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28.05.2015 | Wirtschaftsrecht | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Der Mittelstand reagiert auf Big Data zurückhaltend"

verfasst von: Sylvia Meier

5 Min. Lesedauer

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Big Data ist eines der wichtigsten Trendthemen der heutigen Zeit. Doch welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten? Und welche Chancen bieten sich? Springer-Autor Joachim Dorschel bezieht im Interview Stellung.

Springer für Professionals: Welche Chancen bietet Big Data?

Joachim Dorschel: Im Kern geht es darum, dass Erkenntnispotenzial aus verfügbaren Daten zu nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen. Big Data bietet die Chance, eingefahrene, auf Üblichkeiten, Hierarchien oder Irrtümern begründete Fehlentscheidungen zu erkennen und zu korrigieren. Dabei sollte freilich nicht übersehen werden, dass in jedem Unternehmen am Ende Menschen Entscheidungen treffen und treffen sollen. Die vielfach kritisierte „Bauchentscheidung“ muss nicht schlechter sein als das Ergebnis einer Datenanalyse. Und unternehmerische Visionen lassen sich durch Algorithmen nicht ersetzen.

Wie ist Ihre Einschätzung: Sind Unternehmen offen für Big Data? Oder scheuen sich viele Manager noch vor den Herausforderungen und Investitionen?

Hier bietet sich nach wie vor ein differenziertes Bild. Viele große Unternehmen analysieren die Potenziale von Big Data. Im Mittelstand gibt es eine größere Zurückhaltung. Entscheider in kleineren Unternehmen stellen eher in Zweifel, ob Big Data tatsächlich nützliche Erkenntnisse liefern können. In kleineren Unternehmen ist auch der Bedarf nach externer Unterstützung bei entsprechenden Vorhaben größer, da interne Ressourcen in der Administration, der IT-Abteilung und in der Rechtsabteilung häufig nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung stehen.

Big Data verändert die Unternehmenswelt. Auch im Financebereich. Doch wie kann man Controller und CFOs mit dem Thema vertraut machen?

Big Data ist in seiner betriebswirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Dimension ein verhältnismäßig neues Thema, sodass in den wenigsten Unternehmen Erfahrungswissen und entsprechendes Know-How vorhanden ist. Für Finanzabteilungen gilt dies ebenso wie für andere Bereiche des Unternehmens. Eine qualifizierte Beratung ist daher häufig der richtige Einstieg. Diese sollte freilich mit der Frage beginnen, welche Defizite in der Analyse und Bewertung der finanziellen Situation eines Unternehmens bestehen. Daten und Prozesse zu analysieren, etwa um Einsparungspotential zu identifizieren, ist einem Controller keineswegs fremd.

Die Automatisierung von Prozessen und Entscheidungen ist in der Wirtschaft ein großes Thema. Und von Big Data versprechen sich viele Unternehmen noch mehr Erleichterungen. Datenschützer runzeln hier die Stirn: Gibt es rechtliche Grenzen bei automatisierten Entscheidungen?

Das Gesetz verbietet automatisierte Entscheidungen, bei denen allein ein Computeralgorithmus einzelne Persönlichkeitsmerkmale bewertet. Der Gesetzgeber will den Betroffenen nicht zum bloßen Objekt eines Computeralgorithmus degradieren. Die Vorschrift ist letztlich eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gebots der Menschenwürde. Von einer automatisierten Entscheidung spricht man, wenn kein Mensch durch eine eigene Bewertung auf das Ergebnis Einfluss nimmt.

Gibt es Ausnahmen?

Das gesetzliche Verbot der automatisierten Einzelentscheidung wird durch zwei Ausnahmen erheblich relativiert: es gilt zum einen nur für ablehnende Entscheidungen. Dort, wo mit der Entscheidung einem Begehren des Betroffenen stattgegeben wird, ist ein rein maschinelles Verfahren zulässig. Damit betrifft das gesetzliche Verbot überhaupt nur ablehnende Entscheidungen. Weiterhin gilt das Verbot auch dann nicht, wenn dem Betroffenen auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, seine Interessen zu wahren. In der Praxis reicht es hierfür regelmäßig aus, dem Betroffenen nach der ablehnenden Entscheidung die Möglichkeit zu geben, etwa über eine Hotline seinen individuellen Standpunkt darzulegen. Ein solches Verfahren ist leicht zu implementieren.

Differenziertere Regeln gelten für das Scoring. Wir können beobachten, dass sich der Einsatz von Big Data Technologien bei der Bonitätsbewertung von Marktteilnehmern mehr und mehr etablieren. Der Mehrwert von Big Data für die Belastbarkeit einer Entscheidung ist in diesem Bereich evident. Auch hier sind die gesetzlichen Regeln mit einem entsprechend differenzierten Technikeinsatz nicht schwer zu erfüllen.

Wie sieht es mit Big Data im Zusammenhang mit Human-Ressources aus? Müssen Arbeitnehmer zum Wohle von Big Data um ihre eigenen Daten fürchten?

Arbeitnehmerdaten unterliegen arbeits- wie datenschutzrechtlich einem besonderen Schutz. Ein Arbeitnehmer darf nicht umfassend überwacht und ausgeleuchtet werden. Es gibt Bereiche des Lebens, die ein Arbeitnehmer berechtigterweise vor seinem Arbeitgeber geheim halten darf. Gleichzeitig verbringt ein Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil seines Lebens im Organisationsbereich des Arbeitgebers und hinterlässt dort eine Fülle von Daten, deren Kombination und systematische Auswertung weit tiefere Einblicke ermöglicht, als sie das Gesetz erlaubt. Wenn Arbeitnehmerdaten in Spiel kommen, ist bei Big Data Vorhaben besondere datenschutzrechtliche Sorgfalt zu wahren. Wo ein kooperatives Verhältnis zum Betriebsrat besteht, ist es sinnvoll, diesen frühzeitig in die Planungen mit einzubeziehen und gemeinsame Entscheidungen durch Betriebsvereinbarungen abzusichern. Betriebsvereinbarungen wirken datenschutzrechtlich wie eine gesetzliche Erlaubnis, sodass dieses Instrument, die Zustimmung des Betriebsrats vorausgesetzt, den Gestaltungsspielraum erheblich erweitert.

Ist die größte Big-Data-Hürde das Datenschutzrecht?

Nein. Auf den ersten Blick besteht freilich ein Widerspruch zwischen dem datenschutzrechtlichen Gebot der Datensparsamkeit und der Zweckbindung einerseits und dem Ansatz von Big Data, möglichst viele Daten möglichst umfassend auszuwerten, andererseits. Allerdings muss man sehen, dass das Datenschutzrecht überhaupt nur gilt, wo personenbezogene Daten, also Daten über Menschen, ins Spiel kommen. Viele sinnvolle Einsatzbereiche von Big Data haben mit personenbezogenen Daten nichts zu tun, man denke etwa an Datenanalysen in der Logistik oder der industriellen Fertigung. Auch kommt es bei Datenanalysen sehr häufig nicht auf den einzelnen Betroffenen an, so dass das gleiche Ergebnis auch mit anonymisierten Daten erzielt werden kann.

Im Übrigen muss man sehen, dass bei jedem, auch konventionellen, IT-Projekt, das personenbezogene Daten berührt, datenschutzrechtliche Belange zu beachten sind. Eine ERP-Einführung ist datenschutzrechtlich nicht komplexer als eine Marktanalyse auf Basis öffentlich zugänglicher Social Media Daten. Die Verknüpfung von Daten mit ihren Metadaten erleichtert vielmehr die technische Umsetzung datenschutzrechtlich gebotener Maßnahmen wie die gezielte Löschung, die Anomymisierung, das Sperren von Daten oder die Beantwortung von Auskunftsversuchen der Betroffenen.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

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Recht

Quelle:
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