Setzt sich die Abwärtsspirale der deutschen Wirtschaft fort, wird sich das Land bald als Industrienation zweiter Klasse wiederfinden. Eine EU-Agenda, die hierzulande auf eine eifrige, wirtschaftsfeindliche Umsetzung trifft, ist toxisch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Jane Enny van Lambalgen ist Founding Partner und Geschäftsführerin der Firma Planet Industrial Excellence.
Jane Enny van Lambalgen
Die digitale Infrastruktur Deutschlands ist ebenso schlecht wie die des Verkehrs. Brücken brechen zuhauf zusammen, die Bahn fährt einen Unpünktlichkeitsrekord nach dem nächsten ein und zahlreiche Fluggesellschaften kappen ihre Verbindungen. Hinzu kommen schon seit Jahren international nicht mehr wettbewerbsfähig hohe Steuern und Sozialabgaben. Die durch die ungezügelte Migrationspolitik als Gegenbewegung hervorgerufene latent bis offene Ausländerfeindlichkeit erschwert es, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Die ideologisch geprägte Energiewende und die daraus resultierenden exorbitant hohen Produktionskosten haben für viele Unternehmen das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Die Auswanderungswelle der Industrie aus Deutschland ist auf absehbare Zeit unaufhaltsam und wird auch von einer künftigen wirtschaftsfreundlicheren Bundesregierung nur schwer zu stoppen sein.
Wirtschafts- und innovationsfeindliche Politik schwächt Deutschland
Hinzu kommt eine Überbürokratisierung, die allerdings nicht nur in Deutschland anzutreffen ist, sondern in vielen Ländern der Europäischen Union. Ursache ist die seit Jahren ausufernde Regelwütigkeit der EU-Kommission. EU-Europa legt sich immer mehr Selbstverpflichtungen auf, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit aller EU-Länder etwa im Vergleich mit Asien und Nordamerika, aber selbst gegenüber einem kleinen Land wie der Schweiz, schwächen. In Deutschland sind die Auswirkungen besonders gravierend, weil sich die EU-Bürokratie mit den negativen nationalen Standortfaktoren multipliziert.
Der Sündenfall der EU-Überbürokratisierung mit gravierenden Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Staaten war zweifelsohne die Datenschutz-Grundverordnung. Diese Überregulierung beim Datenschutz ist acht Jahre alt und hat in dieser Zeit die Digitalisierung in vielen Bereichen zur Farce gemacht, weil Digitalisierung ohne Datenfluss so sinnvoll ist wie eine Flasche Wasser ohne Inhalt. Viele Vereinfachungen, die durch eine bessere Vernetzung möglich wären, werden durch die Monstranz Datenschutz verhindert.
EU AI Act bremst KI-Entwicklung
Als ob das nicht schlimm genug wäre: Einer der Megatrends für die nächsten Jahrzehnte, die Künstliche Intelligenz, erstickt nicht nur im Datenschutz, sondern wird vom EU AI Act noch darüber hinaus mit Füßen getreten, um jedes Erblühen der KI zu unterdrücken. Wenn man Künstliche Intelligenz in erster Linie als Bedrohung wahrnimmt, die es von Anbeginn an strikt zu reglementieren gilt, und nicht das enorme Potenzial für Sicherheit, Wohlstand und wirtschaftliche Prosperität begreift, dann ist das an Innovationsfeindlichkeit kaum noch zu überbieten.
Es ist indes nur eines von zahlreichen Beispielen für die zerstörerischen Auswirkungen der Überbürokratisierung. In die gleiche Liga gehören der fünf Jahre alte Green Deal, gefolgt von der vor zwei Jahren in Kraft getretenen Taxonomie-Verordnung und der weiteren daraus abgeleiteten Regulatorik. Der damit verbundene Aufwand überfordert weite Teile der mittelständischen Wirtschaft, die das Herz des Wirtschaftsstandorts Deutschland darstellt.
Vom Export- zum Bürokratieweltmeister
Die Entscheider aus der Wirtschaft haben in erster Linie das Wohl und Wehe ihrer Unternehmen ins Auge zu fassen. Standortverlagerungen aus Deutschland heraus stellen also in vielen Fällen den richtigen Weg dar. Die häufig aus Kostengründen anvisierten Produktionsverlagerungen nach Polen sind allerdings zu kurz gesprungen. Die vorausdenkenden Unternehmensführungen verlassen nicht nur Deutschland, sondern gleich den Wirtschaftsraum der Europäischen Union, um den Bürokratiemonstern der EU zu entkommen. Mögliche Ausweichländer sind die Schweiz und Großbritannien, aber natürlich auch die USA und Kanada.
Für Deutschland steht zu befürchten, dass das Land vom Exportweltmeister zum Weltmeister der Bürokratie verkommt. Der Niedergang manifestiert sich exemplarisch im aktuellen "World Competitiveness Ranking" der renommierten Hochschule IMD. Im Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortbedingungen von knapp 70 Ländern ist die Bundesrepublik 2024 nochmals vom 22. auf den 24. Platz abgerutscht. Vor einem Jahrzehnt befand sich Deutschland noch auf dem sechsten Platz.
Anzeichen dafür, dass sich Deutschland kurz- oder auch nur mittelfristig aus dem Tal der Tränen wieder emporkämpfen könnte, gibt es derzeit nicht. Prognosen zufolge wird das Wachstum der deutschen Wirtschaft kontinuierlich weiter schrumpfen und bis 2028 einen Tiefstwert von 0,4 Prozent im Jahr erreichen. Das wäre nur noch ein Drittel des durchschnittlichen Potenzialwachstums der vorangegangenen Dekade.
Wenn es so weiterläuft, wird Deutschland im Laufe der nächsten Jahre sein Triple-A-Rating an den internationalen Finanzmärkten verlieren. Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch unabhängige Ratingagenturen hätte gravierende Folgen, wie erhöhte Kreditzinsen auf eine ohnehin hohe staatliche Verschuldung gepaart mit einer weiter verminderten Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen - eine Abwärtsspirale.