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16.12.2019 | Wirtschaftsrecht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Neue Referenzzinsätze setzen Banken unter Zugzwang

verfasst von: Oliver Schlicht

3:30 Min. Lesedauer

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Ab 1. Januar 2022 dürfen Banken die auf Einmeldung der Finanzinstitute basierenden Referenzzinssätze Interbank Offered Rates (IBOR) nicht mehr verwenden. Das sagt eine Anordnung der EU. Finance-Experte Oliver Schlicht erläutert die Folgen für die Branche. 

In ihrer Benchmark-Reform legte die Europäische Union (EU) 2016 fest, dass die IBOR durch Zinssätze ersetzt werden, die auf real getätigten Transaktionen beruhen. Verträge, die die alten Zinssätze beinhalten und über den Stichtag hinauslaufen, müssen neu verhandelt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt wären dies Verträge mit einem Gesamtvolumen von über einer Billiarde US-Dollar – Tendenz steigend. Falls Banken mit ihren Kunden bei Vertragsneuverhandlungen keine Einigung zu den geänderten Konditionen erzielen, droht im schlimmsten Fall eine Rückabwicklung der Verträge. Höchste Zeit also für Banken aktiv zu werden.

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Die im Jahr 2007 ausgebrochene Finanzkrise hat fast zum Kollaps des weltweiten Finanz- und Wirtschaftssystems geführt. Eine breit akzeptierte Lehre dieser Krise ist die Einsicht, dass der Finanzsektor einer strikteren Regulierung bedarf und dass diese bis in die Krise hinein ungenügend war.

Banken müssen sich auf den Wechsel vorbereiten

Betroffen von der Entscheidung der EU sind die eurobasierten Zinssätze EURIBOR (European Interbank Offered Rates) und EONIA (European Overnight Index Average) sowie der LIBOR (London Interbank Office Rate), der auf US-Dollar, Pfund, Yen oder Schweizer Franken basiert. Die Alternativen stehen Banken bereits zur Verfügung. Für den Euroraum sind das der ESTER (Euro Short-Term Rate), der seit Oktober 2019 den EONIA ersetzen soll und der EURIBOR, der gerade entsprechend der neuen regulatorischen Vorgaben angepasst wird. Außerhalb des Euroraumes gibt es bereits seit längerem Alternativen zu den Interbank Offered Rates, die auf real getätigten Transaktionen beruhen und damit auch die heutigen Regularien erfüllen. 

Ursprünglich sollten Banken bereits zum 1. Januar 2020 den Wechsel weg von den IBOR-Zinssätzen vollziehen. Auf Grund der Komplexität der Umstellung, erhielten die Banken von der EU aber zwei Jahre mehr Zeit für die Umsetzung. Diese Fristverlängerung sollten Banken sinnvoll nutzen.

Banken müssen mit großem Aufwand rechnen

Der Aufwand bei der Durchführung der erforderlichen Umstellungen ist für die Banken enorm. Zum einen liegt dies daran, dass eine automatische Ablösung der alten Verträge durch neue, die dann auf regulationskonformen Zinssätzen beruhen, nicht zulässig ist. Das heißt Institute müssen in einem sogenannten Repapering die betroffenen Verträge mit ihren Kunden neu verhandeln. Zum anderen müssen die Institute auch ihre gesamten internen Prozesse entsprechend der neuen Zinssätze anpassen, Mitarbeiterschulungen anbieten und gegebenenfalls ihre Produktpalette modifizieren oder sogar neu aufstellen. Es gibt also viel zu tun. Wo aber anfangen?

Bei der Umstellung auf die neuen Referenzzinssätze ist eine strategische Planung essentiell. Dazu gehört, die Umstellungen als Projekt anzulegen, eine Gliederung in Teilbereiche vorzunehmen und eine detaillierte Bestandsaufnahme durchzuführen: Welche Verträge sind von den Änderungen betroffen? Wo laufen diese - nur im Euroraum oder auch in anderen Währungen? Durch dieses Monitoring kann die Bank den Aufwand des Repaperings einschätzen.

Änderung der Abläufe erfordert Anpassungen auf vielen Ebenen

Die interne Umstellung auf die neuen Zinssätze erfordert eine Änderung der Abläufe. Gefragt ist die IT der Institute. Sie muss Prozessanpassungen vornehmen, die die Besonderheiten der neuen Zinssätze berücksichtigen. Die Banken müssen die neuen, regulationskonformen Referenzzinssätze in ihre Produktpaletten einbauen. Dabei geht es neben Darlehen und Finanzierungen auch um Geld- und Kapitalmarktprodukte. Neben den Firmenkunden sind also auch Privatkunden betroffen. Um die Kunden umfassend beraten zu können, müssen auch die Mitarbeiter entsprechend auf den Wechsel vorbereitet werden. Erst dann kann das Repapering beginnen.

Absehbar ist, dass Vertragsneuverhandlungen mit anderen Banken und Großunternehmen eher zügig abgewickelt werden können. Mittelständische Betriebe und Privatkunden wissen aber oft nicht was auf sie zukommt. Entsprechender Mehraufwand ist in diesen Geschäftsbereichen zu erwarten. Das größte Risiko für Banken besteht darin, den Aufwand der Umstellung auf die regulationskonformen Referenzzinssätze zu unterschätzen. Banken die jetzt aktiv werden, können nicht nur den Kunden, sondern auch den eigenen Mitarbeitern viel Stress ersparen und dem Stichtag am 1. Januar 2022 relativ entspannt entgegensehen.

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