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20.05.2022 | Wirtschaftsprüfung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Politik soll Regeln für Wirtschaftsprüfung nachbessern

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

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Als Folge des Wirecard-Skandals hat die damalige Bundesregierung 2021 ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität auf den Weg gebracht. Doch damit sind laut einer aktuellen Studie die Funktionsdefizite in der Wirtschaftsprüfungsbranche nicht behoben. 

Nach dem Bilanzskandal um den einstigen Börsenliebling Wirecard reagierte die Politik im Juli 2021 mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, kurz FISG). Die Insolvenz des seinerzeit im DAX 30 gelisteten Zahlungsdienstleistungsunternehmens im Jahr 2020 offenbarte laut Willy Wirth ein "fortbestehendes Defizit der aktienrechtlichen Unternehmensüberwachung in Deutschland". In seiner Zusammenfassung zur Asymmetrischen Geschäftsführungsprüfung schreibt der Springer-Autor auf Seite 331: 

Die sich anschließende Reformdebatte unterschied sich von früheren Diskussionen vor allem durch den besonderen Stellenwert, den man dem zweistufigen System der deutschen Bilanzkontrolle (Enforcement) im Rahmen des Wirecard-Skandals einräumte. Im Übrigen glichen die Reformvorschläge [...], die in den Entwurf des FISG mündeten, all denjenigen Reformansätzen, die bereits in den vergangenen 20 Jahren verfolgt wurden." 

Bilanzkontrolle fördert Stabilität des Finanzmarkts

"Das FISG reformiert das Bilanzkontrollverfahren grundlegend. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Verfahren im Wesentlichen der Integrität und Stabilität des Kapitalmarkts dient und das Vertrauen der Anleger in den deutschen Kapitalmarkt stärkt", heißt es dazu beim Bundesfinanzministerium. 

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Rechnungslegung dient nicht nur der Steuerung, sondern ist auch Ausfluss der Compliance von Unternehmen. In diesem Kapitel werden wesentliche Risiken in den Blick genommen, die mit unterlassener oder fehlerhafter Rechnungslegung verbunden sind.

Wesentliches Ziel ist es, ein angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem sowie ein entsprechendes Risikomanagementsystem für börsennotierte Aktiengesellschaften und einen Prüfungsausschuss für Unternehmen von öffentlichem Interesse zu errichten. Denn der Fall Wirecard rückte neben der Finanzaufsicht vor allem die Wirtschaftsprüfer im Hinblick auf deren Kontrollfunktion in ein denkbar schlechtes Licht. 

Hohe Marktkonzentration bleibt zentrales Defizit

Wo die Probleme der Branche liegen und was es bedarf, um das Vertrauen in sie wieder herzustellen, hat die Mitte Mai 2022 vorgestellte Studie "Funktionsdefizite auf dem Wirtschaftsprüfungsmarkt" untersucht. Im Auftrag der Beratungsgesellschaft Mazars hat DICE Consult die ökonomischen Zusammenhänge analysiert, die hinter dem Marktversagen in Fällen wie Wirecard stecken. 

Der Wirtschaftsprüfungsmarkt unterscheide die Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities, kurz PIE) von solchen Firmen, die nicht in diese Klasse fallen. Erstere unterliegen "angebots- und nachfragebedingten Besonderheiten und speziellen regulatorischen Bedingungen". Bei ihnen nimmt das Testat des Wirtschaftsprüfers, die sogenannte Jahresabschlussprüfung, "einen wesentlichen Einfluss auf die Erwartungs- und Vertrauensbildung von Investoren", heißt es in dem Report. Zugleich soll die Prüfung auch einen angemessenen Anlegerschutz gewährleisten, systemische Risiken und Krisen reduzieren und zeigen, wie effektiv die Corporate Governance eines Unternehmens ist.

Der Fall Wirecard reihe sich allerdings in eine Kette wiederkehrender Bilanzskandale ein, die zeigen, "dass weder die umfassenden Reformen im Bilanz- und Prüfrecht noch verschiedene Regulierungsreformen in den letzten Jahrzehnten die Funktionsdefizite in diesem Markt beseitigen konnten", monieren die Studienautoren. Die Branche werde nahezu weltweit von einem Oligopol aus vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Deloitte, Ernst & Young (EY), KPMG und Pricewaterhouse Coopers, kurz Big Four) beherrscht. Grundsätzlich sei trotzdem ein wirksamer Wettbewerb möglich, werde durch spezifische Einschränkungen verhindert.

Aus einem Oligopol wird ein Monopol

Großen PIEs stünde derzeit nur eine sehr beschränkte Auswahl ihres Abschlussprüfers zur Verfügung. Schuld daran seien "erhebliche Markteintrittsbarrieren für kleine und mittlere Prüfungsgesellschaften", aber auch "verschiedene regulatorische Maßnahmen wie das FISG". Dies führe dazu, dass PIEs nicht einmal auf die Big Four zurückgreifen können, "sondern nur auf zwei oder drei von ihnen oder im Extremfall gar keine Auswahl möglich ist". So werde im Ernstfall aus einem Oligopol ein "Duopol oder gar ein Monopol".

In dieser Kombination aus beschränkter Wahlmöglichkeit und Expansionshindernissen für kleinere Wirtschaftsprüfer sieht die Analyse "erhebliche Risiken für die Funktionsfähigkeit des Marktes mit entsprechend negativen Folgen für die Prüfungsqualität". Hinzu komme der "too big to fail"-Status der vier großen Gesellschaften. Dieser berge die Gefahr, dass ein Fehlverhalten möglicherweise weniger streng geahndet wird als dies bei kleineren Unternehmen ohne Systemrelevanz der Fall wäre. 

Um die genannten Probleme anzupacken, sei eine Anpassung des Marktdesigns erforderlich, formuliert der Reports seine Kritik in Richtung Berlin. Schließlich habe sich die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag "einer Politik für mehr Wettbewerb auf dem Abschlussprüfungsmarkt verpflichtet". 

Joint Audits, Cap Solution und staatliche Auftragsvergabe

Die Studienautoren entwickelten zur Bekämpfung der genannten Funktionsdefizite verschiedene Lösungswege, "die den Wettbewerb bei der Prüfung von PIEs beleben sollen": Hierzu gehören Joint Audits oder Shared Audits. "Je nach Art können Prüfungsaufträge komplett ausgelagert werden, Teile des Auftrags extern vergeben werden oder es wird gemeinsam mit den hinzugezogenen Prüfern oder unabhängigen, externen Experten geprüft. Dies wäre eine Form des Joint Audit", schreiben hierzu Jörg Berwanger und Ulrich Hahn im Buchkapitel "Durchführung von Prüfungs- und Beratungsaufträgen" (Seite 220).

Die Studie bringt außerdem eine staatliche Prüferbestellung, die sogenannte Cap Solution, also ein gesetzlicher Deckel für den maximalen Marktanteil oder die maximale Anzahl an Mandanten für eine Gesellschaft, sowie eine staatliche Auftragsvergabe in die Diskussion ein. Welche dieser Lösungen am ehesten geeignet sind, die Defizite des Marktes nachhaltig zu beheben, soll in einer weiteren Studie untersucht werden.

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