Wahlsiegs wurden in den vergangenen Monaten deswegen bereits Vorbereitungen für einen neuen großen Handelskonflikt getroffen. Sollte Trump neue Zölle einführen, würde die EU aller Voraussicht nach mit Vergeltungszöllen auf US-Importe reagieren. Im Idealfall wären diese so folgenreich für US-Hersteller, dass sie Trump an den Verhandlungstisch zwingen, wo dann eine einvernehmliche Lösung gefunden wird. Mit großer Sorge wird in Brüssel gesehen, dass hohe US-Zölle auf Waren aus China dazu führen könnten, dass diese dann auf den Markt in Europa gebracht werden und dort europäischen Herstellern das Leben schwer machen.
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, warnte Trump vor Regelbrüchen und Alleingängen. "Die EU wird ihren Kurs im Einklang mit ihrer strategischen Agenda als starker, geeinter, wettbewerbsfähiger und souveräner Partner verfolgen und gleichzeitig das regelbasierte multilaterale System verteidigen", schrieb er zusammen mit Glückwünschen an den Republikaner.
Welche Branchen könnte der Handelskonflikt treffen?
Besonders hart könnte es für die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer werden. Für Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz sind die USA zusammen mit China der wichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU. Sonderzölle hätten voraussichtlich erhebliche negative Auswirkungen. Erneut eskalieren könnte auch der Konflikt um von Trump in seiner ersten Amtszeit eingeführte Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Dieser konnte durch einen Deal mit Noch-Präsident Biden entschärft werden - dessen Laufzeit endet allerdings im März kommenden Jahres.
Börsen feiern Trump-Sieg
Unterdessen fallen die Marktreaktionen positiv aus. Die Renditen steigen, ebenso der Dollar und die Futures auf die US-Aktienindizes. Auch der Bitcoin erreicht ein Rekordhoch. Selbst an den europäischen Aktienmärkten geht es aufwärts, obwohl europäische Unternehmen zu den Leidtragenden einer protektionistischen Handelspolitik unter Trump gehören. Der Dax zieht im frühen Handel um bis zu 1,5 Prozent an auf 19.545 Punkte.