Die Wirtschaftsprüfung in Deutschland befindet sich mitten im Wandel: Die Globalisierung, digitale Technologien sowie wachsende regulatorische Vorgaben stellen die Unternehmen vor Herausforderungen, bergen aber auch Chancen, belegt ein aktueller Branchen-Report.
Wirtschaftsprüfer müssen mit einer stetig steigenden Nachfrage nach hochqualifizierten Services und Beratungsleistungen Schritt halten. So treiben die "fortschreitende Globalisierung und die damit einhergehende internationale Vernetzung der Unternehmen die Nachfrage nach spezialisierten Diensten an", heißt es in der Studie "Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung in Deutschland" des Marktforschungshauses Lünendonk und Hossenfelder. Aber auch die Digitalisierung eröffne neue Geschäftsfelder und ermögliche Effizienzsteigerungen.
Digitale Kompetenzen aufbauen
"Insbesondere die Implementierung neuer Technologien und die Anpassung an digitale Geschäftsmodelle erfordern von den Beratungsunternehmen eine kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen und Dienstleistungen", heißt es in dem Ende August veröffentlichten Report, der bereits in der 19. Auflage vorliegt. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Big-Data-Analysen unterstützen die Arbeit von Wirtschaftsprüfern und Beratern, wodurch Unternehmen schneller und präziser auf regulatorische Anforderungen reagieren können.
Dies erfordert zugleich, dass die Gesellschaften ihre Dienstleistungen kontinuierlich erweitern und anpassen, die Mitarbeiter weiterbilden und deren Kompetenzen ausbauen. Dieser Transformationsprozess beeinflusst auch die Arbeitspraxis in der Branche, in der Remote-Work-Modelle an Bedeutung gewinnen und die Präsenz vor Ort reduziert wird.
Dynamisches Wachstum ist ungebrochen
Insgesamt hat sich die Wirtschaftsprüfung dem Report zufolge seit 2014 als resilient erwiesen und ist kontinuierlich gewachsen. Trotz Wirtschaftskrisen und der Covid-19-Pandemie hat die Branche ein Marktvolumen von 19,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 erreicht.
Für das Geschäftsjahr 2024 erwarten die befragten 81 Unternehmen, Netzwerke und Allianzen, die fast 76 Prozent des deutschen Marktes abdecken, ein weiteres Wachstum von 5,6 Prozent. Damit würde die Branche ein Marktvolumen von knapp 21 Milliarden Euro erreichen.
Big Four mit dem größten Marktanteil
Die sogenannten Big Four, gemeint sind die Beratungshäuser Deloitte, PwC, EY und KPMG, sind weiterhin die dominierenden Akteure auf dem deutschen Markt mit einem Anteil von 51,6 Prozent. Im Geschäftsjahr 2023 verzeichneten diese Unternehmen ein Umsatzplus von insgesamt 1,49 Milliarden auf 10,22 Milliarden Euro. Dabei entfielen allein auf Deloitte und PwC Wachstumsraten von jeweils mehr als 20 Prozent. Für das laufende Geschäftsjahr prognostizieren die großen vier Gesellschaften ein durchschnittliches Wachstum von 13 Prozent.
Zwar belegt die Studie bei den im Ranking der 25 nach Inlandsumsatz größten Gesellschaften auf den Plätzen fünf bis zehn ebenfalls ein deutliches Wachstum. Doch konnten sie den Abstand zu den Big Four nicht verkleinern: So weist die Gruppe der Next Six, bestehend aus den Beratungshäusern BDO, Rödl und Partner, Forvis Mazars, Baker Tilly, Grant Thornton und Ebner Stolz, immerhin einen Marktanteil von 9,6 Prozent aus. Die sechs Unternehmen erreichten 2023 ein Umsatzplus von 15,6 Prozent.
Regulatorik fordert mehr Transparenz
Der starken Wachstumsdynamik stehen allerdings steigenden regulatorischen Anforderungen gegenüber: Insbesondere die Forderungen nach mehr Transparenz und Unabhängigkeit in der Wirtschaftsprüfung, die Skandale wie der Wirecard-Fall ausgelöst haben, beeinflussen die Branche. Zwar hat sich die Diskussion um eine Trennung von Prüfungs- und Beratungsdiensten laut Studie beruhigt, jedoch bleibt offen, ob die Europäische Union mittelfristig an dieser Stelle regulierend eingreift.
Nachhaltigkeit fordert neue Kompetenzen
Ein weiteres zentrales Thema ist die zunehmende Bedeutung von ESG (Environmental, Social, Governance). Für viele Gesellschaften ist die Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie für die eigene Organisation eine wichtige Aufgabe. Zudem spielen Wirtschaftsprüfer eine entscheidende Rolle bei der Implementierung und Testierung entsprechender Berichte. ESG-Beratung und Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickeln sich damit zu zentralen Geschäftsfeldern, die von den Experten zusätzliche Kompetenzen verlangen.
Und die Bedeutung dieser Dienstleistungen wird laut Report in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen. Denn Banken, Investoren und Private-Equity-Gesellschaften achten zunehmend auf die Nachhaltigkeitsleistung ihrer Beteiligungen.
KI und Personal sind zentrale Handlungsfelder
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die Entwicklung datenbasierter Produkte für 83 Prozent der Befragten eine hohe bis sehr hohe Priorität. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) ist dabei für 78 Prozent aller Befragten besonders wichtig. Von den Next-Six-Gesellschaften sagen das sogar 100 Prozent. Hingegen sehen nur gut 18 Prozent aller 81 Unternehmen und Zusammenschlüsse in Themen wie IT- und Cyber-Sichderheit oder Cloud-Technologien derzeit ein Hauptaufgabe. Schließlich befassen sich auch neun von zehn Studienteilnehmern (90 Prozent) intensiv mit der Personalentwicklung und dem Recruiting qualifizierter Fachkräfte.
Die wichtigsten Entwicklungen und Herausforderungen auf einen Blick |
Marktkonzentration: Es bleibt eine Kluft zwischen großen internationalen Gesellschaften (Big Four) und mittelständischen Anbietern. |
Nachhaltigkeit: Die Nachfrage nach ESG-Beratung im Zusammenhang mit der nicht-finanziellen Berichterstattung steigt. In diesem Bereich müssen Wirtschaftsprüfer Kompetenzen ausbauen. |
Regulatorik: Strengere Regulierungen und mögliche Eingriffe der EU bringen der Branche Unsicherheiten. |
Digitalisierung: Neue Technologien und digitale Geschäftsmodelle bieten sowohl Chancen zur Effizienzsteigerung, verlangen aber zugleich den Aufbau von Fachwissen und kontinuierlichen Kompetenzentwicklung. |